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1. Sep 2022

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Business

Emissionsfrei unterwegs

Journalist: Kirsten Schwieger

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Foto: Presse

Interview mit Philipp Glonner, CEO & Co-Founder von ARTHUR BUS über Wasserstoff antrieb als Beitrag zur Energiewende.

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Philipp Glonner, CEO & Co-Founder von ARTHUR BUS & Gerhard Mey, Co-Founder von ARTHUR BUS 

Mit fast 30 Prozent ist der Mobilitätssektor einer der Hauptverursacher von CO2-Emissionen in Europa. Ziel der EU-Kommission ist, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Das erfordert eine grundlegende Neuausrichtung der Mobilität. So beinhaltet der Green Deal unter anderem, dass ab 2035 in der EU nur noch emissionsfreie Neuwagen verkauft werden dürfen. Die Erforschung klimaneutraler Antriebstechnologien läuft auf Hochtouren. Laut einer Studie des Verbands der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik e.V. (VDE) lässt sich „Zero Emission“ nur mit einem „intelligenten, technologieoffenen Mix aus allen verfügbaren klimaneutralen Antriebstechnologien“ erreichen. Für die Befragten aus Politik und Wirtschaft wird sich das Antriebsportfolio ab 2030 so zusammensetzen, dass PKW dann hauptsächlich batterieelektrisch unterwegs sein werden, während es im gewerblichen Güter- und Schwerlastverkehr einen Mix zwischen Batterie- und Brennstoffzellen-Antrieb geben wird.

Herr Glonner, Ihr Unternehmen hat gerade den wasserstoffbetriebenen ARTHUR BUS auf den Markt gebracht – warum?

ARTHUR ist ein neu gegründetes Mobilitätsunternehmen und Systemhersteller aus München. Unsere Vision ist, die Energiewende im Bereich der emissionsfreien Mobilität zu beschleunigen. Für uns ist Mobilität ein Grundbedürfnis. Wir möchten deshalb möglichst viele Menschen emissionsfrei von A nach B bringen und dies soll flexibel und agil umgesetzt werden. ARTHURs erstes Produkt ist daher ein Wasserstoffbus für den ÖPNV, weil wir hier direkt einen großen Beitrag zur Mobilitätswende leisten können. Der ARTHUR BUS sticht hervor durch seinen effizienten Verbrauch von deutlich weniger als sechs Kilogramm Wasserstoff (H2) pro 100 Kilometern, sowie durch seine optimierte Reichweite von mehr als 600 Kilometern, die im Kundentest bereits verifiziert wurde. Er ist aktuell der fortschrittlichste Wasserstoffbus weltweit.

Warum haben Sie sich für einen Wasserstoffantrieb entschieden?

Für uns bei ARTHUR stellt sich nicht die Frage, ob der Wasserstoffantrieb besser oder gerechtfertigter ist als der rein batterieelektrische Antrieb. Für uns stellt sich vielmehr die Frage, wie wir beide An-triebsarten schneller auf die Straße bringen können: Sowohl rein batterieelektrische als auch Antriebe mit synthetischen Kraftstoffen. Der richtige Anwendungsfall macht am Ende den Unterschied. Wir sind der Meinung, dass rein batterieelektrische Fahrzeuge nicht die perfekte Lösung für jeden Mobilitätsfall sind, insbesondere im Nutzfahrzeugbereich. Wasserstoff als elektrifizierter Antrieb empfiehlt sich vor allem für Nutzfahrzeuge – also LKW und Busse. Darüber hinaus gibt es Anwendungen, bei denen die Fahrzeuge grundsätzlich 24 Stunden am Tag verfügbar sein müssen. Kein Fahrzeug, das nur mit Batterien betrieben wird, kann diese Anforderungen erfüllen. Außerdem haben H2-Fahrzeuge bessere Reichweiten.

Ist der ARTHUR BUS eine komplette Eigenentwicklung?

Ja, die Zulassung als OEM (Original Equipment Manufacturer) haben wir für das Gesamtfahrzeug samt Rahmen eigenständig neu entwickelt und umgesetzt. Beginnend mit dem sogenannten Powerflow, also der Antriebssimulation, die mehrere Wochen andauerte. Diese Simulation war die Grundlage zur Auswahl der am besten geeigneten Wasserstoffkomponenten und Antriebstechnologie, die uns im industriellen Maßstab zur Verfügung stehen. Auf dieser Basis wurde der H2-Bus mit dem Namen ARTHUR ZERO von den Ingenieur:innen des ARTHUR BUS Teams ganzheitlich samt Fahrgestell und Design entwickelt. Er ist europaweit als öffentliches Verkehrsmittel zugelassen, wurde also in allen Zulassungspunkten für die Erteilung zum sogenannten „EU-Vehicle Type Approvals Certificate“ von den zuständigen Instituten positiv getestet.

Haben Sie weitere Projekte in Planung?

Ja, wir entwickeln Lösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette für emissionsfreie Mobilität. Dabei beginnen wir bei der Erzeugung von erneuerbarer Energie bis hin zur Bereitstellung von emissionsfreier Mobilität und der erforderlichen Infrastruktur. Dieser Weg führt uns automatisch langfristig auch an die Börse. Wir möchten Menschen und Organisationen helfen, ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern, ohne auf Komfort, Nutzen und Leistungsstärke verzichten zu müssen.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.