10. Jul 2023
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Wirtschaft
Journalist: Karoline Edtstadler
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Foto: BKA Dragan Tatic
Unser europäisches Lebensmodell ist bedroht. Die Strahlkraft unserer gemeinsamen Erfolgserzählungen, die unsere Gesellschaft nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Fall des Eisernen Vorhangs zusammengehalten haben, nimmt ab.
Die durch die Klimawende notwendig gewordene wirtschaftliche Transformation setzt unseren Wohlstand unter Druck und mit Blick auf die Politik gewinnt man den Eindruck, die Europäische Union sammelt Krisen, anstatt sie zu lösen. Wie können wir Europa als Ort von Freiheit, Stabilität und höchster Lebensqualität auch für künftige Generationen absichern?
Unsere wirtschafts- und sicherheitspolitischen Interessen sollen zu Leitlinien unserer Außenpolitik werden. Diese darf sich nicht auf eine „Politik des erhobenen Zeigefingers“ beschränken.
Zum ersten müssen wir unsere geopolitischen Interessen in den Vordergrund stellen. Angesichts der Tatsache, dass Europa an Einfluss in der Welt verliert, die wirtschaftliche und militärische Stärke im Vergleich zu anderen Regionen abnimmt, brauchen wir eine geopolitische Trendwende. Wir müssen europäischen Einfluss in unsere unmittelbare Nachbarschaft projizieren. Der Westbalkan, Nord-Afrika und der Nahen Osten sind Regionen, die wir oft anderen Akteuren wie Russland und anderen Ländern überlassen. Unsere wirtschafts- und sicherheitspolitischen Interessen sollen zu Leitlinien unserer Außenpolitik werden. Diese darf sich nicht auf eine „Politik des erhobenen Zeigefingers“ beschränken.
Zweitens müssen wir Europa besser schützen. Einerseits durch einen raschen Ausbau der europäischen Verteidigung und andererseits durch ein Ende der illegalen Migration nach Europa. Österreich verzeichnete im vergangenen Jahr knapp 109.000 Asylanträge, Deutschland 226.000. Bei einer vergleichbar hohen Belastung wie Österreich stände Deutschland bei 1 Million Asylwerbern und wäre wohl ähnlich alarmiert. Daher braucht es deutliche Initiativen für ein Ende der illegalen Migration: Durch einen funktionierenden Außengrenzschutz, durch Asylantragsstellung in Drittstaaten und Rückübernahmeabkommen. Europa muss selbst entscheiden, wer zu uns darf und wer nicht. Nur so können wir den Zuspruch zu Parteien an den äußeren Rändern Einhalt gebieten.
Drittens brauchen wir eine Rückbesinnung auf die Wirtschaftsmacht Europas. Lange waren wir der größte Binnenmarkt der Welt, heute werden wir wirtschaftlich abgehängt. Unser Anspruch muss es sein, Weltmeister der Innovation zu werden. Aktuell sind wir Weltmeister der Überregulierung: Beim Lieferkettengesetz agieren wir moralgesteuert und praxisfern, bei Arzneimitteln standortfeindlich. Die Dekarbonisierung unserer Wirtschaft können wir nur zielgetrieben, nicht ideologiegetrieben erreichen. Dafür brauchen wir Offenheit gegenüber allen Technologien, damit im Wettlauf der besten Ideen die besten Lösungen entwickelt werden. Ob beim Kampf gegen den Klimawandel, im digitalen Raum oder bei neuen Technologien: Orientieren wir uns an den Chancen, nicht an den Risiken!
In allen Mitgliedstaaten sucht man nach Lösungen für Herausforderungen, die seit Generationen nicht mehr zu bewältigen waren. Eines steht fest: Wir können Antworten auf diese großen Fragen einzig und allein im europäischen Gleichschritt finden. Österreich will dabei Impulsgeber für ein starkes und souveränes Europa sein. Mehr denn je braucht Europa aber auch Deutschland als wirtschaftsliberale Kraft, damit wir auch morgen mit dem „European Way of Life“ aufwachen.