13. Jun 2019
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Business
Journalist: Katja Deutsch
Dr. Patrick Adenauer, Unternehmer und erster Enkelsohn Konrad Adenauers, über die Kunst, heute ein Familienunternehmen zu führen
Als Enkelsohn des ersten Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland ist Dr. Patrick Adenauer Fragen über seinen Großvater gewöhnt. „Er war ein ernsthafter Mann, der Großvater genannt wurde, nicht Opa“, erzählt der 58-jährige Geschäftsführer des Baunternehmens Bauwens. Seinen Enkeln gegenüber sei er freundlich-distanziert zugewandt gewesen, Hoppe-Reiter auf dem Schoß hätte es nicht gegeben. „In Erinnerung ist mir besonders im Gedächtnis geblieben, wie mein Großvater, kerzengerade stehend, stundenlang Gratulationswünsche zu seinem 90. Geburtstag im Palais Schaumburg entgegen nahm.“ Bis zum Schluss hatte der Staatsmann Haltung bewiesen, ging trotz seiner auffallenden Größe niemals krumm. Nicht nur körperlich, auch gesellschaftlich und politisch hatte er hohe Ansprüche.
Nach dem zweiten Weltkrieg erlebte Deutschland einen Umbruch ohnegleichen. Vor 70 Jahren freuten sich Gesellschaft und die sich langsam wieder entwickelnde Wirtschaft hierzulande über das nagelneue, hart erkämpfte Grundgesetz und blickte mit wachsender Zuversicht nach vorn. Auch jetzt wieder befinden wir uns in einem massiven Wandel – doch der macht vielen Menschen eher Angst.
Wo sieht der Unternehmer-Enkel des ersten deutschen Kanzlers die größten Chancen für unser Land? Kann Deutschland überhaupt noch isoliert betrachtetet werden? „ Es stimmt schon, dass die relative Bedeutung eines jeden einzelnen Landes abnimmt“, sagt er. „Insofern ist es wichtig, dass sich Länder zusammen schließen und mit einer Stimme sprechen. Wer in den USA ein Produkt auf den Markt bringt, spricht sofort über 300 Millionen potentielle Kunden, Anwender oder Nutzer an, während man in Deutschland maximal 80 Millionen Menschen erreicht. Dabei ist es immer noch schwierig, heute etwas europaweit zu vermarkten. Hierbei glaube ich, dass einzelne Länder überfordert sind und die großen Chancen in einem Zusammenschluss in Europa liegen.“
Um den europäischen Gedanken voranzutreiben, hat Dr. Patrick Adenauer in seiner Funktion als Vizepräsident des Verbandes der Familienunternehmen seine Mitarbeiter aktiv zur Teilnahme an der so entscheidenden Europawahl aufgefordert, um Parteien zu wählen, die für eine Stärkung Europas kämpfen. Zusätzlich warb er auf vielen Veranstaltungen und bei Family Business Network (FNB) Deutschland e.V. für die Idee eines wirtschaftlich starken europäischen Kontinents. Diese internationale Organisation von Familienunternehmen, der er als Präsident vorsteht, bringt beispielsweise durch sogenannte Cross Chapter Events Deutsche Familienunternehmen mit ausländischen zusammen, um die Zusammenarbeit zwischen Familienunternehmen auch international zu fördern.
„Nach dem Krieg hatte wir eine Phase der großen Völkerverständigung, in der alle staunend aufeinander zugegangen sind“, sagt Dr. Adenauer. „Inzwischen hat sich ein sehr deutlicher Individualismus herausgebildet, den wir wieder überwinden sollten. Wer ein gemeinsames Europa möchte, muss sich auch politisch stärker zusammenschließen. Doch oftmals stoßen hier ganz unterschiedliche Weltbilder und Haltungen aufeinander – schon mit Frankreich oder Italien.“
Insgesamt stellt der Unternehmer, vor allem den großen, deutschen Traditionsunternehmen, nur ein mäßig gutes Zeugnis aus. Ob aktiver Betrug in Deutschlands weltweitem Zugpferd, der Autoindustrie oder eine miserable Cost-Income-Ratio wie der Deutschen Bank – riesige Organisationen würden schwerfällig und reagierten schlecht, gerade in Bezug auf den digitalen Wandel. Nur dort, wo die Reaktionskräfte eines Unternehmens noch nicht erstarrt seien, würde unternehmerische Energie noch direkt in Innovationen umgesetzt. Dies ist nicht nur aber in ausgeprägter Form bei Mittelständlern, Familienunternehmen und Startups der Fall.
In der Wirtschaft herrscht ein ständiges Wachsen und Schrumpfen, Verlagern und Ändern, sie lebt durch einen ständigen Optimierungsprozess. Handel heißt Wandel, Handel ist Wandel – und den muss man aushalten. Auch die Geschäftsführer von Bauwens haben gelernt, wie wichtig ständiges Umgestalten, Reformieren und Erneuern ist, ohne dabei seine Haltung zu verleugnen: Mitarbeiterzugewendet, offen und kundenorientiert sein, nicht betrügen, nicht bestechen, Fairness zu Kunden und Lieferanten leben. „Zudem muss man wissen, dass man als Unternehmer ununterbrochen den Wandel beherrschen und managen muss. Die lebenslange Aufgabe besteht darin, immer ein Stück vorneweg zu laufen. Wahrscheinlich laufen auch deshalb so viele Unternehmer Marathon, denn ein Unternehmen zu führen kommt einem Marathonlauf gleich.“
Wer anfängt, sich auszuruhen, geht unter, davon ist der Bauwens-Geschäftsführer überzeugt. Ein 80-jähriger Patriarch, der die Führung nicht abgeben könne, wird heute nicht mehr erfolgreich sein. Und wie sieht es mit dem eigenen Nachwuchs aus? „Für meinen Bruder und mich spielt das Allgemeinwohl eine große Rolle, aber genauso wichtig war es uns immer, unser Unternehmen, das wir gemeinsam führen, weiterreichen zu können. Deshalb haben wir unsere insgesamt fünf Kinder gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, aus einem Brüder-Konsortium ein Cousin- und Cousinen-Konsortium zu machen. Und alle fünf haben ja gesagt! Seitdem befinden wir uns in einem von Expertenbegleiteten Übergabe- und Educationprozess.“