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30. Jun 2025

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Business

ESG: Weit mehr als ein Compliance-Tool

Journalist: Julia Butz

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Foto: Markus Spiske/unsplash

Die synergetische Wirkung aller drei ESG-Dimensionen schafft einen ganzheitlichen Ansatz zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.

Risiken minimieren, Innovation fördern, Kunden- und Stakeholderbeziehungen stärken: nicht umsonst wird Nachhaltigkeit zunehmend als Treiber für neue Produkte, Geschäftsmodelle und allgemeine Wertsteigerung angesehen. Dabei wird die Integration einer umfassenden ESG-Strategie in die Unternehmensführung mehr und mehr zum Schlüsselfaktor. Die drei Dimensionen Environmental (E), Social (S) und Governance (G) bieten Chancen und Potenziale, die in ihrer Gesamtheit zu einem signifikanten Wettbewerbsvorteil führen können.

Der Bereich „Environmental“ konzentriert sich auf die Umweltauswirkungen eines Unternehmens und dessen Beiträge zum Umweltschutz. Zu den Kernbereichen von „E“ gehören Ressourcenmanagement, also die Optimierung der Nutzung von Rohstoffen und Energie, um Verschwendung zu minimieren und Effizienz zu steigern; die Erfassung, Reduzierung und das Management von CO2 und anderen Treibhausgasen; die Implementierung von Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs und Steigerung der Nutzung erneuerbarer Energien sowie das Abfall- und Umweltmanagement mit der Entwicklung von Strategien zu Abfallreduzierung, Recycling und verantwortungsvoller Entsorgung. Unternehmen, die proaktiv auf ressourcenschonende Prozesse und ökologisch-nachhaltige Technologien setzen, profitieren von Kosteneinsparungen durch reduzierten Energie- und Ressourcenverbrauch. Gleichzeitig können sie durch die Entwicklung umweltfreundlicher Produkte und Dienstleistungen neue Märkte erschließen und sich als Innovationsführer positionieren.

Durch die Analyse großer Datenmengen aus verschiedenen Quellen können Unternehmen potenzielle Risiken frühzeitig erkennen, präzisere Vorhersagen treffen und proaktiv Gegenmaßnahmen einleiten.

Im Kontext des ESG-Konzepts erweist sich der datengetriebene Ansatz als entscheidende Komponente. Künstliche Intelligenz und Big Data bieten neue Möglichkeiten potenzielle Umweltauswirkungen effektiver zu messen, zu steuern und Risiken frühzeitig zu erkennen. Die Integration von Technologien des maschinellen Lernens in operative Systeme ermöglicht es, den Ressourcenverbrauch zu optimieren, die Betriebskosten zu reduzieren und ein nachhaltiges Energiemanagement aufzusetzen. Durch die systematische Erfassung und Echtzeitüberwachung des Energieverbrauchs werden die Fortschritte der eigenen ökologischen Zielsetzungen messbar. Analysetools erleichtern das Monitoring für die Berichterstattung, liefern aber gleichzeitig wertvolle Informationen für die Verbesserung laufender Prozesse. Indem sie Ineffizienzen leichter identifizieren und Optimierungspotenziale aufdecken.

Daten spielen eine entscheidende Rolle beim Risikomanagement von Umweltauswirkungen. Durch die Analyse großer Datenmengen aus verschiedenen Quellen können Unternehmen potenzielle Risiken frühzeitig erkennen, präzisere Vorhersagen treffen und proaktiv Gegenmaßnahmen einleiten – eine effizientere Risikoerkennung und -minderung, im Vergleich zu traditionellen, oft reaktiven Ansätzen. Mit Predictive Maintenance-Techniken werden Maschinenzustandsdaten gewonnen, durch die Anlagen vorausschauend und proaktiv gewartet werden können. Das minimiert Ausfallzeiten, hilft dabei, Anlagen länger und effizienter zu nutzen, Abfälle zu reduzieren und den Energieverbrauch zu optimieren. Die effektive Nutzung von Predictive Analytics setzt allerdings einen gewissen Digitalisierungs- und Automatisierungsgrad in einem Betrieb voraus.

Während der Fokus in der ESG-Strategie anfangs stärker auf ökologischen Aspekten lag, rückt die soziale Dimension zunehmend in den Vordergrund. Unternehmen erkennen, dass ein ganzheitlicher Ansatz nicht nur ethisch geboten ist, sondern ihr positiver Einfluss auf die Talentgewinnung, Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung ein oft unterschätzter Aspekt ist. In einem zunehmend kompetitiven Arbeitsmarkt suchen insbesondere jüngere Generationen nach Arbeitgebenden, die nicht nur finanzielle Anreize bieten, sondern auch Werte vertreten, mit denen sie sich identifizieren können. Unternehmen, die sich aktiv für soziale Belange einsetzen, klare und messbare ESG-Ziele setzen und transparent darüber kommunizieren, werden als attraktivere Arbeitgebende wahrgenommen. Eine konsequente Integration nachhaltiger Maßnahmen in die Employer-Branding-Strategie schafft Vertrauen und stärkt die Unternehmenskultur.

Im Kontext des ESG-Konzepts erweist sich der datengetriebene Ansatz als entscheidende Komponente. Künstliche Intelligenz und Big Data bieten neue Möglichkeiten potenzielle Umweltauswirkungen effektiver zu messen, zu steuern und Risiken frühzeitig zu erkennen.

Eine robuste Governance-Struktur bildet das Fundament einer erfolgreichen ESG-Strategie. Eine Unternehmensführung, deren Handlungen aktiv in in die ökologischen (E) und sozialen (S) Grundsätze einfließen und die den gesamten ESG-Transformationsprozess aktiv gestaltet und steuert. Dies umfasst die Analyse des Status quo, die Identifikation von Potenzialen und Bedarfen sowie die Auswahl und Umsetzung geeigneter Maßnahmen. Eine sorgfältige Bestimmung des ESG-Ambitionsniveaus ist dabei entscheidend. Sie beeinflusst die Entwicklung von Leistungsindikatoren und daraus abgeleitete Priorisierung einzelner Maßnahmen. Ein klar definiertes Ambitionsniveau hilft Unternehmen, sich auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit zu positionieren und legt fest, wie weitreichend und tiefgreifend ESG-Themen in die Geschäftsstrategie integriert werden sollen. Neben einer fundierten Basis für Nachhaltigkeitsbemühungen stellen Unternehmen damit sicher, dass sich die ESG-Strategie mit den Unternehmenszielen und den Erwartungen aller Beteiligten deckt. Auch, wenn die Ausrichtung auf eine nachhaltige Wirtschaftsweise herausfordernd sein mag: Es ermöglicht Unternehmen, langfristige Wertschöpfung zu sichern und sich im Wettbewerb erfolgreich zu behaupten. Mit ESG als Katalysator für Innovation und nachhaltiges Wachstum lässt sich der Wandel gezielt umsetzen und als strategischer Vorteil nutzen.

Faktbox

Mit einem Score von 88,86 lag das französische Tech-Unternehmen Schneider Electric 2024 auf Platz 1 des weltweit nachhaltigsten Unternehmens. Deutschland landete mit Siemens als nachhaltigstes Unternehmen auf dem elften Platz, während das schweizerische Unternehmen SGS es bis auf Platz sechs schaffte.

Quelle: Statista VO 12/24: „Top 20 der nachhaltigsten Unternehmen weltweit 2024“

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.