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22. Jun 2023

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Wirtschaft

„Aktive Unterstützung der Energiewende“

Journalist: Armin Fuhrer

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Foto: Presse

Die Vor-Ort-Versorgung ermöglicht preisgünstigen Strom, erklärt Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft e.V.

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Robert Busch, Geschäftsführer beim Bundesverband Neue Energiewirtschaft e.V.

Herr Busch, welche Rolle spielt die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden für die Energiewende?
Über 80% der Gebäude in Deutschland werden noch immer mit Öl und Erdgas geheizt. Die Rate der Sanierungen und Heizungswechsel steigt zwar langsam, ist aber noch viel zu gering. Immerhin: Viele Menschen wollen sich unabhängig machen von galoppierenden Erdgaspreisen. Von dem Gebäudeenergiegesetz muss jetzt ein klarer Kurs in Richtung Wärmepumpen und grüne Wärmenetze ausgehen. Dafür ist eine energetische Sanierung im Rahmen einer Gebäudedämmung sicher nützlich, aber keine Voraussetzung.

Welche Vorteile hat eine Vor-Ort-Versorgung?
Vor-Ort-Versorgung beginnt im privat genutzten Einzelgebäude, reicht über Mehrfamiliengebäude und Quartiere bis hin zu Gewerbebetrieben, Industrieliegenschaften und kommunalen Lösungen.  Schließt man die einzelnen Gebäude zusammen, so kann man die vorhandenen Energiewende-Anlagen zum Nutzen aller optimieren. Nicht auf allen Dächern können PV-Anlagen installiert werden, nicht alle Keller haben Platz für einen Pufferspeicher, nicht jeder hat eine Wallbox. Durch die Vor-Ort-Versorgung können mehr Verbraucherinnen und Verbraucher an der Energiewelt teilhaben.

Ist es sinnvoller, die Sanierung für jedes einzelne Gebäude zu planen oder ein Konzept für ein Quartier zu erstellen?
Beides geht Hand in Hand. Ganz praktisch gesehen ist es natürlich einfacher, im eigenen Haus Energiewende-Technologien einzubauen. Es lohnt sich aber, über das einzelne Gebäude hinaus zu denken. Für Photovoltaik ist z.B. häufig die Größe und die Ausrichtung der Dachfläche der limitierende Faktor. Daher macht es Sinn, angrenzende Gebäude gleich mitzudenken und Energiekonzepte für ganze Quartiere zu entwickeln.

Und was versteht man unter einem Quartier?
Quartiere sind zusammenhängende Gebäudegruppen oder Stadtteile, die eine gemeinsame Energie-Infrastruktur haben. So kann zum Beispiel gemeinschaftlich erzeugter Strom auch gemeinsam genutzt und vermarktet werden. Auch clevere Wärmekonzepte lassen sich in Quartieren leichter umsetzen. Dazu zählt zum Beispiel die kalte Nahwärme, bei der ein lokales Wärmenetz mit niedriger Temperatur sehr energieeffizient die vor Ort gewonnene Erdwärme verteilt. Richtig umgesetzt wird erneuerbare Wärmeversorgung so für alle Beteiligten günstig.

Was muss ein Quartierskonzept leisten?
Ein Quartierskonzept muss zuerst alle Energieflüsse vor Ort erfassen und Potenziale erkennen. Welche Dächer eignen sich für Photovoltaik? Wie können Energiebereitstellung und -verbrauch von Strom und Wärme ausgeglichen werden, etwa durch Heimspeicher oder Elektrofahrzeuge? Die Technologien stehen schon bereit: PV-Anlagen, Wärmepumpen, Wallboxen, Speicher, lokale Energiemanagementsysteme oder intelligente Messsysteme. Eine Vor-Ort-Versorgung ist technisch längst möglich und auch bezahlbar.

