4. Mär 2022
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Business
BEE-Präsidentin Dr. Simone Peter über intelligente Sektorenkopplung, innovative Speicherlösungen sowie das Schließen der Versorgungslücke.
Vor welchen Herausforderungen steht der Energiesektor?
Wir müssen den Energiesektor von fossilen und atomaren Großkraftwerken auf einen dezentralen, über also über alle Regionen verbreiteten Anlagenpark aus Wind- und Solaranlagen, sowie Anlagen zur Biomasse- und Reststoffnutzung, Geothermieprojekte sowie Wasserkraft, umstellen. Aktuell steht im Fokus, wie wir die erneuerbaren Energien, die schon heute systemrelevant sind, im Strombereich so einsetzen, dass sie mit dem weiteren Ausbau systemsetzend werden. Wie kriegen wir den Strommarkt so organisiert, dass die wetterabhängigen Energiequellen Sonne und Wind von steuerbaren Elementen wie Bioenergie, Speichern, aber auch Kraft-Wärme-Kopplung so ergänzen, dass dieser erneuerbare Energiemix Tag und Nacht die Versorgung sichert. Das ist ein energiewirtschaftliches Projekt, was uns zum Beispiel auch dabei hilft, steigende Energiekosten abzufedern, denn die Erneuerbaren Energien wirken schon heute kostensenkend.
Welche Rolle spielen die einzelnen Erneuerbaren für die Energiewende?
Sonnen- und Windenergie, Bioenergie, Erd- und Umweltwärme bzw. Wasserkraft sind für das Gelingen der Energiewende alle gleichermaßen wichtig. Und zwar über alle Sektoren hinweg, das heißt, für die Stromversorgung, aber auch für die Wärmeversorgung, bei der Bioenergieund Solarthermieanlagen sowie Wärmepumpen ausgereift zur Verfügung stehen. Zudem müssen sie in Zukunft verstärkt den Verkehrssektor dekarbonisieren: mit Ökostrom in E-Autos und Biokraftstoffen im Bestand bzw. schwer elektrifizierbaren Verkehrsträgern. Und last but not least für die Industrie, die ebenfalls darauf angewiesen ist, klimafreundlich zu wirtschaften. Mit dem erneuerbaren Energiemix setzen wir ein starkes Signal für die klimafreundliche und kostengünstige Sektorenkopplung.
Wie lassen sich Sektoren sinnvoll koppeln?
Die Sektoren intelligent zu koppeln, ist eine neue Chance für das Energiesystem der Zukunft. So lässt sich günstiger Strom aus Sonne und Wind verstärkt im Gebäudebereich durch Wärmepumpen nutzen. Im Mobilitätsbereich gewinnt die Elektromobilität eine immer größere Bedeutung und im Industriesektor besteht die Notwendigkeit, grünen Wasserstoff zu nutzen. Immer mehr Anwendungen verlagern sich in den Stromsektor, weshalb die Annahmen über den Strombedarf angepasst und der Anteil der Erneuerbaren Energien erhöht werden muss. Wärme wird also künftig weniger aus Erdgas und Mineralöl erzeugt. Die Bundesregierung plant beispielsweise eine Wärmepumpenoffensive, die mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien einhergehen muss. Das gleiche gilt für die Elektromobilität. Aus den Wind- und Solarparks kann aber auch Strom für grünen Wasserstoff hergestellt werden. Und auch aus Bioenergie lassen sich Strom, W rme und Kraftstoffe generieren. Hier ergeben sich ganz neue Geschäftsmodelle, wenn die politischen Weichenstellungen jetzt erfolgen. Das ist allemal günstiger, sicherer und klimafreundlicher als importiertes Erdgas oder Mineralöl.
Welche Rolle spielen Speicherlösungen dabei?
Speicher spielen eine wachsende Rolle. Wir werden in den nächsten Jahren einen massiven Zubau von Wind und Solaranlagen erfahren, die von flexibel steuerbaren Elementen im Stromsystem, wie Speichern, Biogasanlagen oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen flankiert werden müssen. Zudem haben wir derzeit noch eine sehr unterschiedliche Aufstellung der Erneuerbaren in Deutschland: im Norden viel Windenergie, im Süden viel Solar. Das wird sich zwar noch angleichen, aber neben der Verteilung durch Netzausbau oder Sektorenkopplung vor Ort wird es auch Speicher bedürfen, um Strom, der nicht direkt verbraucht wird, zwischenzuspeichern. Hier ergeben sich auch ganz neue Geschäftsmodelle, auch auf Ebene der Kommunen und der Bürger. Von Batteriespeichern im Haus über Batterien in E-Autos bis hin zu großen Pumpspeicherkraftwerken sowie die Nutzung der Speicherpotentiale durch die Umwandlung in Grünen Wasserstoff oder andere Gase wird so der Strombedarf im Privatwie Industriesektor ganzjährig gedeckt. Hinzu kommen erneuerbare Wärmespeicher, gespeist durch Wärme aus Solar- und Geothermie sowie Bioenergie und ein immer grüner werdendes Gasnetz, die zur Gesamtversorgung beitragen.
Lässt sich damit die Versorgungslücke schließen?
Ja, mit den Maßnahmen, die die neue Bundesregierung zur Stärkung der Erneuerbaren Energien jetzt auf den Weg bringt, wird die Versorgungssicherheit weiterhin ganzjährig gewährleistet. Wichtig ist, dass wir jetzt auch die Energiesysteme anpassen. Wenn wir neben dem Ausbau von Sonnen- und Windenergie auch auf die Möglichkeiten des flexiblen Einsatzes der Bioenergie setzen, können wir auf hohe Importanteile von grünem Wasserstoff oder Ökostrom verzichten. Die Biogasanlagen erzeugen zu anderen Zeiten Wärme für kommunale Wärmenetze. Das ist heute schon kostensenkend. Durch ein Energiesystem, basierend auf Erneuerbaren Energien haben wir die Möglichkeit zu zeigen, dass ein Industriestandort jederzeit und für alle Bedarfe, inklusive die energieintensiven Industrien, saubere Energie bereitstellen kann.