1. Sep 2021
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Business
Journalist: Chan Sidki-Lundius
Prof. Dr.-Ing. Kai Lucks, Vorstands-vorsitzender des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions, über Unternehmensfusionen, den digitalen Fortschritt und die Basics der Nachfolgeplanung.
Einerseits erleben wir einen Boom an Unternehmensfusionen. Auf der anderen Seite haben sich Randbedingungen erheblich erschwert und die Erwartungen an erfolgreiche M&A-Umsetzung erhöht. Zu den wichtigsten Veränderungen gehören regulative Verschärfungen auf nationaler und supranationaler Ebene, die starke Beschleunigung der Technologieänderungen und Innovationsraten, eine nie da gewesene geldpolitische Expansion mit erheblichen Auswirkungen auf den Fremd- und Eigenkapitalbereich und die zunehmende Bedeutung von ESG-Kriterien.
Bereits während der Lockdowns haben vorausschauende Unternehmer:innen ihre Karten neu gelegt, etwa durch die Infragestellung von Geschäftsmodellen und die Ausschau auf mögliche Partnerschaften und Zusammenschlüsse. Wer das getan hat, ist jetzt im hochlaufenden M&A-Boom gut gerüstet. Die Schwer-punkte vorbereitender Tätigkeiten: Kandidatenscreening, Kontaktaufnahme mit potenziellen Partnern und Wiederaufnahme von Projekten, die unter Corona-Restriktionen unterbrochen werden mussten. Entscheidend für die Umsetzung ist die Neu-Ausrichtung auf Web-basierte Methoden und Kontakte übers Netz. Denn es hat sich herausgestellt, dass viele M&A-Aktivitäten auch über Web-Konferenzen gelöst werden können. Aber natürlich kann man nicht alles aus der Ferne machen: Spätestens zur Prüfung und Umsetzung sind lokale Präsenz und Hands-on-Tätigkeiten angesagt.
Die Digitalisierung und eine Welle technischer Innovationen haben die Unternehmen und auch die M&A-Welt erfasst. Die steigenden Anforderungen an M&A können nur durch den Einsatz digital-hinterlegter Prozesse und digitaler Instrumente bewältigt werden. Bisherige digitale Insellösungen wachsen zu prozessübergreifenden Ansätzen zusammen. Zunehmend werden digital-hinterlegte Datenräume bereits im Vorfeld für das Kandidatenscreening angelegt und auch bei der Maßnahmen-Implementierung nach dem Closing. Auch Machine Learning findet sich an vielen Stellen wieder.
In der Breite der größeren Mittelständler ist zu beobachten, dass die familieninterne Nachfolge zurückgeht und zunehmend professionelle Manager das Heft in die Hand bekommen. Professionalität ist auch für den Mittelstand das Gebot der Stunde, denn die wachsende Dynamik bei grundlegenden Veränderungen der Märkte, beim technologischen Wandel und der zunehmenden Breite der Verantwortung – etwa bei der Handhabung von Risiken – gebietet breite Kenntnisse und Berufserfahrungen. Somit macht es zunehmend Sinn, dass sich das Management-Team aus einer Kombination von Hausgewächsen mit kultureller Verankerung im Unternehmen und in der Branche sowie aus Managementprofis zusammensetzt, die Mittelständler auch aus Konzernen heranholen können. Daneben ist zu begrüßen, dass der Anteil jener Mittelständler wächst, die eigene Strategen und M&A-Spezialist:innen einsetzen. Das Zeitalter, dass der Grün-der-Unternehmer automatisch und über Technologiegenerationen hinweg selbst sein bester Stratege und M&A-Head ist, ist vorbei. Wenn nicht inhouse, so sollte sich ein größeres mittelständisches Unternehmen diese Kompetenzen durch externe Profis einkaufen. Die Auslagerung an den Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer ist jedoch der falsche Weg. Die können das meistens nicht.