27. Mär 2020
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Business
Journalist: Jörg Wernien
Sie wächst eigentlich im Moor, frisst Fleisch und ist ein natürliches Heilmittel. Das Greifswalder Start-up Paludimed will die Mini-Pflanze vermarkten.
Die Moore Norddeutschlands sind ihre Welt, und wenn Jenny Schulz an ihren Zustand denkt, dann wird sie ziemlich nachdenklich. Seit 100 Jahren entwässert der Mensch immer mehr Moore und zerstört auf diese Weise natürliche Lebensgrundlagen. Unter anderem wurde auch der rundblättrige Sonnentau, der im Moor wächst, so immer weiter zurückgedrängt. Eine schlimme Entwicklung, findet Jenny Schulz. Denn Drosera rotundifolia L., so der wissenschaftliche Name der kleinen, nur ein Gramm schweren fleischfressenden Pflanze, kann eine gute heilende Wirkung auf Menschen haben. „Sie hilft bei Husten und bei Lungenerkrankungen“, sagt die Geschäftsführerin des Start-up Paludimed. Deshalb fasste die studierte Biologin den Entschluss, die Mini-Pflanze anzubauen und daraus Heilmittel auf natürlicher Basis herzustellen.
Ein schwieriges Unterfangen, vor allem dann, wenn man damit auch noch seinen Lebensunterhalt verdienen möchte. Denn bisherige Kultivierungsversuche waren sehr kostenaufwendig und wurden immer wieder abgebrochen. Schulz aber hat ein neues Verfahren entwickelt: „Wir lösen dieses Problem mit nachhaltigem Anbau von D. rotundifolia auf Torfmoosrasen als Paludikultur.“ Dabei handelt es sich um eine Methode, die bislang als nicht machbar galt. Der regelmäßige Ernteertrag ist Voraussetzung, damit die Hersteller von Phytopharmaka Planungssicherheit haben.
2015 fing Jenny Schulz an, damals noch mit einem Partner, der inzwischen aber ausgestiegen ist. Im Juni 2017 gründeten sie ihr Start-up. Das Geschäftsmodell: Sonnentau anbauen und eine heilende Tinktur daraus zu machen. Gefördert wurde Paludimed zunächst durch ein Exist-Stipendium des Bundeswirtschaftsministeriums, das sich an Gründer richtet, die noch im Studium sind. Dann folgte eine Förderung durch das Land Mecklenburg-Vorpommern und eine derzeitige Förderung durch eine andere Förderinstitution.
Ohne diese Förderung wäre die Gründung von Paludimed nicht möglich gewesen. „Wir hatten eine lange Anlaufphase, weil wir ja zum Beispiel die Pflanzen erst einmal anbauen müssen“, erklärt Schulz. Und natürlich gab und gibt es für die studierte Biologin mit Schwerpunkt Moorkunde viele Unwägbarkeiten und Unbekannte. „Natürlich habe ich auch Fehler gemacht, aber das geht jedem Gründer so. Außerdem: Aus Fehler lernt man“, so ihre Erfahrung. Schließlich macht sie eine ähnliche Erfahrung wie Landwirte – immer versuchen die Abnehmer, die Preise möglichst tief zu drücken.
Im Frühjahr 2020 will Jenny Schulz die nächste Stufe zünden. „Ich werde jetzt mit meinem ersten eigenen Produkt an den Markt gehen und Sonnentau-Bonbons produzieren.“ Potenzielle Abnehmer sind Apotheken, Drogerien, Lebensmittel- und Bioläden. Das bedeutet, dass demnächst viel Klinkenputzen angesagt ist, denn die potenziellen Abnehmer müssen zuerst einmal überzeugt werden – und anschließend die Kunden. Jenny Schulz ist aber optimistisch, dass das klappt. Und so hat sie schon neue konkrete Ideen – Lebensmittel und Kosmetik-Artikel, ebenfalls natürlich aus Sonnentau. Denn in einer Sache ist sie sich ganz sicher: „Aus natürlichen Grundstoffen herstellten Produkten gehören die Zukunft.“