14. Dez 2021
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Business
Journalist: Jörg Wernien
In der Finanzwelt gibt es ein neues Buzzword: DeFi – Dezentralisierte Finanzdienste. Was ist damit gemeint, wo findet DeFi eine Anwendung und wird das die Zukunft der Finanzwelt? Prof. Dr. Volker Brühl ist Geschäftsführer des Center for Financial Studies an der Goethe-Universität, Frankfurt a.M. und der Experte für DeFi. Wir haben mit ihm gesprochen.
Unter Decentralised Finance versteht man ein Finanzsystem, in dem vor allem der Zahlungsverkehr und Wertpapiertransaktionen ohne die Einschaltung von Intermediären wie Zentralbanken, Geschäftsbanken oder Börsen abgewickelt werden. Transaktionen werden in einem dezentralen Computernetzwerk fälschungssicher durchgeführt. Als Infrastruktur dienen verteilte Datenbanken, von denen die Blockchain am bekanntesten ist.
Begonnen hat alles mit dem Bitcoin, der weder eine Zentralbank noch Geschäftsbanken zur Abwicklung von Zahlungen benötigt. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl solcher Kryptowährungen, die jedoch keine Währungen im herkömmlichen Sinne sind, da ihnen wegen ihrer hohen Preisvolatilität die Eigenschaften von Geld fehlen. Eine Sonderform sind Stablecoins, die an einen Basiswert wie den US-Dollar (Tether) oder Gold (Digix) gebunden sind. Kryptowährungen machen aber nur einen Teil des stark wachsenden De-Fi-Ökosystems aus. Andere Beispiele sind digitale Abbildungen von unterschiedlichen Rechten (Token) auf einer Blockchain. Utility Token können Zugangs- oder Nutzungsrechte im Rahmen von digitalen Geschäftsmodellen oder im Gaming repräsentieren. Andere Token werden zur digitalen Abbildung von Kunstwerken eingesetzt. Der Verkauf digitaler Wertpapiere im Rahmen eines Security Token Offerings kann für Technologieunternehmen eine Alternative zu einem Börsengang oder Venture Capital sein. Aber es bedarf klarer regulatorischer Rahmenbedingungen, um ein hohes Maß an Anlegerschutz zu gewährleisten. Zu den Anwendungsfeldern zählen auch dezentrale Kreditvergabeplattformen und „decentralised exchanges“ als Alternativen zu klassischen Börsen.
Ja. Dies sieht man am Bitcoin. Dieser spielt auch mehr als zehn Jahre nach seiner Einführung im Zahlungsverkehr keine große Rolle. Allerdings wird die Blockchain- Technologie künftig verstärkt von etablierten Finanzdienstleistern genutzt werden. Dies gilt vor allem für die effiziente Abwicklung von komplexen Finanzprodukten. Ich gehe davon aus, dass sich auf zentrale Strukturen und Intermediation setzende Geschäftsmodelle und die neue Welt der dezentralen Finanzdienstleistungen komplementär entwickeln werden. Beide Architekturen haben ihre Stärken und Schwächen und werden sich in unterschiedlichen Märkten durchsetzen.
Kryptowährungen sind als Anlageklasse aufgrund der hohen Volatilität für Privatanleger nur bedingt geeignet. In jedem Fall sollten sich Anleger gut über die Risiken informieren und auch einen Totalverlust verkraften können.
Kryptowährungen werden in Europa inzwischen von den einschlägigen Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche erfasst. Auch die Anonymität der Nutzer schützt zum Glück in vielen Fällen nicht mehr vor einer Strafverfolgung. Schlupflöcher gibt es vor allem im Darknet.
Die Infrastrukturen der bekanntesten Plattformen wie Bitcoin oder Ethereum sind aufgrund der komplexen Verschlüsselungstechniken kaum zu knacken. Der dazu erforderliche Rechenaufwand ist einfach zu groß. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Hacker die „Private Keys“ und damit den Zugang zu den digitalen Währungen stehlen. Dort liegt für den Anleger das größte Risiko, das man jedoch etwa durch die Aufbewahrung der Private Keys offline in einem Hardware-Wallet reduzieren kann.
In Ländern mit einem stabilen Bankensektor ergibt das wenig Sinn. In unserem Bankensystem hat man den Vorteil der Einlagensicherung, und in absehbarer Zeit werden Instant Payments zum Standard werden. Ich begrüße es, wenn mit dem geplanten digitalen Euro auch für Privatkunden eine digitale Alternative zum Bargeld entsteht.
Wenn der digitale Euro kommt, kann das ganz schnell gehen. Jüngere Menschen nutzen heute schon kaum Bargeld. In spätestens zwanzig Jahren ist Bargeld, wie wir es heute kennen, passé.