7. Dez 2020
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Business
Journalist: Kirsten Schwieger
Die erfolgreiche Unternehmerin Lea-Sophie Cramer über weibliche Vorbilder, unbewusste Vorurteile, Venture Capital und Vereinbarkeit von Job und Familie.
Nur 15 Prozent weibliche Gründerinnen in Deutschland sind viel zu wenig – vor allem, weil weibliche Gründer ein Business Case sind. Für jeden Euro, den man in ihr Start-up steckt, holen sie doppelt so viel „Return“ raus, wie ihre männlichen Kollegen. Fehlende Vorbilder und Netzwerke zu anderen Gründern und Investoren sind ein wichtiger Grund, warum so wenig Frauen gründen. Hinzu kommt mangelndes Kapital: Weniger als ein Prozent des gesamten Venture Capital in Europa ging 2019 an Frauenteams.
Die Investoren sind ein großer Hebel. Es braucht mehr Investorinnen und eine Sensibilisierung in der Branche für unbewusste Voreingenommenheit. Gründerinnen werden beispielsweise andere Fragen gestellt als Gründer. Sie werden gefragt, wie sie das Scheitern verhindern wollen – Männer, wie ihr Start-up wachsen soll. Vorbilder sichtbar machen hilft, und außerdem müssen wir die Vereinbarkeit für Mompreneurs und Dadpreneurs verbessern – noch immer fehlen hunderttausende Kitaplätze.
MINT-Fächer gelten immer als das Sprungbrett zur Gründung. Klar, bei tech- und industrie-fokussierten Start-ups ist das auch logisch. Aber wenn wir ehrlich sind, haben wir in Deutschland momentan auch viele Konsumgüter-Start-ups, und um deren Business-Modell zu verstehen, muss man keine Ingenieurin sein. Ich fände es großartig, wenn mehr Frauen MINT-Fächer studieren würden und wir in Deutschland mehr echte Tech-Start-ups hätten. Aber die fehlenden Frauen in den MINT-Studiengängen alleine lösen unser Gründerinnen-Problem nicht. Man kann mit verschiedenen Ausbildungshintergründen ein erfolgreiches Start-up bauen. Das beste Beispiel ist Delia Lachance, die den Online-Möbelhändler Westwing aufgebaut hat, und Mode studiert hat.
Die Corona-Krise hat Start-ups, die gerade vor einer Finanzierungsrunde standen, schwer getroffen. Die Politik hat zu lange gezögert, bis sie Hilfsmaßnahmen für Start-ups geschaffen hat und diese auch abrufbar waren. Wir Frauen, ob Gründerin oder nicht, hatten mit Kindern oft die Doppelbelastung Zuhause zu stemmen. Ich finde aber auch: Krisen können zu Disruption und neuen Geschäftsmodellen führen und die Agilität der Start-up-Szene macht es uns eher leichter, auf Krisen zu reagieren.
Ich setze nicht auf Frauen, sondern auf diverse Teams – und das auch nicht aus Altruismus, sondern aus unternehmerischer Ratio. Diverse Teams sind schlicht erfolgreicher, denn sie machen knapp 20 Prozent mehr Umsatz. Bei AMORELIE hatten wir z. B. 70 Prozent Frauen in Führungspositionen – nicht, weil wir uns das als Quote vorgenommen haben, sondern weil das die besten Kandidatinnen waren, die sich bei uns beworben haben.