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14. Mai 2019

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Wirtschaft

Nachhaltigkeit mit Biogasanlagen

Journalist: Jörg Wernien

Das Thema Nachhaltigkeit ist in der Landwirtschaft angekommen. Die Reduzierung von CO2 ist auch für viele Bauern zu einem wichtigen Thema geworden. Deswegen setzen jetzt viele auf eine Biogasanlage.

Die Landwirte stecken in der Zwickmühle. Einerseits sollen sie durch den restriktiven Einsatz von Gülle und Dünger für mehr Artenvielfalt auf den Feldern sorgen. Auf der anderen Seite werden auch hier vermutlich Strafen für einen zu hohen Treibhausgasausstoß, wenn die CO2-Bepreisung kommt, für weitere Kosten sorgen. Eine Möglichkeit wäre die Investition in eine Biogasanlage. Diese Anlagen wirtschaften im Kreislauf. Das vergorene Substrat wird anschließend wieder auf dem Feld ausgebracht und bringt als Dünger Vorteile mit sich. Durch die gezielte Verbrennung des gewonnenen Biogases (CH4 und CO2) zur Verstromung kommt es zu keiner unkontrollierten Abgabe des Methans an die Atmosphäre und trägt somit nicht zu den schädlichen Treibhausgasen bei.

Biogasanlagen können heute mit jeglichen Einsatzstoffen wie Gülle, Mist oder landwirtschaftlichen Reststoffen betrieben werden. Sogar Abfälle aus der Gastronomie und aus privaten Haushalten können verarbeitet werden. Beim Einsatz von Gülle und Mist liegt für die Landwirte ein großes Potential, das sie heben könnten. Aktuell wird erst ungefähr ein Viertel der anfallenden Gülle in Biogasanlagen vergoren.

Und noch einen Vorteil bieten die modernen Anlagen. Was nach der Fermentierung in der Anlage übrig bleibt, so ein Vorgang dauert etwa 30-50 Tage, ist ein hochwertiger, veredelter Dünger. Der so genannte Gärrest ist reich an nähr- und humusbildenden Stoffen und kann in flüssiger oder getrockneter Form wieder auf den Feldern ausgebracht werden. Nach einer Aufbereitung könnten die Produkte sogar in den Baumärkten als Kompost verkauft werden.

Biogasanlagen bieten eine hohe Lagerkapazität, wodurch eine gezielte Ausbringung des Düngers erfolgen kann, somit kann die Menge und die Zeit der Ausbringung angepasst werden und die Nitratbelastung gesenkt werden. Zudem kann sich die Situation mit der Gülle für viele Landwirte entspannen. Rund 9500 Biogasanlagen gibt es in Deutschland (Quelle: Statista). Tendenz weiter steigend. Ein Weg, den in Zukunft noch mehr Landwirte beschreiten werden, um der Zwickmühle CO2 Bepreisung und Nachhaltigkeit zu entkommen.

1. Okt 2025

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Wirtschaft

Die nächsten 24 Monate entscheiden: Deutschland im Transformationsfenster – Ein Beitrag von Prof. Dr. Henning Wilts

An den Begriff „Kreislaufwirtschaft“ haben die meisten Unternehmen lange Zeit einen gedanklichen Haken gemacht: Die eigenen Abfälle werden fachmännisch entsorgt, man hatte seine Hausaufgaben gemacht. Mit der Zeitenwende als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg und seitdem völlig veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen hat sich jedoch auch das Verständnis von Kreislaufwirtschaft fundamental verändert: Von „Nice-to-have“ zur Schlüsselherausforderung eines auch mittel- und langfristig wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts, der sich schlagartig bewusst wurde, wie abhängig man doch ist von Rohstoffimporten – und der Bereitschaft vieler Länder, den Zugang zu diesen als strategisches Druckmittel zu nutzen. Dementsprechend gewinnen auch zirkuläre Geschäftsmodelle zunehmend an Bedeutung, die von Anfang an mitdenken, wie die Produkte – und damit auch die darin enthaltenen Rohstoffe – am Ende der Nutzungsphase wieder zurückkommen. Immer mehr Unternehmen experimentieren daher mit Pfandsystemen oder Leasingkonzepten – getrieben von der Idee, damit die Resilienz ihrer Rohstoffversorgung zu verbessern. Ein weiterer wichtiger Treiber sind die gesetzlichen Verpflichtungen der Unternehmen, ihre Prozesse klimaneutral aufzustellen – hier ist der Einsatz recycelter Rohstoffe natürlich nicht zum Nulltarif zu haben; auf lange Sicht sind die dafür notwendigen Technologien aber schon deutlich ausgereifter und die Kosten pro eingesparter Tonne CO2 bei entsprechender Skalierung niedriger. Aber obwohl das Thema Kreislaufwirtschaft damit immer stärker auch in den Strategieabteilungen der Unternehmen ankommt, faktisch fehlt es an einer selbsttragenden Innovationsdynamik. Noch immer beträgt das Verhältnis von recycelten Rohstoffen und Gesamtrohstoffbedarf gerade mal 13 Prozent; rechnerisch sind also 87 Prozent aller Rohstoffe noch immer Primärmaterial. Die dafür von vielen genannten Gründe sind einerseits rational: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fehlt es an finanziellen Ressourcen, um ausreichend in die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung zu investieren. Gleichzeitig ist den meisten sehr bewusst, dass Deutschland damit droht, seine eigentliche hervorragende Ausgangsbedingungen in diesem zentralen Zukunftsmarkt zu verspielen. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund im Dezember 2024 ihre „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ (NKWS) verabschiedet. Erklärtes Ziel ist es, die Transformation zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Dafür benennt die Strategie ambitionierte Ziele, beispielsweise die faktische Halbierung des Bedarfs an primären Rohstoffen; im Kern aber vor allem über 130 konkrete Maßnahmen. Diese gehen weit über Abfallwirtschaft hinaus, sondern betreffen z. B. die fokussierte Digitalisierung im Recyclingsektor, innovative Finanzierungsmechanismen oder auch Mindestrezyklatquoten, um so einen sicheren Absatzmarkt für hochwertige Sekundärrohstoffe zu schaffen. Aber natürlich ist Papier geduldig und die eigentliche Herausforderung liegt in der jetzt anstehenden Umsetzung. Ein zentraler Schlüssel wird dabei sein, Allianzen zu schaffen – zwischen all den Akteuren, die in einer Kreislaufwirtschaft profitieren wollen von den erhofften positiven Effekten für Klimaschutz, einheimische Beschäftigung, Aufträgen für den Maschinenbau usw. Die in der NKWS angekündigte Plattform muss es daher schaffen, genau solche Allianzen zu bilden und sich nicht in endlosen Debatten über die 100 Prozent perfekte Lösung zu verlieren – denn die internationale Konkurrenz schläft nicht und es ist überhaupt nicht gegeben, dass die erhofften Vorteile tatsächlich am Standort Deutschland realisiert werden. Die nächsten 24 Monate werden daher maßgeblich darüber entscheiden, ob Deutschland am Ende zu den Gewinnern oder den Verlierern der zirkulären Transformation gehören wird.