16. Mär 2022
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Business
Journalist: Dejan Kosmatin
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Foto: Presse/unsplash
Sich als Unternehmen zu öffnen und mit anderen zu kooperieren, erfordert Mut – ist aber der wichtigste erste Schritt Richtung Zukunft. Wir sprechen mit Tobias Rappers, Managing Director vom Maschinenraum, über die neuen Herausforderungen des deutschen Mittelstandes.
Deutschland war immer das Land der Weltmarktführer und insbesondere Familienunternehmen spielten hier eine bedeutende Rolle – aktuell wird die deutsche Wirtschaft jedoch vor unzählige Hürden gestellt. Vor welchen Herausforderungen stehen insbesondere mittelständische Unternehmen?
Deutsche Mittelstandsunternehmen sind immer noch in vielen Bereichen absolute Weltmarktführer. Hier ruht nach wie vor unser Wohlstand und wir haben ihnen viel zu verdanken. Fest steht aber, dass sie sich ändern müssen, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein. Denn die Digitalisierung hat die Karten völlig neu gemischt. Die Geschäftslandschaft, die viele wie ihre eigene Westentasche zu kennen schienen, hat sich innerhalb weniger Jahre grundlegend verändert. Dazu gehört auch, dass immer neue und innovative digitale Geschäftsmodelle aus dem Boden sprießen, neue Wettbewerber hinzukommen und auch Industriegrenzen zusehends verschwimmen.
Viele etablierte Unternehmen fühlen sich durch diese Entwicklungen in ihrer Existenz bedroht. Kein Wunder, schließlich gesellen sich noch weitere Baustellen hinzu – neben der fortschreitenden Digitalisierung auch die Modernisierung der Organisationen, der Fachkräftemangel, die vielfältigen Folgen der Corona-Pandemie sowie Forderungen im Kontext des Klimawandels. Kurzum: Veränderung passiert gerade an jeder Front und Organisationen müssen Prozesse und Methoden umstellen, neue Jobprofile rekrutieren, Innovationen neu denken.
Es bedarf also einer umfassenden Transformation. Wie kann diese bestmöglich gelingen und wo setzt man als Unternehmer bei all den Themen zuerst an?
Für viele Unternehmen ist die grundlegende Erkenntnis, dass man sich wandeln muss, der erste notwendige Schritt. Die nächste Erkenntnis ist, dass man nicht erwarten kann, für alle Herausforderungen selbst die Lösungen zu finden – wer das versucht, verliert wertvolle Zeit. Das ist auch gar nicht notwendig, denn bestimmte Herausforderungen der Digitalisierung treten in jedem Mittelstands- und Familienunternehmen auf, unabhängig von Branche und Firmengröße. Sieht man sich beispielsweise die funktionellen Bereiche an – etwa die Personal-, Strategie- oder Innovationsabteilung –, dann sind die Zukunftsthemen, an denen dort gearbeitet wird, bei allen zu 60 bis 80 Prozent identisch. Aufgrund dieser Deckungsgleichheit kann man sich gegenseitig hervorragend helfen – da es immer ein Unternehmen gibt, das in einem bestimmten Bereich weiter ist als andere.
Die digitale Transformation gelingt also besser durch Kooperationen und den Austausch von Best Practice-Lösungen. Bedeutet das auch einen Wissenstransfer unter Konkurrenten?
Zahlreiche Unternehmen befinden sich erst am Startpunkt eines umfangreichen Transformationsprozesses und des damit einhergehenden Kulturwandels. Wer sich also im Zuge des Wandels dazu entscheidet, z. B. ein Corporate Innovation Lab ins Leben zu rufen, wird schnell merken, dass solche Maßnahmen nur von Erfolg geprägt sind, wenn sie die ganzheitliche Modernisierung der Organisation bedeuten – von einzelnen Fachbereichen bis hin zur Unternehmenskultur. Genau diese Veränderungen lassen sich durch Kooperation mit anderen besonders gut meistern und insbesondere familiengeführte Unternehmen haben hier einen Vorteil, da sie über ein ähnliches Mindset verfügen: Sie denken vor allem langfristig – also nicht in Quartalszahlen, sondern in Generationen. Dass Familienunternehmen kooperieren, Wissen und Erfahrungen teilen, war lange Zeit unvorstellbar – schließlich hatte man sich über Generationen mühsam etwas aufgebaut. Diese Geheimniskrämerei verschwindet zusehends, da in unserer immer komplexer werdenden Welt, dies das schnelle Ende der eigenen Erfolgsgeschichte bedeuten kann.
Der Schlüssel zum Erfolg lautet heute: Kooperation. Statt sich zu isolieren, sollten sich Unternehmen, wenn sie weiterhin erfolgreich sein wollen, öffnen und das kann auch bedeuten, sich mit dem Wettbewerb zu einigen Themen auszutauschen. Auch kann es Kooperationen mit neuartigen Partnern wie Start-ups geben; für die Exploration von innovativen Geschäftsmodellen; für neue Ansätze von Leadership und Kommunikation; für das Recruiting von digitalen Talenten.
Wie steht es um das Risiko, angesichts der teilweise immensen Abhängigkeit von bestehenden erfolgreichen Geschäftsmodellen?
Was bei all diesen Veränderungen tunlichst vermieden werden sollte, ist das Alte über den Haufen zu werfen! Zukunft braucht gleichzeitig auch Herkunft. Denn die Historie und die Erfahrungen aus Generationen Unternehmertum sind essenziell wichtige Assets. In diesem Kontext stehen vielerorts sukzessive nachfolgende Generation vor der Herausforderung, die Balance zwischen Neuem und Altem zu finden. Also einerseits Innovationen vorantreiben und in neue Geschäftsbereiche zu investieren und andererseits aber auch ins Kerngeschäft und Etabliertes.
Und auch hier ist die Kooperation mit Gleichgesinnten ein Teil der Lösung und die Rolle der Nachfolgenden eine ganz entscheidenden. Bei aller Entschlossenheit für Veränderung muss im Mittelstand erst zusammenwachsen, was bisher durch Konkurrenzdenken getrennt war. Doch gerade mit der neuen Generation, die in den Unternehmerfamilien mehr und mehr Verantwortung übernimmt, vollzieht sich ein Umdenken. Das lässt den Blick in die Zukunft optimistisch werden und ich freue mich sehr diese Entwicklung im „Maschinenraum“ hautnah mitgestalten zu können – dafür haben wir dieses geteilte und lebendige Innovations-Ökosystem geschaffen. Wo sich Unternehmer oder Mitarbeiter, digital und persönlich zu ihren Herausforderungen direkt austauschen und somit einander helfen, den oben erwähnten Herausforderungen zu begegnen. Hier werden Ressourcen, Fähigkeiten und Wissen geteilt, um gemeinsam jedes einzelne Familienunternehmen auf die Zukunft vorzubereiten.