21. Dez 2022
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Lifestyle
Journalist: Jakob Bratsch
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Foto: AK Neuss
Interview mit Prof. Sprick, Chefarzt der Ambulanzen und Tageskliniken des Alexius/Josef Krankenhauses Neuss, über erste Erfolge einer neuen Alzheimer-Therapie.
Prof. Sprick, Sie haben gerade auf dem DGPPN-Kongress in Berlin mehrere Vorträge zu TPS gehalten - was verbirgt sich hinter diesem Therapie-Ansatz?
Die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) ist eine neu zugelassene Therapieoption bei leichter und mittelschwerer Alzheimer-Demenz. Mit Hilfe eines speziellen Gerätes, dem „Neurolith“, werden kurze, präzise Stoßwellen durch die Schädeldecke hindurch in das Gehirn appliziert, was den Patienten keine Schmerzen bereitet. Es ist also keine Narkose erforderlich. Zuvor angefertigte, individuelle MRT-Aufnahmen erlauben dabei die punktgenaue Stimulation aller, von einer Alzheimer-Demenz-Erkrankung betroffen Gehirnregionen, bis zu einer Tiefe von ca. acht Zentimetern.
Wie ist der aktuelle Stand Ihrer TPS-Forschung?
Wir verfolgen die Anwendung von TPS seit gut einem Jahr an bislang circa 100 Patienten, also eine klinische Anwendungsbeobachtung. Zwei Wochen lang bekommen die Patienten alle zwei Tage eine TPS-Sitzung, anschließend dann alle sechs bis acht Wochen sogenannte „Booster-Sitzungen“. Mit Hilfe einer größeren Testbatterie aus Lern- und Gedächtnistests testen wir dann u.a. auch deren Exekutivfunktionen, insbesondere Aufmerksamkeitsprozesse. So benötigen (Präsens)Alzheimerpatienten beispielsweise für den Farb-Wort-Interferenz-Test normalerweise sehr lange Zeit im Vergleich zur Kontrollgruppe. Wir haben festgestellt, dass TPS-Behandlungen diese Zeiten ganz drastisch reduzieren können.
Welche tatsächlichen Verbesserungen können im Alltagserleben der Patienten verzeichnet werden?
Wir sehen, und das berichten uns auch Angehörige, dass die Patienten sich in ihrer Alltagskompetenz deutlich verbessern. Auch die Stimmungslage bessert sich häufig. Die Patienten sind aktiver, nehmen im Kreis der Familie wieder an verschiedensten Aktivitäten teil – unabhängig davon, ob Gedächtnisdefizite sich gleichzeitig bessern oder nicht. Übrigens hilft TPS nach unseren Beobachtungen auch bei schweren Depressionen, wie ein Heilversuch an einem Patienten ohne Alzheimer gezeigt hat. Mit den Stoßwellen haben wir gezielt sein Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert - mit der Folge, dass die Depression komplett verschwand. Zur Behandlung der Depression ist TPS allerdings noch nicht zugelassen, dieser Effekt muss sich in weiteren Studien zunächst noch weiter belegen lassen.
Wie definieren Sie genau Behandlungserfolg?
Bei Morbus Alzheimer ist Behandlungserfolg aus meiner Sicht, dass sich die Symptomatik nicht weiter verschlechtert. Insbesondere bei Early-onset Alzheimer, also Erkrankungen im Alter von Ende 40 oder Anfang 50, ist das Stoppen des Krankheitsverlaufs schon ein großer Erfolg. Natürlich freuen wir uns sehr, dass wir bei einzelnen Patienten sogar Verbesserungen der kognitiven Funktionen sehen. Bei einer Depression möchte ich hingegen eine Besserung der Stimmungslage sehen.
Für eine Kassenanerkennung reicht das aber nicht aus, oder?
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht. Eine erste Krankenkasse hat allerdings kürzlich die Kosten für das innovative TPS-Verfahren übernommen. Die Methode muss noch weiter wissenschaftlich erforscht werden – in großen Studien mit großen Patientenzahlen. Solche Studien brauchen viel Zeit. Der Fachbereich Neurologie an der Universität Wien arbeitet beispielsweise an einer randomisiert-kontrollierten Studie.
Warum empfehlen Sie die Kombination von TPS und medikamentöser Therapie?
TPS sorgt dafür, dass die Wirkung der eingenommen Medikamente potenziert wird. Das hat sicher mit der sogenannten Blut-Hirn-Schranke zu tun. Aber die Therapie zeigt auch ohne entsprechende Medikation bei uns gute Behandlungsergebnisse.