19. Dez 2019
|
Business
Journalist: Armin Fuhrer
Die Nachhaltigkeit der Mobilität entscheidet sich nicht nur an der Frage des Autoantriebs. Auch die Reifen sind entscheidend.
Tatsache ist: Der Verkehr gehört zu den größten Einflussfaktoren auf das Klima. Darüber muss 2020 nicht mehr diskutiert werden. Stoff für Visionen und Innovationen ergeben sich heute aus der Suche nach Lösungen. Der Suche nach echten nachhaltigen Verkehrskonzepten, vor allem in Großstädten und Ballungsgebieten: ein gut ausgebauter öffentlicher Nahverkehr, mehr Fortbewegung mit dem Fahrrad, dem E-Bike, neuerdings auch dem E-Scooter oder das Car-Sharing können den Verkehr umweltfreundlicher gestalten. Doch der motorisierte Individualverkehr auf vier Rädern wird auch in Zukunft unverzichtbar bleiben, und das nicht nur auf dem Land. Dabei geht es keineswegs nur um den CO2-Ausstoß oder die Frage nach der Antriebsart, es muss auch eine Antwort gegeben werden, wie die saubere Antriebskraft auf die Straße übertragen wird. Und da das fliegende Auto oder der im Rucksack versteckte Raketenantrieb noch lange nicht in Sicht sind, ist und bleibt das der Autoreifen.
Weitblick und Innovationskraft beweist der Reifenhersteller Michelin mit seinem neuen Reifen Uptis, dem Unique Punctureproof Tire System. Dabei handelt es sich um eine Rad-Reifen-Kombination, die völlig ohne Luftdruck auskommt. Er schont gleich auf mehreren Wegen Umwelt und Klima. Und trotz der derzeit laufenden Erprobung wurde er bereits als „Innovation des Jahres 2019“ mit dem Goldenen Lenkrad ausgezeichnet. Seine Eigenschaft, vollkommen ohne Luft über den Asphalt zu rollen, macht den MICHELIN Uptis bereits nachhaltig. Denn zu niedriger oder überhöhter Luftdruck sorgen für vorzeitigen Verschleiß des Reifens genauso wie Beschädigungen an Hindernissen oder Bordsteinkanten. Und auch durch den „guten, alten“ Plattfuss werden pro Jahr rund 200 Millionen Reifen weltweit vorzeitig ausgetauscht, obwohl sie noch längst nicht das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben. Wenn das Profil des Uptis dann doch einmal die Mindestprofiltiefe erreicht hat, ist die Lauffläche erneuerbar, was eine enorme Ersparnis an Rohmaterialien und Energie darstellt. Auch bei der Herstellung des MICHELIN Uptis stehen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft groß im Lastenheft der Entwicklung. Dazu entwickelt Michelin die heute schon eingesetzte hochkomplizierte Zermahlung von Altreifengummi zur Wiederverwertung im Neureifen kontinuierlich weiter und geht mit einer ökologisch und sozial nachhaltigen Naturkautschukgewinnung in Kooperation mit anderen Reifenherstellern beispielhaft voran.
Dabei ist der Uptis von Michelin trotz seines revolutionären Ansatzes ohne Luftdruck auszukommen, nur eine Etappe zum Reifen der Zukunft: Wie Nachhaltigkeit und Künstliche Intelligenz eine Liaison eingehen, zeigt das Visionary Concept von Michelin aus dem Jahr 2017. Bei dieser luftlosen Konzeptstudie unterbreitet eine mit dem Reifen verbundene App je nach Jahreszeit oder Reiseplanung maßgeschneiderte Vorschläge für den Reifentyp, also für die Frage, ob der Fahrer lieber mit Winter-, Sommer- oder Offroadreifen fahren sollte. In speziellen Servicestationen soll dem Reifen dann im 3D-Druckverfahren das gewünschte Profil aufgetragen oder erneuert werden, wobei nur exakt so viel Material verwendet wird, dass keine Rohstoffe verschwendet werden.
Zu den herausragenden Merkmalen der Konzeptstudie Visionary Concept gehört auch, dass der Reifen aus Recyclingmaterial wie Stroh, Holzchips, glukosehaltige Pflanzenrückstände und recycelte Haushaltsabfälle wie Orangenschalen hergestellt werden soll. Zudem soll der Reifen so ausgelegt sein, dass er den kompletten Lebenszyklus des Fahrzeugs durchhält. Ein erster Eckpfeiler dazu ist das BioButterfly-Projekt, das Michelin gemeinsam mit dem Forschungsinstitut IFP Energies nouvelles (IFPEN) und dem französischen Unternehmen Axens ins Leben gerufen hat. Anfang 2020 beginnt der Bau des ersten Prototyps einer Produktionsstätte, die aus pflanzlicher Biomasse zunächst Ethanol und anschließend Butadien als Grundstoff für synthetischen Kautschuk produziert.
Bis das Visionary Concept Realität ist, wird noch eine Weile vergehen. Den Uptis aber testet Michelin bereits auf öffentlichen Straßen. Angesichts seiner Vorteile geriet Stefan Bratzel, Direktor des Centers of Automotive Management an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach und Jury-Mitglied des Goldenen Lenkrads bei der Preisverleihung im September 2019 ins Schwärmen: „Das Konzept eines luftlosen Reifens von Michelin hat den Charakter einer Durchbruchinnovation mit hohem praktischen Nutzwert für Autofahrer“. Der Reifen habe positive Umwelteffekte und eliminiere zusätzlich das häufige Ärgernis von Reifenpannen. Ein wenig Geduld müssen Autofahrer noch haben: Der Serienstart des Michelin Uptis ist für 2024 geplant.
Informationen zu den laufenden Straßentests: www.michelin.de/reifen