Wer sollte eingebunden werden?
Wichtig ist es, alle relevanten Akteure einzubinden: die Eigentümer und Mieter der Gebäude, die Kommune und die lokalen Behörden, die Energieversorger und Netzbetreiber, die Fachplaner und Handwerker. Natürlich will nicht jeder Privathaushalt oder jeder Gewerbebetrieb selbst aktiv am Energiemarkt teilnehmen. Diese Rolle können Energiedienstleister und Plattformanbieter übernehmen.

Gibt es Unterstützung von Bund oder den Ländern?
Schon heute rechnen sich viele dezentrale Energiekonzepte. Es gibt aber auch eine ganze Reihe an staatlichen Fördermaßnahmen, die gerade reformiert werden. Über die Bundesförderung für effiziente Gebäude gibt es Zuschüsse oder zinsgünstige Kredite für energetische Sanierungen. Die Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW) unterstützt dezentrale Wärmenetzlösungen, wie die kalte Nahwärme. Zusätzlich zu dieser Grundförderung gibt es Klimaboni für den Austausch fossiler Heizungen.

Müssen die Verantwortlichen fürchten, dass irgendwann die Mittel aufgebracht sind?
Während die Neubauförderung auf rund 1 Mrd. Euro zusammengestrichen wurde, ist der Fördertopf für die Sanierung noch sehr gut gefüllt. Förderung kann aber ohnehin nur eine Übergangslösung sein. Die Transformation muss und wird sich über den Markt tragen.

Haben auch in dem Quartier angesiedelte Gewerbetreibende und Privatleute Vorteile?
Definitiv, genau darum geht es. Zwei Beispiele: Von den rund 10,8 Millionen solarfähigen Ein- und Zweifamilienhäusern werden erst knapp 10 % genutzt. Auf Mehrparteiengebäuden, Dächern von Nichtwohngebäuden und der Industrie warte ein Ausbaupotenzial im mittleren zweistelligen Gigawattbereich. Jeder, der auf Eigenverbrauch setzt, senkt seine Energiekosten und unterstützt aktiv die Energiewende. Auch clevere Wärmekonzepte lassen sich in Quartieren leichter umsetzen. Dazu zählt zum Beispiel die kalte Nahwärme, bei der ein lokales Wärmenetz mit niedriger Temperatur sehr energieeffizient die vor Ort gewonnene Erdwärme verteilt. Richtig umgesetzt wird erneuerbare Wärmeversorgung so für alle Beteiligten günstig.

Robert Busch ist seit 1999 in der Energiewirtschaft und kämpft für Erneuerbare und Wettbewerb. Wenn er nicht mit dem Fahrrad ins Büro fahren kann, fehlt ihm etwas. Geboren in Köln mag er die mediterrane Küche, kocht sie mit großer Leidenschaft und restauriert gerne alte Hollandräder.

30. Apr 2025

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Wirtschaft

Bidirektionales Laden spart Milliarden , Elektroautos können viel mehr, als „nur“ leise und ohne Abgase zu fahren

