Diesen Artikel teilen:

10. Jul 2023

|

Wirtschaft

Agilität, Tempo und Mehrwert

Journalist: Armin Fuhrer

|

Foto: Presse

VW setzt auf agile Methoden, Cloud-Dienste und Daten, um die Digitalisierung des Konzerns weiter zu beschleunigen, erklärt IT-Vorständin Hauke Stars.

Frau Stars, warum tun sich die erfolgsverwöhnten deutschen Autobauer noch etwas schwer bei IT und Digitalisierung im Auto?
Es macht einen großen Unterschied, ob man als Start-up mit einem Greenfield Ansatz beginnt, von der Software her denkt und das Auto „drum herum“ baut – oder als etablierter Autohersteller Innovationen in bestehende Systeme und Fahrzeuge bringen will. Bei einem Unternehmen der Größe von Volkswagen gibt es bereits in der gesamten Organisation etablierte Strukturen, Prozesse und Produktionsschritte. Diese bieten uns einerseits Sicherheit, Stabilität und große Skaleneffekte, kosten uns andererseits aber auch Geschwindigkeit und Flexibilität. Und da setzen wir bei Volkswagen mit meinem Team an: Wir wollen die IT, Organisation und Abläufe so transformieren, dass wir mehr Tempo und Agilität gewinnen, schneller zu fundierten Entscheidungen kommen und so einen messbaren Wertbeitrag zum Geschäft generieren.

Haben Sie haben schon eine Strategie?
Aber natürlich. Wir reduzieren zum Beispiel mit großer Geschwindigkeit die Komplexität unserer Prozesse und der IT-Systemlandschaft und schalten systematisch Altsysteme ab. Für Neu- und Weiterentwicklungen verfolgen wir einen „Cloud first“-Ansatz, der die weltweite Nutzung und Aktualisierung von Systemen und Applikationen vereinfacht. Auch die Art der Zusammenarbeit ändern wir nun unternehmensweit auf agile Methoden. Dabei sitzen Business und IT an einem Tisch und entwickeln gemeinsam Lösungen.

Warum sind Daten für Autobauer so wichtig?
Daten sind das neue Öl. Daher haben wir eine eigene Datenstrategie entwickelt, um diesen Schatz zu heben. Mit dem Einverständnis der Kunden können wir zum Beispiel Daten auswerten, die während jeder Autofahrt entstehen und wertvolle Einblicke in das Nutzerverhalten geben. Diese Daten können zum Beispiel verwendet werden, um Leistung und Sicherheit von Autos zu verbessern und neue Funktionen zu entwickeln, wie etwa automatisches Bremsen oder Spurhalteassistenten.

Soll die IT möglichst im eigenen Haus entwickelt werden?
Da gilt es eine Balance zu finden. Für geschäftskritische Anwendungen müssen wir die Kompetenzen im eigenen Haus haben und entwickeln. Bei Themen, die weiter weg von unserem Kerngeschäft sind, kommen Partner ins Spiel. Und auch die Nutzung von Open-Source-Software ist wichtig. Durch den Einsatz von freier Software sparen wir nicht nur Zeit und Geld, sie punktet auch bei Interoperabilität, Anpassung und Modifikation.

Spüren Sie in diesem Zusammenhang den Mangel an IT-Fachleuten?
Den spüren sicher alle. Auch deshalb müssen wir automatisieren so viel wir können. Volkswagen zieht aber nach wie vor viele Top-Talente an. Mit seinen zehn Marken ist der Konzern ein attraktiver Arbeitgeber: mit emotionalen Produkten, spannenden IT-Projekten und großartigen Entwicklungschancen für die Mitarbeitenden.

Wie läuft es beim Absatz von E-Autos?
Über den gesamten Konzern gerechnet haben wir im vergangenen Jahr rund 26 Prozent mehr vollelektrische Fahrzeuge ausgeliefert als im Jahr davor. Der Absatz an E-Fahrzeugen stieg im ersten Quartal dieses Jahres sogar um 42 Prozent gegenüber Vorjahreszeitraum. Der Trend ist also klar positiv.

„Mobilität wird sauberer, sicherer, vernetzter – und es entstehen spannende, neue Jobs.“

Wie sehen Sie die Zukunft der Autobranche als Schlüsselindustrie in Deutschland?
Es gibt viele neue, hochinnovative Technologietrends in der Automobilindustrie. Denken wir nur an intelligente Fertigungsprozesse, Digitale Zwillinge und Liefernetzwerke oder industrielles IoT. Mit 5G, Künstlicher Intelligenz und den Fortschritten beim autonomen Fahren entstehen neue Geschäftsmodelle rund um Mobility-as-a-Service. Vor allem sollten wir also aufhören, unsere eigene Industrie schlecht zu reden. Das ist eine sehr deutsche Eigenart. Wir sollten uns stattdessen auf die Chancen der Digitalisierung konzentrieren, um dieses Potenzial nun rasch und umfassend zu heben. Ich bin davon überzeugt, dass die Autobranche mit IT als Enabler ihre beste Zeit noch vor sich hat. Mobilität wird sauberer, sicherer, vernetzter – und es entstehen spannende, neue Jobs. Was wir in Deutschland brauchen, sind mehr Anreize für Investitionen, dafür weniger Regeln und Bürokratie. Und was mir persönlich ganz wichtig ist: Wir müssen die Ausbildung in MINT-Fächern deutlich stärken. Technisch-naturwissenschaftliche Kompetenzen sind der Schlüssel für die Zukunft.

Als sie klein war, wollte sie Kieferorthopädin werden. Doch dann bekam Hauke Stars ihren ersten Computer. Schnell war ihr klar: Technologie bot unbegrenzte Möglichkeiten, um die Zusammenarbeit zu verbessern, die Produktivität zu steigern und fundiertere Entscheidungen zu treffen. Und genau das wurde zu ihrer Mission.

4. Jul 2025

|

Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.

30. Jun 2025

|

Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.