21. Dez 2020
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Business
Journalist: Jörg Wernien
Was macht eine Stadt zu einer Smart City? Wie werden die digitalen Anstrengungen bewertet? Dafür gibt es den Smart City Index 2020 des Digitalverbandes Bitkom.
And the winner is Hamburg. Wie schon im letzten Jahr konnte die Hansestadt ihren Titel „Smart City in Deutschland“ erfolgreich verteidigen. Allerdings ist der Vorsprung auf München und Köln (Plätze zwei und drei) geschmolzen. In fünf Kategorien wurden die Städte analysiert: Verwaltung, IT-Infrastruktur, Energie/Umwelt, Mobilität und Gesellschaft. 136 Parameter, vom Online-Bürger-Service über Angebote zum Carsharing, intel-ligente Ampellösungen bis zur Breit-bandverfügung, wurden für jede Stadt untersucht. Aufsteiger des Jahres ist die Stadt Osnabrück (Platz acht). Im letzten Jahr noch Platz 31, in diesem Jahr in den Top 10.
Doch wie sieht ein Architekt und Stadt-planer seine Version der Smart City? Das haben wir Eike Becker, einen renommier-ten Architekt aus Berlin, gefragt. „Städte sind jeweils Abbilder ihrer Gesellschaften. Wenn sich die Gesellschaften verändern, verändern sich auch die Städte. Und aktu-ell befinden wir uns genau in einer solchen radikalen Veränderung, die durch Corona nochmals beschleunigt wurde. Schauen Sie sich unsere Innenstädte an. Gute Städ-te haben Utopien. Meine Utopie ist die klimaneutrale, autofreie, soziale Stadt, in der unterschiedlichste Menschen friedlich und freundlich zusammenleben. Dazu sollten die heutigen Städte dichter werden und ihre öffentlichen Räume den veränderten Ansprüchen anpassen: Autostraßen und Stellplätze müssen immer weiter reduziert werden. Dafür sollten Rad- und Fußgängerwege ausgebaut und die Straßen, Plätze und Parks an veränderte Freizeitaktivitäten angepasst werden“, so der Berliner Architekt.
Der Lockdown hat es gezeigt. Das Homeoffice funktioniert, die Städte wurden zu Oasen der Ruhe und der guten Luft. Ein Zustand, der für viele Einwohner in der Zukunft Normalität sein sollte. Das Coronavirus wurde zum Beschleuniger der Digitalisierung. Nicht nur in den Unternehmen, sondern ganz besonders im Public Sector hat Corona für einen wahren Schub an neuen digitalen Möglichkeiten gesorgt.
Deutschland befindet sich an einem Wendepunkt. Die COVID-19-Pandemie bietet dafür eine einmalige Chance. Die Bundesregierung und die Länder stellen eine Menge Geld bereit, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, neue Arbeitsplätze zu schaffen und die Digitalisierung in Deutschland anzukurbeln. So sieht das auch der Architekt und Stadtplaner Eike Becker aus Berlin: „Noch beschleunigt durch Corona befinden wir uns im Übergang in eine andere, eine noch digitalere Welt. Das wird viel verändern – wie wir leben, arbeiten, bauen, uns abstimmen und entscheiden. Sich dem zu verweigern, die Veränderungen zu ignorieren, funktioniert für eine bereits so vernetzte Gesellschaft nicht. Also ja, wir benötigen Ideen, wie die Smart Cities, die Städte in Zukunft aussehen sollen, aktuell wohl mehr denn je.“
Die großen deutschen Städte wie Berlin, Hamburg, München oder Frankfurt sind auf einem Weg in eine digitalere Welt. Doch andere Städte sind weltweit schon viel weiter und haben längst digitale Strategien entwickelt. In Shanghai wird der Strom-, Wasser- und Gasverbrauch von einem Auto auf der Straße aus abgelesen. Da muss man keinen Tag Urlaub nehmen, um die Zählerstände ablesen zu lassen. Die Mülltonnen sind mit Sensoren versehen und melden dem Entsorgungsbetrieb, wenn sie voll sind. Entwicklungen, die hier noch undenkbar sind. Aber es gibt auch warnende Stimmen, wie Eike Becker betont. „Die Smart City sollte aus einer Infrastruktur bestehen, die nicht einem Unternehmen, sondern den rechtsstaatlich organisierten Kommunen gehört und von diesen auch im Interesse der Allgemeinheit gemanagt wird. In Deutschland gibt es ja die weit verbreitete Strategie, sich die First Mover genau anzuschauen und es dann, wenn etwas anderswo halbwegs funktioniert, mehr oder weniger verbessert selbst umzusetzen. So, vermute ich, wird es auch bei der Smart City sein. Aber ja, zurzeit stehen deutsche Städte bei allen Untersuchungen und Vergleichen auf den hinteren Plätzen. Viele haben noch nicht einmal einen Plan, eine Strategie.“
Die deutschen Städte haben also noch Luft nach oben, auch wenn der Digitalverband Bitkom in vielen deutschen Städten gute Ansätze und Tendenzen sieht. Das Corona-Virus kann und sollte als Chance verstanden werden, die Zukunft zu gestalten. „Viele sehen in der Smart City große Chancen und verbinden mit der digitalen Vernetzung die Lösung aller Probleme der postindustriellen Gesellschaften: Ob Umweltverschmutzung, demografischer Wandel, Bevölkerungswachstum, Finanzkrise oder Ressourcenknappheit, alles kann mit Kameras, Sensoren und digitaler Vernetzung zum Guten gewendet wer-den“, so Eike Becker.