Mit bidirektionaler Ladetechnologie (BiDi) können sie Strom speichern und ins Netz zurückspeisen. Eine aktuelle Studie von Transport & Environment (T&E) zeigt, dass dies für Europas Energieversorger und Autofahrer Einsparungen in Milliardenhöhe ermöglichen könnte. Die Einsparungen resultieren aus einer effizienteren Nutzung der Erzeugungskapazitäten und einem geringeren Kraftstoffverbrauch. Um das Potenzial dieser Technologie zu nutzen, sind jedoch geeignete regulatorische Rahmenbedingungen notwendig. Laut der T&E-Studie könnte das Einsparpotenzial für Energieversorger und Verbraucher in der EU bis zu 22 Milliarden Euro jährlich betragen, was etwa acht Prozent der Kosten für das EU-Energiesystem entspricht. Von 2030 bis 2040 könnte die BiDi-Technik EU-weit mehr als 100 Milliarden Euro einsparen, allein in Deutschland bis zu 8,4 Milliarden Euro jährlich. Ein Grund für die hohen Einsparungen ist die Möglichkeit, mehr Strom aus erneuerbaren Quellen, insbesondere Solarstrom, in das Energiesystem zu integrieren. Die Nutzung der Fahrzeugakkus könnte den Bedarf an teureren stationären Speichern in der EU um bis zu 92 Prozent senken und die installierte PV-Leistung um bis zu 40 Prozent steigern. Die Halter von Elektrofahrzeugen profitieren direkt vom bidirektionalen Laden, da sie mit geringeren Stromkosten rechnen können. Zudem dürfte die Lebensdauer der Fahrzeugakkus durch optimiertes Laden steigen. In Frankreich haben The Mobility House und Renault beispielsweise das erste Vehicle-to-Grid (V2G)-Angebot eingeführt. Besitzer eines V2G-fähigen Renault 5 können mit einer speziellen Wallbox kostenfrei laden und ihren Fahrzeugakku ins Energiesystem einspeisen. Dieses Angebot soll bald auch in Deutschland und dem Vereinigten Königreich verfügbar sein. Im deutschen Markt gibt es jedoch noch Herausforderungen, wie den langsamen Roll-out von Smart Metern und die Notwendigkeit, einen passenden rechtlichen Rahmen zu schaffen. Der zweite Europäische Gipfel für bidirektionales Laden hat klare Handlungsempfehlungen ausgesprochen, die nun umgesetzt werden müssen. Dazu gehört die Abschaffung der Doppelbelastung von zwischengespeichertem Strom durch Netzentgelte und die Sicherstellung, dass „grüner“ Strom seine Förderansprüche auch bei Zwischenspeicherung im Akku behält. Die Messe „The smarter E Europe“ 2025 wird dem Thema eine eigene Sonderschau widmen, um Chancen und Herausforderungen für die Mobilitäts- und Energiebranche aufzuzeigen. Die Veranstaltung findet vom 7. bis 9. Mai 2025 in München statt und vereint vier Fachmessen: Intersolar Europe, ees Europe, Power2Drive Europe und EM-Power Europe. Die Sonderschau auf „The smarter E Europe“ wird dabei Produkte und Lösungen für das bidirektionale Laden präsentieren und Raum für Austausch und Networking bieten. ## Factbox The smarter E Europe vereint als Europas größte Messeallianz für die Energiewirtschaft vier Fachmessen (Intersolar Europe, ees Europe, Power2Drive Europe und EM-Power Europe) und findet vom 7. bis 9. Mai 2025 auf der Messe München statt. https://www.powertodrive.de/home

16. Apr 2025

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Wirtschaft

Games für einen starken Wirtschaftsstandort Deutschland – mit Felix Falk, Geschäftsführer des game – Verband der deutschen Games-Branche

