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15. Jul 2024

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Wirtschaft

Seit 800 Jahren Freunde und Handelspartner: Deutschland und Estland - mit Andres Sutt

Journalist: Katja Deutsch

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Foto: Invest Estonia

Andres Sutt, Parlamentsabgeordneter (Reformpartei) und Mitglied des Wirtschaftsausschusses in Estland sowie ehemaliger Minister für Unternehmertum und Informationstechnologie, lobt die engen Beziehungen der beiden Länder.

Estland gilt als eines der digital fortschrittlichsten Länder der Welt: Es punktet mit einem hoch entwickelten E-Government-System, einer modernen digitalen Infrastruktur und einem starken Ökosystem für Start-ups. Ein Grund dafür ist die bereits erfolgte Integration der digitalen Bildung in den nationalen Lehrplan. Die Menschen in Estland haben eine sehr hohe IT-Kompetenz, auch im Bereich Cybersicherheit ist Estland weltweit führend.

Deutschland und Estland sind seit Jahrhunderten enge und freundschaftlich verbundene Handelspartner. So ist die Präsenz der Deutsch-Balten seit dem 13. Jahrhundert über die Handelsbeziehungen mit der mittelalterlichen Hanse bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges noch heute durch die weit verbreitete deutsche Sprache hörbar.

„Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Estland und Deutschland sind seit der Hansezeit historisch stark“, sagt Andres Sutt, Parlamentsabgeordneter (Reformpartei) und Mitglied des Wirtschaftsausschusses in Estland sowie ehemaliger Minister für Unternehmertum und Informationstechnologie. „Deutschland ist für Estland das fünftgrößte Exportziel und das zweitgrößte Importziel. Es ist auch ein immer wichtigeres Investitionsziel. Skeleton, ein schnell wachsendes estnisches Technologieunternehmen, baut zum Beispiel in Sachsen die größte und modernste Fabrik für Superkondensatoren in Europa“.

Rund 400 Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung sind in Estland registriert. Sie decken ein breites Spektrum von Branchen ab, darunter Maschinenbau, Elektronik, Schifffahrt, Rüstung und viele mehr. „Deutsche Unternehmen investieren in Estland und nutzen die Vorteile des Geschäftsumfelds des Landes, einschließlich seiner fortschrittlichen digitalen Infrastruktur, seines gut ausgebildeten Arbeitskräftepools und seiner strategischen Lage als Tor zu den Märkten in Nordeuropa“, sagt Riina, Leminsky, Leiterin des Global Network bei Enterprise Estonia, Wirtschaftsförderung von Estland.

Deutschland als Produktionsstandort und Estland als digitale Nation mit dynamischen Technologieunternehmen und einem Start-up-Ökosystem passen gut zusammen, meint Andres Sutt. „Wir können Größe und Technologie nutzen, um den globalen Wettbewerbsvorteil unserer jeweiligen Unternehmen zu stärken. Der grüne Wandel bietet viele Chancen, nicht nur in der energieintensiven Industrie, sondern auch im weiteren Sinne. Estland ist offen für Geschäfte.“

Umgekehrt investieren estnische Unternehmen in Deutschland und tragen zur Vielfalt und Dynamik der deutschen Wirtschaft bei. Die Zusammenarbeit zwischen Estland und Deutschland erstreckt sich auch auf die Bereiche Forschung und Entwicklung, Technologie und Innovation sowie Energie und Kreislaufwirtschaft.

„Deutschland hat ein wirtschaftliches und politisches Gewicht, das genutzt werden muss, um die EU zu einem starken globalen Akteur zu machen, mit strategischer Autonomie in Technologie und entscheidenden industriellen Inputs“, sagt Andres Sutt. „Wir müssen Europa offen halten für Investitionen, Innovationen und Talente. Das ist der Weg, um die Union global wettbewerbsfähig zu machen.“

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.