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3. Apr 2021

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Gesellschaft

Wie die Spinne im Netz

Journalist: Armin Fuhrer

E-Mobilität gehört zur Smart City der Zukunft. Sie erfordert ein gutes Management, erklären Andreas Nolden und Martin Frenzel von PSI.

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Andreas Nolden, Leiter Division Stadtwerke PSI Software AG und Martin Frenzel, Bereichsleiter Entwicklung und Projekte PSI Software AG; Fotos: Presse

Die Elektromobilität ist auf dem Vormarsch, die Zahl der E-Autos steigt. Stellt das die Städte und Kommunen vor große Herausforderungen?

Nolden: Vor sehr große Herausforderungen sogar, aber die Aufgabe ist grundsätzlich lösbar. Die spannende Frage ist, wie der zusätzliche Bedarf durch die Umstellung das Thema Stromnetze beeinflusst. Klar ist, wenn man viele Autos, Fahrräder und Busse an das Stromnetz anschließen möchte, müssen die vorhandenen Möglichkeiten effektiv genutzt werden und das ist eine anspruchsvolle Herausforderung für die Gestaltung der Smart City der Zukunft. 

Können denn die heutigen Netze den steigenden Bedarf decken? 

Nolden: Ich sehe bei den Netzen keine Gefahr eines Engpasses, denn man kann sehr vieles durch schlaue Software und ein entsprechendes Management lenken und herausholen. Für mich sind daher Warnungen, dass die Kapazitäten für die angepeilte Mobilitätswende nicht reichen werden, eher ein Schreckgespenst. 

Frenzel: Dafür ist vor allem ein gutes Lastmanagement wichtig. Und man muss differenzieren zwischen den Flottenbetreibern, die Flotten auf der Basis von E-Mobilität aufbauen, wie zum Beispiel die Betreiber des Öffentlichen Personennahverkehrs mit Bussen, und den privaten Nutzern. 

Wie sieht es denn beim öffentlichen Nahverkehr aus?

Frenzel: Für diesen Bereich gibt es schon gute Lösungsansätze. Daher gehe ich davon aus, dass die bestehenden Netze bis auf wenige Ausnahmen auch  für den ÖPNV nicht erweitert werden  müssen. Und das, obwohl immerhin  40.000 Busse im ÖPNV in Deutschland unterwegs sind. Es kann aber zum Beispiel durchaus mal vorkommen, dass die Netzanschlusskapazitäten für ein Busdepot erweitert werden müssen, denn an solchen Punkten sind die Anforderungen natürlich sehr hoch. Neben dem Last- und Lademanagement für Flottenbetreiber bieten wir auch Lösungen für Verteilnetzbetreiber an, die es ermöglichen, auf die Ladeinfrastruktur, die verteilt im Gebiet des Verteilnetzbetreibers installiert wird, einzuwirken. An dieser Stelle hinken leider die regulatorischen Voraussetzungen noch hinterher. 

Gibt es denn derzeit Engpässe in der Versorgung?

Frenzel: Das Problem von Versorgungsengpässen haben wir nicht. Aber wir stehen ja auch erst noch vor der großen E-Mobilitätswelle, denn E-Autos – und das gilt auch für den Bereich der Busse – werden in der nächsten Zeit den Massenmarkt erobern. Wir haben einen guten Überblick, denn bei vielen großen Flottenbetreibern überwacht PSI bereits die Ladeinfrastruktur und die elektrischen Netze in den Busdepots. Solche Betreiber können in einer Großstadt leicht auf mehrere hundert Ladesäulen an mehreren Standorten kommen.

Ist das Lademanagement bei einem großen Flottenbetreiber eine besonders große Herausforderung?

