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30. Jun 2025

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Business

Besseres Kandidatenmatching, schnellere Prozesse und weniger Fehleranfälligkeit durch KI – mit Gero Hesse

Journalist: Katja Deutsch

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Foto: Presse

Geeignete Kandidaten zu finden, bleibt für viele Unternehmen eine Herausforderung. Gero Hesse, CEO von EMBRACE und Macher von „SAATKORN“, erklärt im Interview, wie KI dabei helfen kann, schneller Talente zu finden, klug vorzufiltern und Routineaufgaben im Recruiting zu automatisieren.

Herr Hesse, von Remote Work bis zu AI-gestützten Tools im Recruiting verändern technische Tools die HR sehr rasant. Was sind aus Ihrer Sicht die spannendsten technischen Innovationen im HR-Tech Bereich?

Im Bereich Human Resources kommen zunehmend sogenannte Agentic AI oder KI-Agenten zum Einsatz. Diese übernehmen Aufgaben und Prozesse, die bisher von Menschen erledigt wurden, zum Beispiel erste Informationen über das Unternehmen durch Sprachagenten erhalten, oder eine Krankmeldung bearbeiten. In Deutschland setzen Unternehmen wie Everbay oder Paul’s Job für verschiedene Use-Cases solche Lösungen um. Zweitens sehe ich den Aufstieg von No- und Low-Code-Plattformen. Diese ermöglichen es, auch ohne oder mit nur geringen Programmierkenntnissen eigene Softwareanwendungen anzupassen. So lassen sich mit wenig Aufwand kleine Apps erstellen, mit denen sich Unternehmensprozesse digitalisieren und automatisieren lassen. Ein Beispiel hierfür ist das Unternehmen Escriba.

Der dritte Trend ist die Open-Source-Welle bei LLMs. Das bekannteste Beispiel ist DeepSeek. Der Open-Source-Ansatz erlaubt es Anwendenden, eigene KI-Anwendungen auf privaten Servern zu betreiben, und das macht den Weg frei für lokale KI – datensouverän, offlinefähig und unter eigener Kontrolle, etwa für die automatisierte Erstellung von Stellenanzeigen, das Matching von Bewerbendenprofilen oder den Aufbau intelligenter Jobboards. Dieses Thema ist bislang noch nicht im HR-Mainstream angekommen, wird aber zukünftig eine wichtige Rolle spielen, aufgrund von Regulatorik (EU AI Act) sowie Datenschutz (DSGVO). Alle drei Themen tragen dazu bei, Prozesse in der HR effizienter, individueller und technologisch unabhängiger zu gestalten.

Wie beurteilen Sie den Einsatz von KI im Recruiting? Sehen Sie darin eine Gefahr für Personalabteilungen durch Diskriminierung im Bewerbungsprozess? Oder vorrangig Unterstützung für ständig wiederkehrende Prozesse?

Sowohl als auch! KI kann Prozesse effizienter gestalten, vor allem bei wiederkehrenden Aufgaben. Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels bietet sie großes Potenzial. Gleichzeitig birgt der Einsatz von KI auch Risiken. Entscheidend ist, wie sorgfältig Systeme entwickelt, trainiert und überwacht werden. KI ist letztlich nur so fair und sinnvoll, wie sie trainiert und angewendet wird. Spannende neue Ansätze zeigen jedoch, dass KI auch aktiv gegen Diskriminierung eingesetzt werden kann, wie beispielsweise in anonymisierten Bewerbungsprozessen, bei denen Unternehmen und Bewerbende rein anhand ihrer Skills vernetzt werden. Wenn wir verantwortungsvoll mit der Technologie umgehen, überwiegen die Chancen. Rechtlich gesehen ist der EU AI Act einerseits ein wichtiger Rahmen. Er schützt vor Fehlentwicklungen, darf aber Innovation nicht unnötig ausbremsen. Andererseits besteht die Gefahr, dass wir uns aufgrund der strengen Auflagen in Europa gegenüber den USA oder China in eine schwierige Situation bringen.

KI kann Prozesse effizienter gestalten, vor allem bei wiederkehrenden Aufgaben. Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels bietet sie großes Potenzial.

