10. Mär 2021
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Business
Journalist: Armin Fuhrer
Die Digitalisierung bietet große Vorteile für Wirtschaft und Verwaltung, aber die Pandemie hat brutal gezeigt, wie weit wir hinterherhinken.
Bis Ende 2022 sollen in Deutschland knapp 600 Verwaltungsvorgänge mit Behörden online, also bequem vom heimischen Sofa oder vom Schreibtisch aus, getätigt werden können. Das spart Zeit, Geld und Nerven. Kein Wunder, dass die deutsche Politik den Schritt als großen Erfolg feiert. Erfolg? Tatsächlich holt Deutschland damit nur das nach, was in anderen Ländern zum Teil schon seit vielen Jahren möglich ist. Und einen Rückstand gibt es in nahezu allen Bereichen, in denen die Transformationsprozesse hin zur digitalen Zukunft begonnen haben.
Gerade die Pandemie hat die Versäumnisse hierzulande brutal offenbart.
Das Homeschooling entpuppte sich als Desaster und darüber, dass die Gesundheitsämter im Jahr 2021 ihre Daten noch mit Faxgeräten weitergeben, können die Kollegen in anderen Ländern nur mitleidig lächeln. Experten und Vertreter der Wirtschaft schlagen Alarm. „Deutschland befindet sich noch im Dornröschen-schlaf“, klagte kürzlich Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und forderte die Politik zu mehr Tempo bei der Digitalisierung in der Bildung und der Öffentlichen Verwaltung auf. Dazu gehöre auch ein verstärkter Einsatz künstlicher Intelligenz (KI), zum Beispiel für den Klimawandel. In Deutschland aber werde viel mehr darüber diskutiert, KI zu regulieren, statt sie zu implementieren.
Tatsächlich rächen sich jetzt jahrzehntelange Versäumnisse. Das gilt einerseits für die technische Ausstattung deutscher Amtsstuben, aber auch für die dort immer noch vorherrschende Arbeitskultur. Als wegen des Lockdowns die Politik die Unternehmen aufforderte, die Mitarbeiter ins Homeoffice zu schicken, rumpelte es zwar vielerorts, aber viele Unternehmen schafften den Wandel doch überraschend schnell. Nur ein Bereich fiel deutlich zurück: Die öffentliche Verwaltung.
Allerdings hat nicht nur der Staat Nachholbedarf, sondern auch die Wirtschaft hat noch viel zu tun. Das gilt vor allem für die kleineren und mittleren Unternehmen. Noch immer herrsche zu wenig Wissen und zu viele Vorbehalte gegen die Digitalisierung und den Einsatz künstlicher Intelligenz, stellte Michael Heizmann, Vorsitzender des Fachbereichs „Optische Technologien“ des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) in einem Interview fest. KI sei ein Werk-zeug wie jedes andere, das kleine und mittlere Unternehmen genauso nutzen können wie die Online-Giganten. KI und maschinelles Lernen müsse „Chefsache“ werden, so Heizmann und ergänzt: „Es darf nicht sein, dass man als Unternehmen sagt, das machen wir mal in zehn Jahren.“
Immerhin hat die Pandemie offenbar ein Aufwachen bewirkt. Glaubten Ende 2019 39 Prozent der KMU, sie seien Vorreiter in der Digitalisierung, so waren es ein Jahr später nur noch 27 Prozent. Der Mittelstand in Deutschland leidet
in besondere Weise an der fehlenden Fachkenntnis. Hierzulande gibt es 86.000 offene Stellen für die IT-Berufe. Da ist auch die Wirtschaft selbst gefragt, Abhilfe zu schaffen.