Frenzel: Eine gute Planung ist natürlich sehr wichtig, denn ein großer Betreiber verfügt über eine Vielzahl von Bussen und alle müssen nach dem entsprechenden betrieblichen Bedarf geladen werden. Dafür wird ein gutes E-Depot-Managementsystem benötigt, das auch die Routen- und die Ladeplanung übernimmt. Das ist deutlich komplizierter und erfordert erheblich mehr vorausschauende Planung als das System der Vergangenheit mit Dieselbussen und Tankstellen im Depot. Die zentrale Steuerung regelt viele Bereiche und sitzt ein wenig wie die Spinne im Netz. Die gesamte Planung, die Ladesteuerung und die Überwachung der Ladeinfrastruktur und der elektrischen Netze wird komplizierter und ist das Geschäftsfeld von PSI.

Sollten Städte und Kommunen für den privaten Verkehr den Aufbau von Ladeinfrastrukturen eher privaten Anbietern überlassen oder selbst aktiv werden?

Nolden: Ich bin für ein Mischsystem aus beiden. Zuerst sollte man schauen, wo private Anbieter die Initiative ergreifen. Aber es werden sich Engpässe ergeben, nämlich dort, wo es sich für diese Anbieter nicht lohnt. Das können die ländliche Region und auch der Stadtrand sein. In diesen Fällen muss natürlich trotzdem für die notwendige Infrastruktur zum Aufladen gesorgt werden und das können die Stadtwerke übernehmen. Auch die Bundesregierung fördert ja den Aufbau von Ladestationen an den Autobahnen. 

Befürchten Sie Probleme durch die  zusätzliche Umstellung auf erneuerbare Energien?

Nolden: Grundsätzlich ist ja Strom im Netz immer vorhanden – aber die Leistung spielt die entscheidende Rolle. Das Zusammenspiel von Strom, Spannung und Frequenz muss passen. Insofern handelt es sich zunächst mal um zwei verschiedene Felder des einen großen Ziels: dem Klimaschutz. Aber die Frage des Stroms aus erneuerbaren Energien ist trotzdem von Belang, weil das Wetter zu einer schwankenden Verfügbarkeit führt. Und das Wetter ist auch relevant, weil extreme Temperaturschwankungen oder sehr niedrige oder hohe Temperaturen in das Lademanagement mit eingehen. Interessant wird die Frage der erneuerbaren Energien auch, wenn Private die Energie, die sie mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach ihres Hauses erzeugen für das eigene E-Auto nutzen wollen. 

Frenzel: Meist haben wir ein Überangebot von Strom in Netz. Aber es gibt natürlich auch sehr dunkle und auch windstille Tage, an denen die Stromversorger tatsächlich an ihre Grenzen stoßen können. Es ist wird dann u.a. die Aufgabe des Lastmanagements sein, dem entgegenzuwirken. Das bedeutet, dass möglicherweise auch die Last mal um zehn oder um 30 Prozent reduziert wer-den muss. Es gibt inzwischen verschiedene Möglichkeiten, auf so eine Situation flexibel zu reagieren. Das passiert automatisiert und sollte den Komfort des Endverbrauchers und den Betrieb des gewerblichen Verbrauchers nicht zu sehr einschränken. 

30. Apr 2025

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Gesellschaft

Eine benutzerfreundliche Infrastruktur ist ein Muss für den Erfolg der Elektromobilität in Deutschland – mit Christian Heep, Vorstand im Bundesverband eMobilität (BEM)