Viele Unternehmen klagen über hohe Fluktuation und gleichzeitig Fachkräftemangel. Mit welchen Hebeln können Unternehmen bessere Retention betreiben?

Mitarbeitendenbindung hängt weiterhin vor allem von Sinnhaftigkeit, Authentizität, Entwicklungsmöglichkeiten und fairer Bezahlung ab. In der aktuellen Rezession spüren viele Unternehmen wenig Druck, doch das wird sich mit wirtschaftlicher Erholung und dem demografischen Wandel ändern. Ich befürchte einen großen Fachkräftemangel in bestimmten Bereichen bei gleichzeitig stark wachsender Arbeitslosigkeit in anderen Berufen.

Wie können Unternehmen die Gen Z ins Boot holen und vor allem auch drin behalten?

Während 2021 noch ein großer Umbruch spürbar war, führen weltweite Krisen erst mal zu Zurückhaltung. Viele grundsätzlich wechselbereite Berufsanfänger warten in der aktuellen unsicheren Lage erst einmal ab. Langfristig sind die in der letzten Antwort genannten Punkte zentrale Faktoren für Mitarbeitendenbindung. Interessant ist dabei, dass sich auch das Verständnis von Sinn verändert, siehe die Rüstungsindustrie.

Welche drei konkreten Tipps können Sie den Unternehmen geben, um Ihr Recruiting zukunftssicher zu machen?

Drei Punkte sind entscheidend, um die richtigen Talente zu finden: Eine Employer Value Proposition mit einer glasklaren Antwort auf die Frage, warum jemand ausgerechnet für dieses Unternehmen arbeiten sollte. Zweitens schnelle, digitale und transparente Bewerbungsprozesse. Drittens frühzeitiges Investieren in KI-gestützte Tools, etwa zur Erstellung von Stellenanzeigen, für Skill-Matching oder im Sinne von Agentic AI zur komplett maschinellen Abwicklung administrativer Prozess-Schritte.

Worauf dürfen wir uns bei EMBRACE und SAATKORN freuen?

Am 25. und 26. Juni findet in Berlin das EMBRACE Festival unter dem Motto A Brave New World statt. Wir verstehen unser Festival in diesem Jahr als „Mutmach-Event“. Im Herbst folgen die Trendence Awards powered by Embrace und die SAATKORN Online Konferenz.

Während 2021 noch ein großer Umbruch spürbar war, führen weltweite Krisen erst mal zu Zurückhaltung. Viele grundsätzlich wechselbereite Berufsanfänger warten in der aktuellen unsicheren Lage erst einmal ab.

Fun Facts:

Gero Hesse - liebt laute Rockmusik (manchmal zum Leidwesen seiner Familie) - verbringt viel Zeit draußen, gerne auf dem Gravel-Bike - ist ein Familienmensch – kein Wunder, bei einer sechsköpfigen Familie + Kater „Keks“

23. Okt 2025

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Wirtschaft

Auf dem richtigen Weg – Ein Beitrag von Felix Falk, Geschäftsführer des game – Verband der deutschen Games-Branche

