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28. Sep 2023

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Wirtschaft

„Der Klimawandel ist ein Megathema“

Journalist: Armin Fuhrer

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Foto: DBV

Joachim Rukwied, deutscher Landwirt und Präsident des Deutschen Bauernverbandes

Deutschlands Landwirte tun viel für den Klimaschutz, brauchen aber bessere politische Rahmenbedingungen, sagt Bauernpräsident Joachim Rukwied.

Herr Rukwied, der Klimawandel ist ein Megathema, das mit anderen Themen eng verknüpft ist. In diesem Zusammenhang steht die Landwirtschaft immer wieder in der Kritik von Klimaschützern. Wo könnte sie vielleicht noch mehr beitragen – und wo ist die Grenze der Ertragbaren erreicht?
Der Klimawandel ist in der Tat auch für uns Bauern ein Megathema. Die Landwirtschaft selbst ist stark betroffen vom Klimawandel und unternimmt daher nicht nur große Anstrengungen, um sich an die veränderten Klimabedingungen anzupassen, sondern auch zur Bekämpfung des Klimawandels. Wir deutschen Bauern wirtschaften im globalen Vergleich bereits äußerst klimafreundlich und auch im Vergleich zu anderen Sektoren sind die Emissionen gering. Nichtsdestotrotz wollen wir diese weiter reduzieren und mit Bioenergie sowie CO2-Speicherung in Böden noch mehr zur Klimaschutz beitragen. Was fehlt, sind die passenden politischen Rahmenbedingungen.

Der Schutz der Artenvielfalt ist eine große Herausforderung. Wo sehen Sie dabei die Rolle der Landwirtschaft?
Unser Selbstverständnis ist der Dreiklang: Klima schützen, Artenvielfalt erhalten und Ernährung sichern. Diese jeweils enormen Herausforderungen müssen gemeinsam gedacht werden. Das geht nur über produktionsintegrierte Konzepte in Kooperation mit den Landwirten – zahlreiche von uns mit initiierte Projekte illustrieren, dass dies der erfolgsversprechende Weg ist.

Die Massentierhaltung ist stark in die Kritik geraten. Können Sie das verstehen?
Tierwohl wird wesentlich stärker von Faktoren wie Haltungsform sowie Tiergesundheits- und Fütterungsmanagement bestimmt als durch die Anzahl der Tiere in einem Stall. In der Realität sieht es so aus: Jedes vierte Mastschwein in Deutschland steht inzwischen in Tierwohlställen, jeder neu gebaute Stall ist ein Fortschritt für das Tierwohl und die Haltungsbedingungen werden immer stärker an den Bedürfnissen der Tiere ausgerichtet.

Sind an dieser Stelle weitere Verbesserungen möglich und geht das ohne Unterstützung der Politik?
Ohne die Unterstützung der Politik und den Willen der Verbraucher sowie des Handels, hochwertige Ware auch entsprechend finanziell zu honorieren, wird es nicht gehen. Hier müssen sich sowohl die politischen Entscheidungsträger als auch die gesamte Wertschöpfungskette endlich ihrer Verantwortung bewusst werden. Unsere Betriebe brauchen zwingend passende Rahmenbedingungen, die ihnen eine wirtschaftliche Perspektive geben. Ansonsten werden immer mehr Betriebe aufgeben und die Erzeugung wird ins Ausland abwandern – wo zu deutlich geringeren Tierwohlstandards gewirtschaftet wird. Damit wäre weder dem Tierwohl noch den Betrieben geholfen. Dieses Szenario gilt es zu verhindern.

Digitalisierung ist ein Thema, das die gesamte Wirtschaft durchzieht. Gilt das auch für die Landwirtschaft?
Natürlich gilt das auch für die Landwirtschaft. Digitalisierung ist ein wichtiger Schlüssel auf dem Weg hin zu noch mehr Nachhaltigkeit. Und auf vielen Betrieben gehört Hightech auf dem Feld, im Stall und im Management schon längst zum Alltag.

Können Sie Beispiele nennen?
Mittels präziser Sensortechnik können beispielsweise Pflanzenschutz- und Düngemittel zielgenau dort ausgebracht werden, wo sie benötigt werden – wodurch auch die eingesetzte Menge reduziert wird. Mit GPS-gesteuerten, teilweise autonom fahrenden Landmaschinen kann besonders umweltfreundlich gewirtschaftet werden. Und in den Ställen unterstützen moderne Techniken dabei, das Tierwohl kontinuierlich zu verbessern – z. B. durch Gesundheitsmonitoring.

Sehen Sie vor dem Hintergrund der vielen Herausforderungen die Rolle der Landwirtschaft für die Ernährungssicherheit in Deutschland gefährdet?
Ernährungssicherheit ist fragil – deshalb muss alles daran gesetzt werden, die Versorgung mit Lebensmitteln strategisch anzugehen und auch als politisches Ziel zu erklären. In jüngster Zeit haben wir uns mit zahlreichen Verordnungsvorschlägen aus Brüssel konfrontiert gesehen, die sich in ihrer Pauschalität und mit ihrem Fokus auf Verbote nur so überbieten und wiederum lediglich zur Verlagerung der Erzeugung ins Ausland führen würden – und die erklärten Ziele somit effektiv konterkarieren. Hier erwarten wir ideologiefreie und pragmatische Konzepte. Ernährungssicherheit ist nicht selbstverständlich.