![Christian Heep Vize-Präsident BEM Bundesverband eMobilität -Online.JPG](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Christian_Heep_Vize_Praesident_BEM_Bundesverband_e_Mobilitaet_Online_14b581b45a.JPG) ``` Christian Heep, Vorstand im Bundesverband eMobilität (BEM) ``` **Welche strategischen Bereiche stehen derzeit im Fokus des BEM?** Wir setzen auf die systemische Transformation des Mobilitätssektors. Dabei liegt unser Augenmerk auf dem flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur, der Verknüpfung mit erneuerbaren Energien, klaren regulatorischen Rahmenbedingungen und der Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland. **Wie gestaltet sich der Ausbau der Ladeinfrastruktur?** Ein leistungsfähiges Ladenetz ist entscheidend für die Akzeptanz der Elektromobilität. Wir fördern eine interoperable und benutzerfreundliche Infrastruktur, die intelligente Netzintegration, bidirektionales Laden und Speicherlösungen umfasst. Bestehende Tankstellen sollen als multifunktionale Energiehubs umgerüstet werden. **In welcher Verbindung stehen E-Mobilität und erneuerbare Energien?** Elektromobilität ist nur dann nachhaltig, wenn der Strom aus Wind und Sonne kommt. Daher muss eine direkte Verbindung zwischen Ladeinfrastruktur und erneuerbaren Energien geschaffen werden – unterstützt durch intelligente Netzsteuerung, lokale Erzeugung und Speicherlösungen. Regulatorische Anreize sollen Betreibende und Nutzende dazu motivieren, verstärkt Grünstrom zu verwenden. >Die Verkehrswende ist ein zentraler Hebel, um CO₂-Emissionen zu senken und die Luftqualität zu verbessern. **Welche Rolle spielt die Verkehrswende im Klimaschutz?** Die Verkehrswende ist ein zentraler Hebel, um CO₂-Emissionen zu senken und die Luftqualität zu verbessern. Neben der Elektrifizierung des Straßenverkehrs setzen wir auf multimodale Verkehrskonzepte und die effiziente Nutzung vorhandener Infrastruktur. **Wie trägt E-Mobilität zur Stärkung der deutschen Wirtschaft bei?** Der Übergang zur Elektromobilität bietet Deutschland die Chance, sich von fossilen Technologien zu lösen und in Zukunftsbranchen zu investieren. Wichtige Bereiche sind hier die Forschung, Entwicklung und Produktion von Batterien, Ladeinfrastruktur und digitalen Mobilitätsdiensten – essenziell, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. **Ist staatliche Förderung noch notwendig?** Ja, staatliche Förderungen bleiben essenziell, müssen aber zielgerichtet, degressiv und langfristig ausgerichtet sein. Sie sollen den Markthochlauf, den Infrastrukturausbau und die Forschung unterstützen – während gleichzeitig Subventionen für fossile Kraftstoffe reduziert werden müssen. >Statt Handelsbarrieren sollten wir unsere eigenen Stärken in der Elektromobilität ausbauen, um die Wertschöpfung in Europa zu erhöhen und langfristig eine nachhaltige Industriepolitik zu verfolgen. **Wie sollten staatliche Fördermaßnahmen gestaltet sein?** Es braucht eine Förderpolitik, die die Transformation gesamtheitlich betrachtet: Infrastruktur, Fahrzeugflotten, Speichertechnologien und Netzintegration. Gleichzeitig müssen regulatorische Hemmnisse abgebaut werden, etwa bei Netzentgelten oder Abgaben auf Eigenstromnutzung. Neben regulatorischen Rahmenbedingungen und politischer Lenkungswirkung sind sowohl monetäre als auch nicht-monetäre Förderungen notwendig. Jeder investierte Euro zahlt sich langfristig aus, indem er Innovationskraft, Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Klimaschutz sichert. **Wie bewertet der BEM die erhöhten Zölle auf chinesische Elektroautos?** Protektionismus ist kein zielführender Ansatz. Statt Handelsbarrieren sollten wir unsere eigenen Stärken in der Elektromobilität ausbauen, um die Wertschöpfung in Europa zu erhöhen und langfristig eine nachhaltige Industriepolitik zu verfolgen. ## Factbox: **Christian Heep ist Vorstand beim BEM** und leitet Marketing, Medien, PR, Kommunikation, Politik, Messen und Events. Seine Leidenschaft für erneuerbare Energien und Elektromobilität inspiriert ihn zu innovativen Projekten für eine nachhaltige Mobilität.