Diesen Artikel teilen:

11. Jul 2025

|

Business

Stark bleiben, wenn andere zurückrudern

Journalist: Andreas Schack

|

Foto: ThisIsEngineering RAEng/unsplash

Wie Retention Management in Zeiten des Rückschritts eine Chance sein kann, sich als attraktiver Arbeitgebender zu positionieren.

Während Politik und Gesellschaft über längere Arbeitszeiten, weniger Homeoffice und sinkende Sozialleistungen diskutieren, setzt Retention Management auf Entwicklung, Vertrauen und Bindung. Doch können sich Unternehmen das noch leisten in einer Zeit, in der viele Zeichen auf Rückschritt stehen und der wirtschaftliche Druck groß ist?

Die aktuelle Stimmung am Arbeitsplatz ist ernüchternd. Laut Gallup-Report 2025 blicken weniger als 45 Prozent der Beschäftigten in Deutschland zufrieden und zuversichtlich in die Zukunft. Im europäischen Vergleich belegt Deutschland Platz 21 von 38. Das schwindende Vertrauen in sinnstiftende Arbeit, faire Bedingungen und Entwicklungschancen rückt Retention Management damit in den Fokus unternehmerischer Verantwortung.

Wer Talente halten will, muss mehr bieten als Benefits. Denn Fachkräfte bleiben nicht, weil sie müssen, sondern weil sie wollen.

Loyalität fördern

HR-Experten sind sich einig. Wer Talente halten will, muss mehr bieten als Benefits. Denn Fachkräfte bleiben nicht, weil sie müssen, sondern weil sie wollen. Das setzt jedoch voraus, dass ihre Arbeit geschätzt wird, sie mitgestalten können und Führung auf Augenhöhe erleben. Wie aktuelle Analysen zeigen, reichen monetäre Anreize allein nicht aus. Wichtig ist auch, dass Mitarbeitende sich gesehen und ernst genommen fühlen.

Wie das gelingen kann, zeigen Unternehmen wie Siemens oder Bosch, die schon lange auf eigene Versorgungswerke zur betrieblichen Altersvorsorge setzen. Deren Konten sind im Gegensatz zur Rentenkasse prall gefüllt. Multi-Benefit-Plattformen wie die des Unternehmens become.1 ermöglichen es Mitarbeitenden, aus einem modularen Angebot an Zusatzleistungen individuelle Benefits auszuwählen. Diese reichen von steueroptimierten Mobilitäts- und Essenzuschüssen bis zur Kinderbetreuung. Eine aktuelle Studie von Roland Berger belegt, dass sich die Fluktuation von Mitarbeitenden durch solche Angebote um bis zu 40 Prozent senken lässt.

Ein weiterer Hebel ist gute Führung. Viele Kündigungen lassen sich vermeiden. Studien zeigen, dass diese oft auf fehlende Entwicklungsgespräche, mangelndes Feedback oder zu starre Hierarchien zurückzuführen sind. Wer Retention ernst meint, braucht Führungskräfte, die coachen statt kontrollieren. Die BMW-Initiative #gernperDU zeigt zudem, wie eine offene Kultur auch über Sprache wirken kann.

Besonders junge Mitarbeitende wünschen sich Orientierung und Wachstum. Dass sie öfter wechseln, liegt nicht an fehlender Loyalität, sondern an ihrem Blick auf Möglichkeiten. Auch frühere Generationen waren in der Einstiegsphase mobil. Heute kommt hinzu: Laut HR-Report 2025 steht bei jüngeren Beschäftigten das Gehalt an erster Stelle vor Sinnstiftung oder Work-Life-Balance. Mit zunehmendem Alter gewinnen andere Werte an Gewicht. Wer das ignoriert, verliert Talente.

Haltung zeigen

In einer Zeit der Rückschritte können Unternehmen also bewusst gegenhalten. Wer jetzt in Entwicklung und Vertrauen investiert, positioniert sich nicht nur als verlässlicher Arbeitgebender, sondern setzt auch ein weithin erkennbares Zeichen. Denn wer sich heute klar zur Wertschätzung seiner Mitarbeitenden bekennt, grenzt sich umso deutlicher von einem Umfeld ab, das auf Kürzung und Kontrolle setzt.

Fakten:

Weniger als 45 Prozent der Beschäftigten in deutschen Unternehmen blicken zufrieden und zuversichtlich in die Zukunft. Europaweit liegt Deutschland damit auf Platz 21 von 38 Ländern. Quelle: Gallup-Report, 2025

27. Jun 2025

|

Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.