1. Sep 2021
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Business
Journalist: Armin Fuhrer
Die Verknüpfung von Daten ist der Schlüssel für den wirtschaftlichen Erfolg der Zukunft, sagt Ilse Henne, CTO des thyssenkrupp Segments Materials Services.
Man spricht ja häufig von einer Revolution durch die Digitalisierung, und tatsächlich ist sie Auslöser und Treiber sehr vieler Veränderungen. Es geht letztlich um neue Möglichkeiten, mehr Daten zu speichern, sie schneller auszutauschen und produktiver zu nutzen. Die Geschwindigkeit des Datenaustauschs und die Kapazitäten, Daten zu speichern, haben dermaßen zugenommen, dass wir heute in einem Maße Komplexitäten angehen können, wie das früher nicht möglich war. Diese Veränderung kann man durchaus vergleichen mit dem Übergang von der Dampfmaschine zur Elektrizität. Allerdings müssen diese neuen Möglichkeiten in Produktivität umgesetzt werden – und das ist die große Herausforderung für die Unternehmen.
Bestens! Die deutsche Automobilindustrie glaubt an den Vorteil der Zusammenarbeit, um Daten gemeinsam – also in der gesamten Wertschöpfungskette – auszutauschen. Denn die Nutzung von Daten im weitestmöglichen Sinne ist das absolut Entscheidende für den wirtschaftlichen Erfolg der Zukunft. Das können einzelne Unternehmen aber nicht alleine schaffen, dafür müssen sie sich vernetzen und ihre Daten austauschen. Auf diesem Gebiet ist die deutsche Automobilindustrie ein Frontrunner. Anders sieht es auf dem Gebiet der Plattform-Ökonomie aus: Sie ist eindeutig amerikanisch und auch chinesisch dominiert. Die Frage ist daher: Wem gelingt es als erstes, eine industrielle Plattform zu bauen?
Wir merken bei unseren mittelständischen Kunden häufig, dass sich hier noch Probleme auftun. Es gibt mittelständische Zulieferer, die weiter sind als die großen Autohersteller und andere, die noch etwas hinterherhinken. Vergessen wir nicht: Die Transformation betrifft die Kernkompetenz von Unternehmen. Als größter Werkstoffhändler der westlichen Hemisphäre können wir die Unternehmen auf diesem Weg unterstützen. Denn es ist unser Ziel, ein Netzwerk zu bilden und zu gestalten, in dem Daten getauscht werden.
Daten sind heute das A und O. Aber Unternehmen sollten sich davor hüten, alle Daten zu sammeln, die sie bekommen können. Wenn sie zu viele Daten haben, sind sie schnell verloren. Die Kunst ist, die Daten zu erzeugen, die früher nicht zur Verfügung standen und die für eine produktive Wertschöpfung benötigt werden. Umgekehrt heißt das auch, dass Unternehmen zwar ihren Partnern Daten zur Verfügung stellen sollten, aber nur diejenigen, die für die Wertschöpfung notwendig sind. Ich halte es übrigens für sinnvoller, nicht auf die Daten aus der Vergangenheit zu schauen, wie das noch immer sehr viele Unternehmen machen, sondern auf die Daten der Gegenwart in all ihrer Komplexität und sie mit Künstlicher Intelligenz so zu verknüpfen, wie Menschen das nicht können. Daraus entsteht ein System, mit dessen Hilfe man belastbare Vorhersagen für die Zukunft machen kann. thyssenkrupp Materials Services startet diese Strategie gerade in Zusammenarbeit mit einem großen deutschen Autohersteller.
Wir haben mehr als 400 Standorte weltweit und sind damit tatsächlich sehr dezentral aufgestellt. Unser Motto lautet: So dezentral wie möglich, so zentral wie notwendig, denn wir agieren vorrangig in lokalen Märkten. Während der Pandemie hat sich gezeigt, dass unsere dezentrale Gliederung ein Vorteil ist, denn wir konnten dadurch unsere Kunden auch dann mit Material beliefern, als die Grenzen geschlossen waren. Wir waren immer nah am Kunden und konnten dadurch die Produktivität immer gewährleisten.
Wichtig für die Steigerung der Resilienz von Lieferketten ist eine erhöhte Datentransparenz. Ich glaube nicht, dass es an der Kapazität fehlt, im Gegenteil. Das Problem ist, dass es entlang der Ketten von Anfang bis Ende einfach zu wenig Transparenz gibt, dass also nicht ausreichend bekannt ist, was produziert und was benötigt wird und was dazwischen passiert.
Zumindest ist die Digitalisierung ein sehr wichtiger Hebel, um mehr Nachhaltigkeit zu erreichen. Gerade für uns und unsere Kunden ist das Thema grüne Lieferketten sehr wichtig. Die Logistik bietet hier noch ein riesiges, bisher nicht ausgeschöpftes Potenzial. Zum Beispiel können mit dem Einsatz digitaler Lösungen Leerfahrten viel besser vermieden und verschiedene Transportmittel optimaler koordiniert werden.