Ende August schlug das Herz der gesamten Games-Welt wieder in Deutschland: Die gamescom, das weltweit größte Games-Event, schloss mit beeindruckenden Rekorden. Damit ging von der gamescom 2025 ein besonders positives Signal für die Games-Branche in Deutschland und weltweit aus. Nach zwei herausfordernden Jahren für die Branche inmitten einer globalen Konsolidierungswelle und angespannter Weltwirtschaftslage konnte man regelrecht spüren, wie sich die Stimmung verbessert. Der große Erfolg der gamescom unterstreicht den lang erwarteten Aufwärtstrend. Auch mit Blick auf die deutsche Games-Branche stimmen mehrere Entwicklungen der vergangenen Monate positiv: Nachdem die Games-Unternehmen viele Jahre unterschätzt wurden und durch schlechte Rahmenbedingungen im internationalen Vergleich bis zu 30 Prozent Kostennachteile hatten, ging es seit 2020 in diesen Punkten zwar endlich aufwärts. Die anhaltenden Probleme und Antragsstopps bei der Games-Förderung des Bundes hatten jedoch zuletzt zahlreiche Games-Unternehmen vor große Herausforderungen gestellt und Deutschland im internationalen Vergleich wieder aus dem Rennen um die besten Games-Standorte geworfen. Die Folge war nach vielen Jahren des Wachstums ein Rückgang bei der Anzahl der Games-Unternehmen und -Beschäftigten. Doch mit dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD kam endlich wieder ein wichtiger Impuls. Die schwarz-rote Koalition würdigt darin nicht nur die umfassenden Potenziale und Vorreiterrolle der Games-Branche. Sie schreibt die Notwendigkeit fest, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Games-Standortes zu erhöhen. Keine 100 Tage nach Amtsantritt lässt die neue Bundesregierung, allen voran Games-Ministerin Dorothee Bär, Taten folgen: So sollen die Mittel der Games-Förderung für 2025 auf insgesamt 88 Millionen Euro erhöht werden – ab 2026 jährlich sogar auf 125 Millionen Euro. Diese Erhöhung orientiert sich endlich viel stärker am tatsächlichen Förderbedarf als die bisherige Summe von 50 Millionen Euro, bei der es wiederholt zu mehrmonatigen Antragsstopps gekommen war. Anfang August wurde zudem endlich auch der letzte Förderantragsstopp wieder aufgehoben und damit der Start von mehr neuen Spieleentwicklungen ermöglicht. Der angekündigte Aufbau eines eigenständigen Games-Referats im Forschungsministerium von Dorothee Bär soll zudem wieder die notwendige Handlungsfähigkeit für Games-Projekte innerhalb der Regierung stärken. >Der Games-Markt bleibt wirtschaftlich dynamisch. Investitionen sind daher auch nach einigen holprigen Jahren langfristig attraktiv – zumal weltweit bislang erst etwas mehr als 3 Milliarden Menschen spielen. Auch beim E-Sport wurden wichtige Knoten nach jahrelangem Hin und Her durchschlagen: Ab Anfang 2026 sollen E-Sport-Vereine endlich als gemeinnützig behandelt werden. Vor dem Hintergrund der enormen Popularität von E-Sport und der angekündigten Olympischen E-Sport-Spiele ist diese gesellschaftspolitische Würdigung ein wichtiges Signal für den deutschen E-Sport und die vielen Menschen, die sich bisher schon in diesem Bereich engagiert haben. Der Games-Standort Deutschland ist also wieder auf der richtigen Spur. Die vielen positiven Schritte der vergangenen Wochen und Monate ebnen den Weg bis zur Umsetzung der zusätzlichen steuerlichen Games-Förderung, die den weltweiten Standard darstellt und im internationalen Wettbewerb erfolgsentscheidend ist. Nicht nur wird diese den deutschen Games-Unternehmen mehr Planungssicherheit geben und für sie endlich konkurrenzfähige Rahmenbedingungen wie in erfolgreichen Ländern wie Kanada oder Frankreich schaffen. Wichtig ist die steuerliche Förderung auch für den gesamten Wirtschaftsstandort und sogar den Fiskus. Denn für jeden Förder-Euro entstehen zusätzliche 3,40 Euro an Steuern und Sozialabgaben, 4,80 Euro an zusätzlichen Investitionen sowie 8,70 Euro an Bruttowertschöpfung. Jeder Euro, der in die Games-Förderung fließt, sorgt also für zusätzliche Einnahmen für Deutschland. Jetzt muss es nur noch schnell in die Umsetzung gehen, damit wir dieses enorme Potenzial der Games-Branche auch am Digital- und Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig nutzen können und den positiven Zukunftsaussichten für Games auch hierzulande nachkommen. Die Rekorde der gamescom, die positiven Weichenstellungen in der deutschen Games-Politik und viele optimistische Wachstumsprognosen zeigen: Der Games-Markt bleibt wirtschaftlich dynamisch. Investitionen sind daher auch nach einigen holprigen Jahren langfristig attraktiv – zumal weltweit bislang erst etwas mehr als 3 Milliarden Menschen spielen. Das wirtschaftliche Potenzial der Games-Branche ist daher noch längst nicht ausgeschöpft, wie wir insbesondere in wachstumsstarken Regionen wie Südostasien und Südamerika mit unseren Formaten gamescom asia und gamescom latam selbst Jahr für Jahr sehen.