Der Deutsche Bauernverband (DBV), 1948 gegründet, ist Unternehmerverband und Interessenvertreter für alle Landwirtinnen und Landwirte. Mehr als 90 Prozent aller 300 000 landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland sind Mitglieder. Die sind  in  18 Landesverbänden organisiert.

23. Dez 2025

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Gesellschaft

Warum es so wichtig ist, konsequent nachhaltig zu bauen – Ein Beitrag von Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand DGNB e.V.

Nachhaltiges Bauen bedeutet weit mehr als energieeffiziente Gebäude oder den Einsatz ökologischer Materialien. Es beschreibt einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem Gebäude über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg betrachtet werden: von der Planung über den Bau und die Nutzung bis hin zu Umbaumaßnahmen oder den Rückbau. Ziel ist es, Umweltbelastungen zu minimieren, Ressourcen zu schonen, Menschen gesunde und lebenswerte Räume zu bieten und gleichzeitig wirtschaftlich sinnvolle Lösungen zu schaffen. Stand heute ist der Bausektor nach wie vor für einen erheblichen Teil der globalen CO2-Emissionen, den Verbrauch natürlicher Ressourcen und den zunehmenden Verlust der Biodiversität verantwortlich. Gleichzeitig verbringen wir den Großteil unseres Lebens in geschlossenen Räumen, die unser Wohlbefinden stärken sollen, ohne dabei die Zukunft unseres Planeten zu gefährden. Zudem leben immer mehr Menschen in der Stadt. Der Bedarf an attraktiven und dazu noch klimaresilient gestalteten Freiräumen wächst. Nachhaltige Architektur bietet einen ganzheitlichen Ansatz, um die Klimakrise zu bekämpfen, soziale Gerechtigkeit zu fördern und langfristige wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten. Wie ein Perspektivwechsel in diese Richtung gelingen kann, zeigen wir noch bis zum 28. Januar 2026 mit der ersten DGNB Ausstellung „What If: A Change of Perspective“ in der Berliner Architekturgalerie Aedes. Die Ausstellung fordert Besucherinnen und Besucher dazu auf, gewohnte Denkmuster zu hinterfragen und die Themenvielfalt des nachhaltigen Bauens neu und unvoreingenommen auf sich wirken zu lassen. >Nachhaltige Architektur bietet einen ganzheitlichen Ansatz, um die Klimakrise zu bekämpfen, soziale Gerechtigkeit zu fördern und langfristige wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten. Anhand gebauter Beispiele wird deutlich, dass viele Lösungen bereits existieren. So erfährt der Besuchende anschaulich, wie Gebäude klima- und ressourcenschonend geplant werden können, indem Materialien im Kreislauf geführt, Energie effizient genutzt oder sogar erzeugt wird und der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes berücksichtigt bleibt. Ebenso thematisiert werden Klimaanpassung und Resilienz: durch kluge Gestaltung, Begrünung und Freiräume können Gebäude und Städte besser mit Hitze, Starkregen oder Trockenperioden umgehen. Ein weiterer Fokus liegt auf dem Menschen. Nachhaltiges Bauen stellt das Wohlbefinden, die Gesundheit und das soziale Miteinander in den Mittelpunkt. Architektur kann Begegnung fördern, Identität stiften und bezahlbaren Wohnraum schaffen, ohne dabei die Umwelt aus dem Blick zu verlieren. Auch der verantwortungsvolle Umgang mit bestehenden Gebäuden spielt eine zentrale Rolle. Sanieren, Umnutzen und Weiterbauen im Bestand werden als Strategien gezeigt, um Flächen zu schützen und Ressourcen zu sparen. Nicht zuletzt wird klar, dass Nachhaltigkeit keine Kostenspirale sein muss. Ganzheitlich geplante Gebäude sind oft wirtschaftlicher, weil sie langfristig Betriebskosten senken, Risiken minimieren und ihren Wert erhalten oder steigern. Nachhaltiges Bauen ist kein abstraktes Expertenthema und schon gar keine Zukunftsvision, sondern eine konkrete Chance. Für lebenswerte Städte, für gesunde Räume und für eine gebaute Umwelt, die den Herausforderungen unserer Zeit gewachsen ist. Als inhaltlich getriebener Non-Profit-Verein begreifen wir das nachhaltige Bauen seit unserer Gründung vor 18 Jahren als gesellschaftliche Aufgabe, nach der wir unser Handeln ausrichten. Mit der Ausstellung laden wir jeden einzelnen ein, genauer hinzusehen, weiterzudenken und selbst Teil des Wandels zu werden. Weitere Informationen gibt es unter www.dgnb.de/aedes