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15. Jul 2024

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Wirtschaft

EuroMinds 2024: Der Wirtschaftsgipfel im Zeichen Europas, Energiewende und Bildung

Journalist: Jakob Bratsch

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Foto: Senatskanzlei Hamburg, Presse

Mehr als 180 Expertinnen und Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien kamen am 11. und 12. Juli 2024 in Hamburg zusammen, um beim EuroMinds Wirtschaftsgipfel die drängendsten Fragen unserer Zeit zu diskutieren. Schirmherr des Gipfels war Dr. Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg.

Dr. Peter Tschentscher_Credit Senatskanzlei Hamburg_online.jpg Dr. Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg & Schirmherr des EuroMinds Wirtschaftsgipfels 2024

Als Partnerland fungierte in diesem Jahr Estland. Andres Sutt, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses und der Deutsch-Estnischen Parlamentariergruppe, eröffnete den 5. Wirtschaftsgipfel mit einer inspirierenden Rede. Estland gilt als eines der digital fortschrittlichsten Länder der Welt: Es verfügt über ein hoch entwickeltes E-Government-System, eine moderne digitale Infrastruktur und ein starkes Ökosystem für Start-ups. Diese digitalen Kompetenzen und der Wille zur Innovation machen Estland zu einem wertvollen Partner des EuroMinds Wirtschaftsgipfels 2024, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern und voneinander zu lernen.

Der seit 2020 jährlich stattfindende Gipfel bietet eine Plattform für den Austausch von Ideen und Lösungen zu den aktuellen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen. In diesem Jahr standen die gemeinsamen Werte Europas, die Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft sowie die Energiewende im Zuge aktueller Klimaziele im Mittelpunkt.

Aydan Özoğuz, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, erinnerte daran, dass „fast 80 Jahre Frieden, Freiheit und Sicherheit keine Selbstverständlichkeit sind“. Diese Errungenschaften seien das Ergebnis guter Zusammenarbeit in Europa und des Bekenntnisses zu gemeinsamen Werten. Boxlegende und Unternehmer Henry Maske betonte die Wichtigkeit, eine Grundsatzdebatte über essenzielle Werte für unser Zusammenleben zu führen.

Sören Bauer_online.jpg Sören Bauer, Geschäftsführer von Sören Bauer Events GmbH & Veranstalter des EuroMinds Wirtschaftsgipfels 2024

Ein weiteres zentrales Thema des Gipfels war die Frage, wie Deutschland und Europa im globalen Wettbewerb bestehen können. Prof. Dr. Gesine Schwan, Mitbegründerin und Präsidentin der Berlin Governance Platform, wies darauf hin, dass „wir nur friedlich zusammenleben und gemeinsam handeln können, wenn wir uns immer wieder auf einen Grundkonsens über unsere gemeinsamen Werte einigen“. Die Soziale Marktwirtschaft könne dabei ein Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit sein, sofern sie sich den aktuellen Herausforderungen anpasst. „Die Soziale Marktwirtschaft vereint seit Jahrzehnten Wohlstand und soziale Gerechtigkeit. Ein Update unseres Wirtschaftsmodells ist jedoch nötig. Ein starker Mittelstand ist in Deutschland unerlässlich, da er überaus flexibel auf Veränderungen reagiert und durch Innovationskraft langfristig Arbeitsplätze schafft. Diese Stärken müssen wir mehr denn je erhalten.“ so Marc S. Tenbieg, Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Mittelstands-Bunds (DMB) e. V.

Auch ob die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in Gefahr ist, sowie aktuelle Klimaziele in Zeiten steigender Inflation realistisch umgesetzt werden können, wurde intensiv diskutiert.

Joschka Knuth, Staatssekretär im Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein, unterstrich die Bedeutung der Energiewende für eine sichere und umweltfreundliche Zukunft. Er betonte: „Stromtrassen müssen ausgebaut, Strompreise stabilisiert und neue Technologien etabliert werden.“ Dr. Jörg Teupen, Vorsitzender der BDEW-Landesgruppe Norddeutschland, mahnte an, dass „die Energiepreise im Rahmen der Energiewende bezahlbar bleiben müssen“, um die Wettbewerbsfähigkeit nicht zu gefährden.

Prof. Dr. Estelle L. A. Herlyn von der FOM Hochschule für Oekonomie betonte, dass Klimaschutz nur durch internationale Kooperation und konsensfähige Ansätze erfolgreich sein kann. Sie kritisierte das aktuelle Vorgehen in Deutschland, das mehr Kollateralschäden verursacht als Lösungen bietet. Der Konsens unter den Experten war klar: Klimawandel und Wirtschaftsturbulenzen müssen gemeinsam gedacht werden, um den Kurs auf Nachhaltigkeit zu halten.

Der EuroMinds Wirtschaftsgipfel 2024 hat eindrucksvoll gezeigt, dass es keine einfachen Lösungen für die komplexen Herausforderungen unserer Zeit gibt. An den beiden Tagen konnten die Teilnehmer aus über 30 Talkrunden und mehr als 40 Keynotes, Impulsvorträgen sowie Workshops auf drei Bühnen auswählen und sich rege am Austausch beteiligen. Durch diesen offenen Dialog und die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg können wir gemeinsam Wege finden, um eine nachhaltige und zukunftsfähige Gesellschaft zu gestalten. Der nächste Gipfel im Jahr 2025 wird zweifellos diese wichtigen Themen weiter vertiefen.

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.