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6. Sep 2024

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Business

Der Mensch ist und bleibt im Mittelpunkt – mit Donya-Florence Amer

Journalist: Julia Butz

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Foto: Raetzke/HLAG

Im Interview mit Donya-Florence Amer, Chief Information Officer (CIO), Human Resources Officer (CHRO) und Teil des Vorstandes der Hapag-Lloyd AG.

Organisationen stehen vor massiven Veränderungsprozessen. Aber Technologien allein erwirken keine Transformation. Inwiefern bleibt der Mensch Erfolgsfaktor? Der Mensch bleibt im Mittelpunkt, das steht außer Frage. Rund um die Automatisierung von Prozessen können wir Maschinen wunderbar einsetzen. Ich kann Technik nutzen, indem ich Inhalte aufbereiten lasse. Künstliche Intelligenz kann mir neue Denkanstöße oder Ideen liefern. Auch bei Wissenslücken können Maschinen unterstützen und beispielsweise Komplexität in hoher Geschwindigkeit verständlich transportieren. Aber es wird immer einen Faktor Mensch geben. Der die richtigen Fragen stellt und die Richtung vorgibt.

Schaut man sich Technologien wie Open AI an, ist sehr viel (Fach-)Wissen da … … Das aber zunächst reflektiert und überprüft werden muss. Daher geht es umso mehr darum, zunächst die richtigen Fragen zu stellen. Antworten gibt es jede Menge, aber was will man eigentlich wissen? Technologie muss intelligent genutzt werden. Der Umgang macht am Ende den Unterschied aus, ob ein Unternehmen wettbewerbsfähig ist oder nicht. Und wenn ich eine Relevanz im Markt habe, sowohl wirtschaftlich als auch auf das Thema Talente bezogen, dann sollte ich mich bewusst damit auseinandersetzen und Künstliche Intelligenz nicht ignorieren. Denn im Zweifel nutzt der Wettbewerber KI bereits zu seinem Vorteil.

Welchen Stellenwert hat Technologie bei Hapag-Lloyd? Einen sehr großen, da Technologie zum eigentlichen Value-Treiber wird. Die Hapag-Lloyd hat beispielsweise den größten Anteil an Eigenentwicklung an Applikationssoftware außerhalb von IT-Unternehmen, wie unser selbst entwickeltes Frachtinformationssystem. Alleine dieser Technologiesprung hat so eine Sogwirkung bei uns erzeugt, dass sich viele Mitarbeitende mit dem Thema Technologie sehr viel stärker beschäftigen als vorher. Technologie wird nun viel mehr gesehen und durchmischt sich in allen Bereichen.

Wie sieht eine gelungene und menschenzentrierte Transformation bei Hapag-Lloyd aus? Natürlich sind auch wir ein Unternehmen das mit fast 178 Jahren eine Geschichte hat, das geht nicht von heute auf morgen. Aber in vielen kleinen Schritten. Wenn man transformiert, geht es um „People“, „Places“ und „Processes“: Hat man die richtigen Leute an den richtigen Stellen und wissen sie welchen Beitrag sie zur Unternehmensstrategie leisten? Auf der Places-Seite haben wir sehr viel in neue Räume investiert. In offene Büros und Kommunikationsflächen, helle Work Places, die die Kreativität und den Austausch fördern – und die Talente anziehen. In Bezug auf die Processes glauben wir an eine Open Door Policy: Die Mitarbeitenden können, sollen, müssen sagen, was sie denken. Das fördern wir über verschiedene Kommunikationskanäle, veranstalten Q+A Runden, beziehen die Leute ein. Wichtig ist und bleibt das Thema Kommunikation. Wo man hinwill und warum man Dinge tut. Das Thema „Sense of Why“ ist ganz entscheidend. Das gilt um so mehr für unser klares Qualitätsversprechen an unsere Kunden. In deren Umsetzung jeder im Unternehmen seine Rolle spielt. Es ist ganz wichtig, dass man jedem seine Verantwortung klarmacht. Dann wird Kreativität freisetzt und jedem die Chance gegeben, innerhalb seines Verantwortungsbereiches gute Entscheidungen zu treffen.

Dazu gehört auch lebenslanges Lernen. Welche Aus- und Weiterbildungsmodelle bieten Sie an? Wenn man als Unternehmen erfolgreich sein will und Mitarbeitende auch interessiert halten will, muss es eine gewisse Bandbreite an Formaten geben. Wir haben dazu mit der Hapag-Lloyd-Academy vor rund zwei Jahren eine Plattform mit einem Portfolio verschiedener Lernmodule geschaffen, die sich nicht nur inhaltlich, sondern auch formell unterscheiden und direkt auf die Lebenswelt der Anwender zugeschnitten sind. Ob Bilder, Snippets oder Texte. Es gibt die unterschiedlichsten Arten, wie man Motivation kickt und anstößt.

Was macht ein Unternehmen zukunftssicher? Es braucht Vorbilder, Menschen die den Umgang mit neuen Gegebenheiten, neuen Technologien vorleben. Und die Veränderung als Chance sehen: Einfach mal machen, könnte gut sein! (lacht) Und natürlich sind Werte wichtig. Ohne Werte funktionieren Unternehmen nicht. Wenn man Werte hat und eine gute Strategie, dann hat man schon eine gute Strecke des Weges geschafft.

Fakten:

Gemeinsam mit über 40 weiteren Hapag-Lloyd-Teams nimmt Donya-Florence Amer regelmäßig am traditionellen Staffellauf durch den Hamburger Stadtpark teil. Oder geht, wenn es ihre Zeit zulässt, ihrer großen Passion, dem Freitauchen ohne Sauerstoffflasche nach.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.