17. Dez 2019
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Gesellschaft
Die Baubranche unterstützt mit einer eigenen Zusatzregelung die Rentenvorsorge der Beschäftigten und gleicht so spezifische Nachteile aus.
Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Im internationalen Vergleich bekommen Deutschlands Rentner weniger Rente ausgezahlt, als in den meisten anderen Mitgliedsländern der OECD. Für ehemalige Bauarbeiter sieht es im wohlverdienten Ruhestand sogar noch schlechter aus, denn sie leiden zusätzlich unter branchenspezifischen Nachteilen, die ihr Rentenniveau weiter drücken. Dazu gehören vor allem wetterbedingte lange Arbeitspausen im Winter, überdurchschnittlich häufige Wechsel des Arbeitgebers sowie ein durchschnittlich früherer Rentenbeginn, der durch die hohe körperliche Belastung bedingt ist. So liegt der Anteil von Erwerbsminderungsrenten bei männlichen Neurentnern bei 15 %, während er bei Neurentnern aus der Bauwirtschaft bei mehr als 28 % liegt – mit den entsprechenden Rentenausfällen.
Um diese Nachteile auszugleichen, beschlossen die Tarifpartner des Baugewerbes – also der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB), die Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden (als Vorläuferin der heurigen IG Bauen-Agrar-Umwelt) und der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes – schon 1957 ein eigenes Rentenbeihilfesystem. Dieses branchenspezifische Altersvorsorgesystem sichert eine solidarische überbetriebliche Altersvorsorge, die viele Jahre lang umlagefinanziert war. Eine wichtige Grundlage bildete dabei von Anfang an die verbindliche Gültigkeit der Regelungen für alle Unternehmer der Branche. Das System funktioniert so, dass die Höhe der Rentenbeihilfe mit der Dauer der Beschäftigung in der Branche steigt. Welche Bedeutung diese Beihilfe hat, zeigen die Zahlen für das Jahr 2015: Mehr als 373.000 Empfänger erhielten insgesamt 330 Millionen Euro.
Schon Mitte der neunziger Jahre wurde allerdings klar, dass vor allem aufgrund der demographischen Entwicklung dieses System auf absehbare Zeit nicht mehr finanzierbar sein würde, wenn es nicht neu aufgestellt würde. Die Zahl der gewerblichen Arbeitnehmer in der Baubranche sank immerhin von 890.000 im Jahr 1995 auf 550 000 im Jahr 2002. Da zugleich die Zahl der Anwartsbezieher weiter stieg, leiteten die Tarifpartner eine langfristige Umstellung auf ein Anwartsdeckungsverfahren ein. Es kam zu einschneidenden Reformen. Mit der neuen Tarifrente Bau wurde die Umstellung auf ein größtenteils kapitalgedecktes System zum 1. Januar 2016 vollzogen. Das Rentenbeihilfesystem wurde zugleich zum 31. Dezember 2015 für Neuzugänge geschlossen. Das neue System gilt auch für die Beschäftigten in den alten Bundesländern, die zu diesem Stichtag das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten. Bei der Umstellung wurde großen Wert daraufgelegt, dass kein Beschäftigter schlechter gestellt wurde als nach dem alten System.
Die neue Regelung hat einen immensen Vorteil: Im Gegensatz zur größtenteils umlagefinanzierten Rentenbeihilfe ist die Tarifrente Bau fast vollständig kapitalgedeckt – und dadurch ist die zusätzliche Altersversorgung in der Bauwirtschaft gegenüber den Problemen des demographischen Wandels nahezu immunisiert.