14. Dez 2021
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Business
Journalist: Christiane Meyer-Spittler
Als vielversprechender Zukunftstrend steht die Tokenisierung mit der Blockchain-Technologie erst am Anfang ihrer Entfaltungsmöglichkeiten, doch schon bald könnte sie die Finanzmärkte grundlegend revolutionieren.
Das neue Zauberwort in der Finanzwelt heißt: Tokenisierung. Angelehnt an den englischen Begriff „Token“ (Zeichen oder Wertmarke) wird damit die digitale Zerstückelung realer Vermögenswerten, inklusive ihrer Rechte und Pflichten, in kleine virtuelle Einheiten bezeichnet. Abgebildet wird dies durch die Blockchain-Technologie auf dezentralen Datensystemen. Ein Token selbst hat keinen inneren Wert, sondern repräsentiert den Preis des ihm zugrundeliegenden Vermögenswertes mit entsprechenden Rechten und Pflichten ab. So ist praktisch alles zeichenbar, was auch handelbar ist, also Sachwerte wie Gebäude, Oldtimer oder Kaffeebohnen, aber auch immaterielle Güter wie Staatsanleihen, Patent- oder Lizenzrechte. Der digitale Token ersetzt die analoge Urkunde und verbrieft die jeweiligen Besitzverhältnisse im Netz. Eigentumsverhältnisse, Rechte, Vermögens- und Sachwerte lassen sich so digital abbilden und tragen zu einer offenen und interoperablen Finanzinfrastruktur bei.
Traditionelle Intermediäre, wie Banken oder Börsen, können dadurch ihren bisherige Stellenwert verlieren. Andererseits eröffnet dieses Potenzial ein breites Feld an innovativen Anwendungen und neuen Kooperationsformen. Es wird möglich, illiquide Vermögenswerte liquide zu machen, um auch Kleinanleger an bisher unzugänglichen Vermögenswerten teilhaben zu lassen und kostenintensive Wege über herkömmliche Intermediäre erheblich reduzieren.
So bietet die Tokenisierung auch eine große Chance für kleine und mittelständische Unternehmen. 99 % aller Unternehmen in Deutschland gehören dem Mittelstand an. Sie benötigen oft für ihre technischen Innovationen externe Finanzierungsmittel. Doch ein Börsengang oder die Platzierung von Anleihen oder Schuldscheindarlehnen eignen sich für ihren Kapitalbedarf nicht. Doch durch das neue Modell von digitalem Eigentum ohne physischen Besitz wird der Einstieg in die Finanzwelt zugänglicher, effizienter und globaler. Denn der komplexe Weg über Notare, Banken, Börsen, Vermittler und Zwischenhändler fällt weg und Transaktionen werden damit einfach, schnell und günstig. Zudem garantiert die digitale Nachverfolgbarkeit eine transparente Übermittlung der Geldmittel und bietet eine einfache und schnelle Form der Geldanlage. Desweiteren können Investitionen mit eigenen Mittel in ein Anlageobjekt erfolgen, sodass sich daraus größere Handlungsspielräume für beide Seiten ergeben.
Die Investition kann hierbei schon mit relativ kleinen Beträgen erfolgen und spricht sowohl institutionellen Anlegern als auch Privatanlegern an. Tokenisierung ist damit auch eine Alternative zur Fremdkapitalfinanzierung. Nicht zuletzt spricht für diese neue Form von digitalem Anlagevermögen, dass Marktmanipulationen erheblich reduziert werden können. Denn jede Transaktion erfolgt transparent, in Echtzeit, redundant, unveränderlich, nachvollziehbar und ist jederzeit für alle Beteiligten – einschließlich der Aufsichtsbehörden – zugänglich aufgezeichnet.
Dennoch gilt auch hier, noch viele Risiken und Unabwägbarkeiten zu beseitigen, wie mangelnde Expertisen, Gefahr von Schattenfinanzsystemen, durch unzureichende Regulatoren und eine hohe Volatilität. Ein erster Schritt kam in Deutschland mit dem Gesetz für elektronische Wertpapiere. Dieses regelt, dass Schuldverschreibungen und elektronische Fondanteile rein digital vergeben werden können.
Je legitimer die Regulierung digitaler Vermögenswerte wird, desto mehr wächst Sicherheit und gesellschaftliche Akzeptanz. Denn das zunehmende Interesse an einem dezentralisierten Finanzsystem (DeFi) zeigt das rasant angestiegene Investitionsvolumen von 1 Milliarde USD Ende 2019 auf über 40 Milliarden USD bis Februar 2021. Und das Marktpotential für tokenisierte Vermögenswerte ist groß und wird in der EU bis 2024 auf 1,4 Billionen EUR geschätzt.