1. Sep 2021
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Business
Journalist: Kirsten Schwieger
Aktuell stehen die Familienunternehmen in Deutschland vor der großen Aufgabe, die Folgen der Corona-Pandemie zu bewältigen und gleichzeitig ihre Betriebe durch noch schnellere Energieeinsparungen und noch mehr Digitalisierung zu modernisieren. Daher nehme ich die Forderungen von Grünen, SPD und Linken nach einer Vermögen- oder höheren Erbschaftsteuer als große Bedrohung wahr. Das wäre wirtschafts-politisches Gift für die Krisenresilienz und Modernisierungsbemühungen deutscher Unternehmen. Denn große Teile des potenziell versteuerbaren Vermögens sind betrieblich gebunden, das heißt sie liegen in Produktionsanlagen oder Investitionsrücklagen. Wer jetzt ausgerechnet dieses Kapital besteuern will, nimmt den Betrieben die notwendigen Finanzmittel für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung. Die Vermögensteuer würde zur Mittelstandsbremse. Gleichzeitig gilt seit April dieses Jahres wieder die Insolvenzantragspflicht. Viele Familienunter-nehmen, gerade aus dem Bereich der Gastronomie und im Tourismus, leiden aber noch unter den Folgen des Corona-Lockdowns. Sie haben bereits jetzt ihre Rücklagen aufgebraucht, um ihren Betrieb zu retten und verfügen nun über keine Puffer mehr, um auch noch die zusätzliche Belastung durch eine Vermögensteuer zu bewältigen. Sie würden also, nachdem sie die Krise gerade so überstanden haben, vom Fiskus in die Insolvenz getrieben.
Die Corona-Krise hat wie ein Katalysator auf den ohnehin laufenden Strukturwandel gewirkt. Etablierte Geschäftsmodelle werden hinterfragt und durch den enormen Digitalisierungsschub er-öffnen sich Chancen für neue, aber auch ältere Unternehmen. In der Post-Coro-na-Zeit muss sich jeder Marktteilnehmer selbst auf den Prüfstand stellen. Doch die derzeitige Liquiditätsflut durch die Staatshilfen verringert den Veränderungsdruck für viele erst mal deutlich. Das wird sich nach der Bundestagswahl oder spätestens im kommenden Jahr ändern, wenn die Maßnahmen aus-laufen. Derzeit wirkt die Hilfspolitik noch mit der Kraft einer Bazooka und der Treffsicherheit einer Schrotflinte. Das Wegfallen der Subventionen, in Kombination mit einem investitionsintensiven Konjunkturaufschwung, wird einige Unternehmen an den Rand der Insolvenz bringen. Umso wichtiger ist es heute, sich mit den Möglichkeiten einer Sanierung, Restrukturierung und Risikoprävention auseinanderzusetzen. Eine Chance dazu bieten die seit dem 1. Januar geltenden Bestimmungen zum Stabilisierung und Restrukturierungsrahmen. Dieses Gesetz bietet einen mächtigen Instrumentenkasten für eine vorinsolvenzliche Sanierung, wie zum Beispiel die niedrigschwellige Sanierungsmoderation bei drohender Zahlungsunfähigkeit, die Gläubiger und Schuldner frühzeitig zusammen an einen Tisch bringt. Außerdem ist ein verpflichtendes Frühwarnsystem integriert, was Risiken weit im Voraus identifizieren kann. Diese oder andere Chancen zu nutzen, liegt heute mehr denn je in der Verantwortung eines guten Unternehmers.
In der aktuellen Krise wird viel über eine Digitalisierungswelle gesprochen. Vielfach klingt es so, als sei diese Welle bereits erfolgreich genommen: Die Unter-nehmen haben sich mit den Pandemiebedingungen arrangiert, können produzieren und kommunizieren. Doch der Eindruck trügt – noch kann bei den meisten kein Haken hinter Digitalisierung gesetzt werden. Viele mittelständische Unternehmen haben den Pflichtteil der Digitalisierung absolviert, um die Pandemie zu überstehen. Horcht man aber in den IT-Mittelstand rein, hört man oft, dass viele Kunden zukunftsorientierte Digitalprojekte erst einmal auf Eis gelegt haben. Verständlich, denn die eigene Liquidität zu sichern ist in einer solchen Krise erst einmal wichtiger.
Wer aber mit Schwung aus der Krise herauszukommen möchte, sollte die Digitalisierung eben nicht als abgehakt verstehen, denn das Soll ist noch nicht erfüllt. Stattdessen kann der Schwung der bisherigen Digitalisierung genutzt werden, um konsequent und nachhaltig zu digitalisieren – auch in Bereichen, die bislang noch ausgespart wurden. Die besondere Herausforderung ist dabei, eine echte digitale Transformation zu schaffen: Das bedeutet, eigene Geschäftsmodelle auf den Prüf-stand zu stellen, offen zu sein für neue Technologien im eigenen Unternehmen und die vor der Krise geplanten digitalen Zukunftsprojekte wieder aufzutauen. Eine zentrale Rolle können dabei Daten spielen. Jeder Unternehmer sollte sich fragen, welche Daten bei ihm entstehen und wie er sie nutzen kann, um neue und bessere Angebote für seine Kunden zu schaffen.