Diesen Artikel teilen:

4. Jul 2025

|

Business

„Feedback ist ein Geschenk“

Journalist: Julia Butz

|

Foto: ThisIsEngineering/pexels, Presse

Nina Julie Lepique, Founder und CEO von femtasy, scheut sich nicht davor, konventionelle Pfade zu verlassen.

femtasy_lepiquejulie_portrait Online.jpg

Nina Julie Lepique, Founder & CEO von femtasy

Das hat die Gründerin nicht nur durch ihre Unternehmensidee – der weltweit ersten Streaming-Plattform mit erotischen Audioinhalten für Frauen – bewiesen. Radikale Ehrlichkeit und Angstfreiheit im Unternehmen einzuführen, gehören ebenso dazu.

Frau Lepique, was bedeutet zeitgemäßes HR und Leadership?

Aus dem Marketing kennen wir den Blick auf die User, die Zielgruppe, die Community. Ich glaube, dass auch das eigene Team eine Community ist. Und das hat ganz viel Stärke. Denn ein Team, dass sich selbst als Community versteht, ist langfristig loyaler zueinander und damit auch gegenüber Arbeitgebenden. Ein Team, das wirklich den Purpose der Firma versteht, gibt mehr dafür, diesen Purpose auch zu erreichen. Eine Firma, die Werte hat, die das Team selbst aufgesetzt hat, wird sich auch selbst danach verhalten. Somit ist Business nie B2B oder B2C, sondern immer „H2H“: Human2Human. Das bedeutet nicht, dass wir keine Hierarchien hätten. Prozesse und Strukturen haben die Aufgabe, Klarheit und Freiheit an den richtigen Stellen zu schaffen, die aber auch genug Raum für Eigenverantwortung lassen.

Sie legen in all ihren unternehmerischen Aktivitäten besonderen Wert auf Ehrlichkeit. Warum?

Feedback ist super wichtig, sonst habe ich ja gar keine Chance, Blindspots zu erkennen und besser zu werden. Aus anderen Firmen kennt man die sogenannten Exit-Interviews. Da kommen erst mit der Kündigung Dinge zur Sprache, die man als Führungskraft gerne vorher gewusst hätte. Das Problem ist aber, dass vorher niemand fragt. Das machen wir anders, z. B. über unsere „Radical Candor Lunches“, ein Mittagessen, zu dem vorab eine Frageliste versendet wird, mit dem Ziel, in diesem persönlichen Gespräch das Kritischste vom Kritischen zu hören. Durch einige dieser Feedbacks haben wir beispielsweise bestimmte Trainings für unsere Führungskräfte aufgesetzt und neue Mitarbeitende eingestellt, weil es an Kapazität fehlte und dies zu Frust geführt hat. Die Ergebnisse aus den Lunch-Interviews werden mit dem gesamten Team geteilt. Um deutlich zu machen: aus Eurem Feedback wird etwas Gutes und Produktives, dass für Euch alle zu einer Verbesserung führt. Ein „Feedback-Magnet“ zu sein ist eine meiner wichtigsten Aufgaben als Führungskraft und das muss ich auch ausstrahlen. Wenn ich im Meeting etwas vorschlage, sage ich z. B. bewusst: „Please disagree with me“. Es geht zunächst darum, sich zu öffnen und aktiv dafür zu sorgen, überhaupt Feedback zu bekommen. Auch wenn das bedeuten kann, persönliche Kritik zu erhalten. Natürlich ist es nicht leicht, sich dann vor das gesamte Team zu stellen und einen Fehler einzugestehen.

Es geht zunächst darum, sich zu öffnen und aktiv dafür zu sorgen, überhaupt Feedback zu bekommen. Auch wenn das bedeuten kann, persönliche Kritik zu erhalten. Natürlich ist es nicht leicht, sich dann vor das gesamte Team zu stellen und einen Fehler einzugestehen.

Das ist einer der Punkte, wo bei vielen Führungskräften der Hund begraben liegt.

Wahrscheinlich, weil sie der Meinung sind, dass sie alle Antworten haben und absolut fehlerfrei sein müssten. Viele Führungspersönlichkeiten denken, es sei ein Zeichen von Schwäche, Fehler zuzugeben. Dabei ist es doch ein Zeichen von Schnelligkeit und Intelligenz, wenn ich auf neue Informationen agil reagiere. Auch, wenn ich dazu Elemente eines Strategie-Briefings, das ich vielleicht erst vor ein paar Tagen gegeben habe, revidieren muss.

Für viele ist es schwierig, die Unternehmenskultur überhaupt zu greifen.

Kultur, das sind nicht die Prozesse und Strukturen. Kultur ist auch nicht, dass ich einmal ein tolles Teamevent mache. Kultur ist eben das, was wir den ganzen Tag tun. Kultur ist, wie ich morgens in Büro laufe und den Kolleg:innen Hallo sage. Kultur ist Verbindlichkeit. Dass, wenn die Leaderin sagt, dass sie etwas bis heute um 17:00 Uhr liefert, es dann auch macht. Es sind viele Kleinigkeiten, mit denen eine Message verbunden ist.

Wie kann eine starke Kultur im Unternehmen entstehen?

Die erste Challenge ist, dass dein Team mit dir spricht. Und zwar ehrlich. Das kann eine anonyme Umfrage sein, ein Briefkasten, ein 1:1 Coffee Talk oder über einen Mediator laufen. Ich muss von den Mitarbeitenden hören, was sie wirklich beschäftigt und was ihnen wichtig ist. Gerade dann, wenn ich versuche, verkrustete Strukturen aufzubrechen. Wenn man das geschafft hat, ist 80 Prozent schon getan. Man muss auch nicht direkt eine Lösung haben. Es geht darum, zu signalisieren: Ich hab‘s gehört, wir nehmen dein Feedback ernst und kümmern uns drum. Regelmäßigkeit spielt dabei eine große Rolle. Denn auch Mitarbeitende müssen sich daran gewöhnen können, dass sie gefragt – und gehört werden.

QEine Firma, die Werte hat, die das Team selbst aufgesetzt hat, wird sich auch selbst danach verhalten. Somit ist Business nie B2B oder B2C, sondern immer „H2H“: Human2Human.

Factbox

2018 gründete die Hamburgerin Nina Julie Lepique die Streaming-Plattform femtasy. Sinnliche Hörgeschichten, die sich vorrangig an Frauen richten. Heute erwirtschaftet die Plattform einen einstelligen Millionenumsatz pro Jahr über Abonnements. Jeden Monat werden über eine Million Stories abgerufen.

27. Jun 2025

|

Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Span-nungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Be-schaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulie-ren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Her-steller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Statt-dessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbe-stände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen ge-meinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in en-ger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wie-derum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Aus-wahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpas-sungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lie-ferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpas-sungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lie-ferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, so-zial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne ge-zahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entspre-chend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichte-ten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemein-sam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Part-nerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zu-sammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Info-tainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim au-tonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vor-standsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Management-karriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldti-mer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Aus-flüge mit ihrem Hund in die Natur.