1. Okt 2025
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Business
Journalist: Katja Deutsch
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Foto: Presse
2024 gaben deutsche Unternehmen 47,2 Milliarden Euro für Geschäftsreisen aus – trotz zunehmender Digitalisierung. Warum sind Geschäftsreisen weiterhin unverzichtbar? Jens Schließmann, Geschäftsführer des Verbands Deutsches Reisemanagement e. V. (VDR), erklärt im Interview, warum echte Begegnungen auch künftig entscheidend bleiben.
Herr Schließmann, warum sind Geschäftsreisen in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt überhaupt noch so wichtig? Weil echte Begegnung den Unterschied macht. Ohne Bewegung keine Begegnung. Sie schaffen Vertrauen, vertiefen Beziehungen und sind oft der Ausgangspunkt für echte Innovation. Digitale Präsenz kann vieles beschleunigen, ersetzt aber selten Nähe und Verbindlichkeit. Geschäftsreisen verbinden Menschen und Kulturen, gerade in einer komplexen, global vernetzten Wirtschaftswelt. Voraussetzung ist jedoch, dass sie effizient, nachhaltig und sicher organisiert werden.
Globale Mobilität gewinnt also dadurch nicht nur inhaltlich, sondern auch organisatorisch an Bedeutung. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell bei der globalen Mobilität? Unternehmen denken internationaler, jede dritte Geschäftsreise führt inzwischen ins Ausland. Damit steigt die Komplexität – besonders für KMUs, die mit begrenzten Ressourcen Visa-Management und Buchungen stemmen müssen. Gleichzeitig gilt es, Effizienz, Reisesicherheit und Mitarbeitendenwohl auszubalancieren. Jede Reise muss heute begründet sein: Nicht die Häufigkeit zählt, sondern der Wert, den eine Reise stiftet. Dafür braucht es klare Strategien, die Flexibilität und Kostenbewusstsein mit Nachhaltigkeit vereinen.
Ein Punkt, den viele Unternehmen dabei besonders kritisieren, sind die langen Visa-Prozesse und administrativen Hürden. Was müsste sich hier konkret ändern? Visa-Management ist ein zentraler, aber oft unterschätzter Teil der Mobilität. Unterschiedliche Vorschriften, manuelle Verfahren und fehlende Transparenz machen Anträge komplex und zeitaufwendig. Das hat Folgen für Reisen und Projekte. Digitale Standards und harmonisierte Verfahren könnten Prozesse beschleunigen, Kosten senken und die Kommunikation mit Behörden vereinfachen. Kurz gesagt: Visa-Management muss digitaler, transparenter und einfacher werden.
Geschäftsreisen verbinden Menschen und Kulturen, gerade in einer komplexen, global vernetzten Wirtschaftswelt. Voraussetzung ist jedoch, dass sie effizient, nachhaltig und sicher organisiert werden.
Digitale Standards sind also entscheidend – nicht nur bei Visa-Prozessen, sondern auch bei Abrechnung und Payment. Welche Entwicklungen beobachten Sie hier? Payment ist heute kein administratives Thema mehr, sondern Teil einer nahtlosen Reisekette, von Buchung über Check-in bis zu Zusatzleistungen. Der Zahlungsprozess wird damit ein unauffälliger, aber zentraler Bestandteil des Reiseerlebnisses. Digitalisierung und Automatisierung ermöglichen Echtzeit-Abrechnung, CO₂-Tracking und Fehlervermeidung. Das spart Zeit und liefert wertvolle Daten für nachhaltigere und effizientere Planung. Wichtig ist jedoch: Nur wenn die Zahlungsprozesse schlank und integriert sind, können Innovationen wie KI wirklich ihr Potenzial entfalten.
Sie haben KI angesprochen – wie verändert diese Technologie Geschäftsreisen? KI kann enorme Effizienzgewinne bringen, von automatisierten Genehmigungen bis zu Echtzeitanalysen. Auch wenn zwei Drittel der Unternehmen KI bislang noch nicht im Reiseumfeld nutzen, wissen viele bereits, wo sie sich digitale Unterstützung wünschen. Voraussetzung sind saubere Daten, klare Abläufe und die Akzeptanz bei den Mitarbeitenden. Für uns ist KI ein strategisches Werkzeug, das den Menschen unterstützt, nicht ersetzt. Damit ihr Potenzial ausgeschöpft werden kann, braucht es verlässliche Rahmenbedingungen, die Innovationen fördern und gleichzeitig Transparenz sowie Datenschutz gewährleisten. Dafür setzt sich der VDR ein.
Behalten wir den Blick weiter nach vorn: Wo sehen Sie die Geschäftsreise in fünf Jahren? Die Geschäftsreise wird sich auch in den kommenden fünf Jahren weiter wandeln: Sie wird gezielter, bewusster und wertorientierter sein. Der Fokus liegt auf dem Anlass und nicht der Anzahl. Die Balance der ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekte wird im Vordergrund stehen. Das Travel Management wird damit zu einer zentralen Querschnittsaufgabe, die Bereiche wie HR, Nachhaltigkeit, Compliance und Finance gleichermaßen einbindet. Um den Wandel erfolgreich zu gestalten, sind ein intensiver Dialog und eine enge Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Politik und Anbietern unerlässlich. Nur gemeinsam lassen sich die komplexen Herausforderungen der Zukunft meistern.
Was sollten Unternehmen schon heute tun, um ihre Geschäftsreisen zukunftsfähig aufzustellen? Sehen Sie Geschäftsreisen nicht als Kostenstelle, sondern als wertschöpfenden Faktor Ihres Unternehmens, als Investition in Beziehungen, Fortschritt und Innovation. Machen Sie Ihre Prozesse schlank und flexibel, und nutzen Sie Technologie, um Ihre Reisen kontinuierlich zu verbessern. Wer heute strategisch plant, wird auch morgen erfolgreich global zusammenarbeiten – und dabei nachhaltiger, sicherer und effizienter unterwegs sein.
Digitalisierung und Automatisierung ermöglichen Echtzeit-Abrechnung, CO₂-Tracking und Fehlervermeidung. Das spart Zeit und liefert wertvolle Daten für nachhaltigere und effizientere Planung.
Laufschuhe haben für Jens Schließmann einen festen Platz im Koffer. Beim Joggen reflektiert er Gespräche nach wichtigen Terminen.