29. Jun 2020
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Business
Journalist: Chan Sidki-Lundius
Vier Experten äußern sich zu der Frage: Was tun Sie für die Absicherung des Mittelstands? Was muss geschehen, damit dieser zukunftsfähig wird?
Auch der Mittelstand muss seine IT-Sicherheit und die Risikokultur auf allen Ebenen stärken.
Schnelle Prozesse, neue Dienstleistungen, mehr Flexibilität – das ist die helle Seite der Digitalisierung. Doch es gibt auch die dunkle Seite: Hier sabotieren Kriminelle das Geschäft, stehlen Passwörter und Betriebsgeheimnisse, nehmen Daten und IT-Systeme in Geiselhaft und fordern hohe Lösegelder. Immer noch unterschätzen oder verdrängen viele Unternehmenslenker diese Gefahren aus dem Cyberspace. Viele Mittelständler glauben, sie seien zu klein, zu unwichtig oder zu uninteressant, um das Interesse Krimineller zu wecken. Doch das ist eine fatale Fehleinschätzung: Für Hacker gibt es kein zu klein. Auch der Mittelstand muss seine IT-Sicherheit und die Risikokultur auf allen Ebenen stärken. Bei dieser Aufgabe ist die deutsche Versicherungswirtschaft ein verlässlicher Partner. Versicherer sorgen für Prävention, indem sie die Cybersicherheit ihrer Kunden prüfen, Sicherheitslücken finden und wissen, wie sich diese schließen lassen. Die Unternehmen haben dadurch einen doppelten Vorteil: Ihre IT-Sicherheit ist auf dem neuesten Stand – und wenn dennoch etwas passiert, übernimmt der Versicherer nicht nur den Schaden, sondern hilft mit einem Pool von Spezialisten, das Problem so schnell wie möglich zu beheben.
Dieser digitale Change-Prozess muss in der Chefetage beginnen.
Die Wirtschaft steckt noch in der Corona-Krise, aber eines haben wir gelernt: Je digitaler ein Unternehmen aufgestellt war, desto weniger hart wurde es vom Lockdown getroffen. Das fängt bei digitalen Geschäftsprozessen an, die einen reibungslosen Umstieg aufs Homeoffice ermöglicht haben, und hört bei Online-Plattformen für den Vertrieb und Kundenkontakt noch lange nicht auf. Gerade im Mittelstand gab es in den letzten Jahren wohl auch angesichts voller Auftragsbücher eine verbreitete Zurückhaltung bei der Digitalisierung des eigenen Unternehmens. So hat noch zu Jahresbeginn gut jedes siebte mittelständische Unternehmen in einer Bitkom-Umfrage gesagt, es habe noch nie in digitale Geschäftsmodelle investiert – und nur jedes fünfte wollte 2020 etwas für seine Digitalisierung tun. Das dürfte sich in den letzten Wochen deutlich geändert haben. Gerade jetzt in der Krise braucht jedes mittelständische Unternehmen eine Strategie für den Einsatz digitaler Technologien, für die Digitalisierung seiner Geschäftsprozesse und die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle. Dieser digitale Change-Prozess muss in der Chefetage beginnen. Dort braucht es digitales Know-how – und den Mut zu Veränderung.
Selbst in der tiefsten Provinz finden sich Hidden Champions, davon viele Mittelständler.
Familienunternehmen gelten als Stabilisator der deutschen Wirtschaft. Statt Produktionsstandorte in die Welt zu verlagern, bleiben sie – oft über Generationen – an ihren Stammsitzen. Selbst in der tiefsten Provinz finden sich Hidden Champions, davon viele Mittelständler. Oft als einziger Arbeitgeber übernehmen sie dort Verantwortung. Ihre selbst ausgebildeten Fachkräfte zu halten wird angesichts der Sogwirkung der Großstädte schwieriger. Umso wichtiger ist es für sie, als technologischer Vorreiter, attraktiver Arbeitgeber zu bleiben. Eine Glasfaserverkabelung und ein leistungsfähiges 5-G-Netz bis an jedes Werkstor sind ein Muss. In der Corona-Krise gehen Familienunternehmer ins persönliche Risiko, um ihre Firmen am Leben zu halten. Das war schon in den Finanz- und Wirtschaftskrisen 2000 und 2008/2009 so. Deutschland überstand diese besser als etwa Frankreich, England oder die USA. Während dort ein breiter Mittelstand fehlte, sorgte dieser bei uns für Wohlstand und Stabilität. Damit das wieder so sein kann, kommt es nun auf die Regierung an: Neben dem branchenzentrierten Konjunkturpaket muss sie Deutschland als Standort für Unternehmen wieder wettbewerbsfähig machen, damit diese handlungsfähig bleiben können.
Ein vorausschauendes und professionelles Risikomanagement ist heute und in Zukunft wichtiger denn je.
Die Corona-Pandemie hat der Konjunktur hierzulande einen herben Schlag versetzt. Die wirtschaftliche Situation und die Stimmungslage haben sich in vielen mittelständischen Unternehmen dramatisch verschlechtert. Dies zeigt sich darin, dass die Bonität, wie auch die Liquidität vieler Firmen und ihrer Dienstleister – trotz der Hilfsprogramme der Regierung – vielfach zu wünschen übriglässt. Zudem haben wir festgestellt, dass sich auch das Zahlungsverhalten seit Mitte März dieses Jahren extrem verschlechtert hat: Die Unternehmen lassen ihre Rechnungen länger liegen. Ein vorausschauendes und professionelles Risikomanagement ist heute und in Zukunft wichtiger denn je. Dabei sollten sich Unternehmer nicht nur auf die eigenen Daten und Erfahrungen verlassen, sondern unbedingt auch externe Bonitäts- und Zahlungsdaten mit einbeziehen. Denn durch die Krise kann sich der Zustand der Geschäftspartner rapide verändern. Das gilt auch für die Lieferantenseite. Denn nur das Wissen um die finanzielle Verfassung eines Lieferanten ermöglicht es, im Notfall schnell und überlegt handeln zu können. Gutes Risikomanagement bedeutet, Chancen nutzen zu können und Gefahren so weit wie möglich zu vermeiden.