Computer- und Videospiele verbinden weltweit Milliarden Menschen. Sie begeistern Jung wie Alt, Frauen wie Männer und über alle Grenzen hinweg. Technologisch setzt und entwickelt die Games-Branche die wichtigsten Trends – von Künstlicher Intelligenz über Gamification bis hin zu Virtual Reality. Mit ihrer riesigen Community und Innovationskraft sind Games zentraler Treiber der gesamten Medienindustrie. So soll der globale Markt für Games laut Marktforscher „McKinsey“ bis 2040 um bis zu 330 Prozent auf rund 910 Milliarden US-Dollar wachsen; schon heute ist der Umsatz größer als von Film und Musik zusammengenommen. In diesem global bedeutsamen Markt kann auch Deutschland zukünftig eine noch wichtigere Rolle spielen. Mit Games werden hierzulande rund 9,4 Milliarden Euro umgesetzt. Damit ist der deutsche Games-Markt bereits die Nummer 1 in Europa und der fünftgrößte weltweit. 6 von 10 Deutschen spielen Games. Das Durchschnittsalter liegt bei über 38 Jahren. Während hier nach wie vor viele Games konsumiert werden, sind Games-Produktionen aus Deutschland jedoch kaum an diesen starken Umsätzen beteiligt. Anders als an anderen Top-Standorten wie Großbritannien, Kanada oder Frankreich fehlen für die Games-Unternehmen in Deutschland verlässliche und international konkurrenzfähige Rahmenbedingungen. Diese braucht es aber, um die riesigen Chancen für Wirtschaft, Digitalisierung und Gesellschaft auch hierzulande zu nutzen. Denn die Potenziale sind da: Deutsche Games-Unternehmen sind kreativ, vielfältig und innovationsstark. Hier werden herausragende Ideen, Geschichten und Technologien auf Weltniveau geboren. Das zeigen in jedem Jahr etwa die nominierten Spiele beim Deutschen Computerspielpreis. Doch auf dem global hart umkämpften Markt – viele Titel konkurrieren um die begrenzte Zeit der Spielenden – sind wir als Branche, die noch am Anfang ihrer Aufholjagd zu den besten Games-Standorten ist, im Nachteil. Während andere erfolgreiche Länder bereits vor vielen Jahren die Weichen für eine starke Unterstützung ihrer Games-Branchen gestellt haben, haben wir in Deutschland erst vor wenigen Jahren angefangen. >Mit einem planbaren Fördermodell kann die Games-Branche endlich auch hierzulande zu einem starken Wachstums- und Innovationstreiber werden. Dafür setzen wir uns als Branche in Deutschland ein. Jetzt liegt es an der neuen Bundesregierung, ein verlässliches und konkurrenzfähiges Förderprogramm zügig aufzustellen. Ein wichtiger Schritt war dabei 2020 der Start der Games-Förderung des Bundes. Diese zeigte gerade zu Beginn eine Starke Wirkung: Die Anzahl der Games-Unternehmen und -Beschäftigten stieg deutlich an und es sind zahlreiche neue Spieleprojekte entstanden. Bedingt durch die hohe Nachfrage und die begrenzt zur Verfügung gestellten Fördermittel kam es jedoch mehrfach zu längeren Förderstopps. Das hat die positive Dynamik der vergangenen Jahre wieder zum Erliegen gebracht. Die entscheidende und wettbewerbsfähige Maßnahme ist dabei eine zusätzliche steuerliche Games-Förderung. Diese wird an international erfolgreichen Games-Standorten bereits seit vielen Jahren eingesetzt und bietet dort im Vergleich zu Deutschland Kostenvorteile von rund 30 Prozent. Aus wirtschaftlicher Perspektive würde das steuerliche Fördermodell Vorteile für den gesamten Wirtschaftsstandort bringen – so würde jeder Euro für die steuerliche Games-Förderung 4,80 Euro zusätzliche Investitionen auslösen, 3,40 Euro zusätzliche Steuereinnahmen und Sozialabgaben generieren und 8,70 Euro zusätzliche Brutto-Wertschöpfung nach sich ziehen. Mit einem planbaren Fördermodell kann die Games-Branche endlich auch hierzulande zu einem starken Wachstums- und Innovationstreiber werden. Dafür setzen wir uns als Branche in Deutschland ein. Jetzt liegt es an der neuen Bundesregierung, ein verlässliches und konkurrenzfähiges Förderprogramm zügig aufzustellen. Und wer sich von den Potenzialen, Innovationskraft und Kreativität von Games überzeugen möchte, ist auf der gamescom im August genau richtig! Von den neuesten Spielen und Gaming-Trends über die spannendsten Technologien bis hin zu E-Sport und Popkultur rund um Games: Tausende Menschen aus aller Welt treffen sich auf dem weltgrößten Games-Event vor Ort in Köln, um gemeinsam diese einzigartige Kultur zu feiern. Hunderte Millionen weltweit schalten bei den digitalen Formaten zu. Einmal im Jahr schlägt damit das Herz der Games-Welt hier in Deutschland. Eines ist aber klar: Damit auch das ganze Jahr über alle Augen auf uns gerichtet sind, braucht die Games-Branche verlässliche und international wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen!