22. Dez 2021
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Business
Journalist: Christian Reinicke, Präsident des ADAC e.V.
Die von der EU für das Jahr 2050 und im deutschen Klimaschutzgesetz bereits für 2045 vorgesehene Klimaneutralität erfordert im Verkehrssektor sehr große Veränderungen. Antriebswende, Digitalisierung und Vernetzung, Kapazitätsaufbau im öffentlichen Verkehr und die Bereitschaft der Verbraucher, sich auf alternative Antriebe, mehr Bahn, Bus und Rad einzulassen, sind die Herausforderungen rund um Mobilität unserer Zeit. Wenn es gelingt, die Verbraucher zu überzeugen, wird der Weg zu klima-neutralem Verkehr erfolgreich sein. Und das muss er sein!
Das emissionsarme Fahrzeug, natürlich das Auto, aber auch Bus, Bahn und Lkw sind tragende Säulen der Mobilität der Zukunft. Gerade beim Pkw gilt es, nicht weniger als eine komplette Antriebswende zu vollziehen, mit neuen Technologien, einer veränderten Infrastruktur und der dazugehörigen Nutzerakzeptanz. Der Hoffnungsträger Elektromobilität nimmt seit letztem Jahr endlich spürbar Fahrt auf. Im Laufe dieses Jahres wurde die Eine-Million-Marke bei der Zulassung von Elektrofahrzeugen in Deutschland geknackt – bis 2030 sollen es nach der politischen Erwartung inzwischen sogar bis zu 14 Millionen Fahrzeuge sein. Eine wachsende Modellpalette und ein ganzes Paket von Marktanreizen wie Kaufprämien oder Steuervergünstigungen haben viele Menschen überzeugt, auf Elektromobilität umzusteigen.
Damit diese Entwicklung sich fortsetzt, und der Elektromobilitätsmarkt absehbar auch ohne Förderung funktioniert, ist der Aufbau neuer sowie der Ausbau bestehender Ladeinfrastruktur entscheidend. Nur wenn sich die Fahrer von Elektrofahrzeugen sicher sein können, dass ihr Fahrzeug überall und jederzeit nachgeladen werden kann, wird sich das E-Auto als echter, gleichwertiger Ersatz für die bisherigen Technologien durchsetzen. Dazu gehört natürlich auch, dass die Ladeinfrastruktur genau so einfach nutzbar ist wie die bisherige Tankinfrastruktur. Der ADAC hat sich in den vergangenen Monaten erfolgreich dafür eingesetzt, dass Verbraucher die öffentlichen Ladesäulen künftig auch mit EC-Karten nutzen können. Damit ist Laden genauso einfach und komfortabel wie der Einkauf im Supermarkt.
Auf europäischer Ebene liegt mit der „Verordnung zum Aufbau einer Infrastruktur für alternative Kraftstoffe“ zudem ein Gesetzesentwurf auf dem Tisch, der unter anderem auch die räumliche Abdeckung und Leistungsfähigkeit von Infrastruktur vorgibt. Der Entwurf beschränkt sich dabei nicht nur auf E-Ladesäulen, sondern schließt auch Wasserstofftankstellen ein. So wird sichergestellt, dass die Nutzung alternativer Antriebe nicht nur in Ballungsräumen, sondern auch im ländlichen Raum ohne großen Aufwand möglich ist.
Bis jedoch jeder Autofahrer ein Elektroauto besitzt und die Technik auch das komplette Spektrum von Einsatzzwecken abdeckt, ist es noch ein langer Weg. Selbst bei der optimistischen Prognose von 14 Mio. E-Autos im Jahr 2030 verbleiben dann noch mehr als 30 Mio. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auf deutschen Straßen. Um auch den Bestandsfahrzeugen eine Möglichkeit des Weiterbetriebs zu ermöglichen und diese an den Klimaschutzbemühungen des Verkehrssektor teilhaben zu lassen, sind klimaneutrale, synthetische Kraftstoffe und fortschrittliche Biokraftstoffe notwendig. Deren Entwicklung steckt derzeit noch in den Kinderschuhen.
Egal welche Antriebe zum Einsatz kommen, eines ist klar: Ohne eine vollständige Energiewende zu erneuerbaren Energien wird klimaneutrale Mobilität weder elektrisch noch mit synthetischen Kraftstoffen oder Wasserstoff möglich sein. Die Politik muss heute aktiv werden, um die Klimaschutzziele von morgen im Verkehrssektor umzusetzen.
Christian Reinicke, Präsident des ADAC e.V.