14. Mär 2022
|
Gesundheit
Journalist: Katja Deutsch
|
Foto: Presse
Bei drei bis fünf Prozent aller Jugendlichen entwickelt sich eine verkrümmte und verdrehte Wirbelsäule. Das Deutsche Skoliose-Netzwerk in Bonn berät und unterstützt Betroffene.
Bis heute sind die Ursachen einer Skoliose noch nicht erforscht. Skoliose, auch Wirbelsäulenverkrümmung genannt, ist eine Seitenverbiegung der Wirbelsäule bei gleichzeitiger Verdrehung der Wirbelkörper. Die Wirbelsäule ist dabei in drei Achsen verschoben, seitlich, diagonal und in sich verdreht. Skoliose entwickelt sich bei jedem 20. bis 30. Heranwachsenden.
Zu schwere Schulranzen und stundenlanges, in eine Richtung gewandtes Sitzen können eine gewisse Rolle spielen, natürlich auch erbliche Faktoren. „Auch Tumorerkrankungen, nicht behandelter Beckenschiefstand, Beinlängendifferenz oder eine unsachgemäß begleitete Geburt können eine Skoliose auslösen“, sagt Hans-Theo Moog, Gründer und Geschäftsführer des Deutschen Skoliose Netzwerks (DSN). Die entstehende Verkrümmung der Wirbelsäule beginnt oftmals im Alter von sieben bis acht Jahren und verursacht erstmal keine Schmerzen. Geschulte Kinderärzte erkennen eine beginnende Skoliose bereits in diesen jungen Jahren. Deutlich sichtbar auch für die Eltern wird sie dann meist zwischen dem zehnten und zwölften Lebensjahr. „Das Kind beugt dazu seinen nackten Oberkörper vor, bis die Finger den Boden berühren“, sagt Hans-Theo Moog. „Verläuft die Wirbelsäule in einer geraden Linie? Sind die Schultern und Schulterblätter gleich hoch? Erscheint eine Rückenhälfte besonders flach und die andere wölbt sich vor?“
Wenn die Eltern hier Auffälliges entdecken, sollten sie zu einem Kinderarzt oder einem besonders auf Kinder spezialisierten Orthopäden gehen – und in jedem Fall nicht nur die von der Krankenkasse vorgegebenen Vorsorgetermine U1 bis U 9 wahrnehmen, sondern auch die Untersuchungen im Jugendalter, J1 und J2 einhalten.
Denn je früher eine Skoliose erkannt wird und desto weicher die Knochen sind, desto einfacher und wirkungsvoller lässt sich die Wirbels ule durch Muskelkontraktionsübungen und osteopathischer Behandlung in ihre ursprünglich gerade Form zurückformen. Bleibt sie unbehandelt, wird die Krümmung immer stärker und zieht den gesamten Bewegungsapparat in Mitleidenschaft.
Die Krümmung selbst wird in Grad gemessen, ab zehn Grad Krümmung spricht man von Skoliose. Nach der Diagnose folgt üblicherweise eine spezielle Krankengymnastik, die Schroth-Therapie, genannt nach ihrer Entwicklerin Katharina Schroth. Diese Methode umfasst Übungen zur optimalen Behandlung der dreidimensionalen Wirbelsäulenverkrümmung bei gleichzeitiger Winkelatmung. Man atmet also gezielt in die entstehenden Hohlräume, die durch die Skoliose entstehen, hinein.
Weil Training nur bei richtiger und regelmäßiger Ausführung Wirkung zeigt, sollten die Jugendlichen an mindestens fünf Tagen die Woche mindestens eine halbe Stunde täglich ihre Übungen machen, so Hans-Theo Moog. Am sechsten Tag steht der Besuch in der Praxis an, am siebten Tag kann man auch mal pausieren. „Aber das sollte nicht überhandnehmen“, schmunzelt der Gründer und Vorsitzende des Deutschen Skoliose-Netzwerks. Ist die Praxis zu weit entfernt, rät Hans-Theo Moog zu einer Intensiv-Reha mit regelmäßiger Nachkontrolle.
Ab einer Krümmung von 20 Grad reicht Physiotherapie nicht mehr aus, hier ist eine Korsettversorgung erforderlich. Etwa 30 bis 40 Prozent aller Skoliosepatienten erhalten ein Korsett. Sinn ergibt dies jedoch nur, solange das Wachstum noch nicht abgeschlossen ist, anfertigen sollten es erfahrene Korsettbautechniker.
Grundsätzlich ist Bewegung positiv, weil die Muskulatur gestärkt wird. Aber von Fitness-Studios und vor allem von Training mit Gewichten rät Hans-Theo Moog eher ab. Falsches Training kann die Krümmung sogar verstärken. „Sehr gut eignet sich Schwimmen, und zwar sowohl sportliches Brustschwimmen mit als auch Rückenkraulen, beides mit durchgestrecktem Körper. Auch Nordic Walking ist hilfreich, denn durch den Einsatz der Stöcke wird der aufrechte Gang trainiert.“
Unbehandelt kann die Krümmung im Erwachsenenalter immer schlimmer werden und sogar eine Operation erforderlich machen. Bei Skoliose-Experten Hans-Theo Moog, dessen eigene Verkrümmung im Alter von 13 Jahren zufällig im Schwimmbad entdeckt worden war, verhinderte die Skoliose ein Leben als Pilot. Auch für eine Laufbahn bei Bundeswehr und Polizei ist die Erkrankung ein Ausschlusskriterium. Zur Erleichterung des Berufsalltags, der für die Mehrheit der Bevölkerung im Sitzen stattfindet, hat das Skoliose-Netzwerk einen „Showroom“ in Bonn eingerichtet. Hier werden Produkte gezeigt, die Rücken und Wirbelsäule guttun, beispielsweise Drehstühle, die auf einer Feder aufgebaut sind, höhenverstellbare Schreibtische, um im Stehen, Sitzen und Sitzliegen zu arbeiten und eine Spezialmatratze, bei der man den Härtegrad ganz unkompliziert wie bei einem Maßanzug einstellen kann.
Informationen findet man auch auf www.deutsches-skoliose-netzwerk.de und www.netzwerk-rücken.de. Was rät der Experte Betroffenen? „Den Mut nicht zu verlieren! Und eine gute Bauch- und Rückenmuskulatur aufbauen. Denn diese gibt ein Leben lang Halt.“