23. Feb 2022
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Business
Journalist: Katja Deutsch
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Foto: C.Kruppa, Arlington Research/unsplash
Markus Jerger, Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW) über die Ausbildungsmisere in Deutschland.
Das deutsche Aus- und Weiterbildungssystem gilt als Grundstein für den Erfolg der deutschen Wirtschaft. Zurecht wird Deutschland dafür im Ausland beneidet – und zurecht wird das System kopiert. Doch dieses Erfolgsmodell ist in Gefahr. Wir können uns nichts mehr einbilden auf unsere Ausbildung. Egal ob schnelles Internet, Mobilfunkabdeckung oder High Tech-Unternehmen, in der Digitalisierung hat Deutschland den Anschluss an die Weltspitze verloren. Bis auf wenige Ausnahmen spielt die Musik bei Google, Apple, Microsoft oder Facebook in den USA. Einzig China hat es durch seine protektionistische Industriepolitik geschafft, eigene digitale Champions aufzubauen. Wie abhängig man von amerikanischen IT-Schmieden ist, hat die Corona-Pandemie zu Tage gefördert. Das hat auch und gerade etwas mit Versäumnissen in der digitalen (Aus-) Bildung zu tun. Noch immer gleichen hierzulande Schule und Berufsschule vielerorts einer digitalen Wüste. Umso wichtiger ist es, dass die digitale Transformation auch in der Aus- und Weiterbildung ankommt. Doch sind vor allem in kleineren Unternehmen sowohl die zeitlichen als auch die finanziellen Mittel für Weiterbildungen begrenzt. Somit hat die Pandemie nicht neue Probleme in der digitalen Transformation ans Licht gebracht, sondern die bestehenden Probleme weiter verschärft. Bei deren Lösung sind Politik und Wirtschaft gleichermaßen gefordert. Immer mehr Mittelständler haben erkannt, dass lebensbegleitendes Lernen der Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg ist. Umfragen unter unseren Verbandsmitgliedern zeigen, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer für sich und ihre Beschäftigten in den vergangenen 24 Monaten vermehrt Weiterbildungen nachgefragt haben. Zugleich wurde deutlich, wie stark Personalmangel, Produktionsausfälle und staatlich verfügte Einschränkungen der Geschäftstätigkeit sowohl die finanziellen Mittel als auch die zeitlichen Kapazitäten für Weiterbildung begrenzt haben. Diese Defizite schwächen die nationale Weiterbildungsstrategie und erweisen sich als echter Hemmschuh für die digitale Transformation in Deutschland. Neben fehlenden finanziellen Ressourcen besteht die besondere Herausforderung in der Flexibilisierung der Weiterbildung, um den spezifischen Erfordernissen der mittelständischen Betriebe gerecht zu werden. Die nötigen Voraussetzungen dafür werden in der beruflichen Aus- und Weiterbildung geschaffen. Gefordert sind verstärkte digitale Aspekte in den Lehrplänen der Berufsschule. Zugleich bedarf es zusätzlicher Anreize für eine stärkere Beteiligung Geringqualifizierter und finanziell Bedürftiger an Weiterbildungsmaßnah-men. Weiterbildung muss vor allem dort etabliert werden, wo sich Berufsbilder schnell verändern. Und Ausbildungsberufe müssen von vornherein auch so angelegt werden, dass sie auf wechselnde Anforderungen vorbereiten. Das schließt ein, dass lebensbegleitendes Lernen für alle zugänglich ist, auch in der späteren Phase des Berufslebens. Die Transformation des Arbeitsmarkts kann nur gelingen, wenn Politik und Wirtschaft hier an einem Strang ziehen. Es gilt, das erfolgreiche deutsche Aus- und Weiterbildungssystem zukunftsfest zu machen. Davon hängen Wachstum und Wohlstand unseres Landes ab.