5. Jul 2023
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Lifestyle
Journalist: Julia Butz
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Foto: Presse
„Wein ist etwas Seriöses, aber nichts sehr Ernstes.“, sagt Sommelier-Legende und Gastronom Gerhard Retter, der derzeit für sein neuestes Gastronomiekonzept in München rund 1.000 Weine zusammenstellt.
Der in der Steiermark geborene Maître und Sommelier ist ein gefragter Ratgeber für Gastronomie und Hotellerie.
Und das, obwohl der Trend in Richtung Verschlankung des Weinangebotes geht, bestätigt Gerhard Retter: „Die Weinwelt heute ist zu groß und zu facettenreich, um zu behaupten: Ich bin überall der Beste. Wenn ich mich auf eine Art wie z. B. Naturweine fokussiere oder eine Region wie bei mir, das Beste der Steiermark und heimischen Weinen aus Bayern abbilden möchte, macht das mehr Sinn als riesige Weinkeller.“ Lagerflächen, die viele Restaurants heute nicht mehr haben und zudem eine immense Kapitalbildung bedeuten.
Und wie steht es um den Trend Naturwein? „Im Zuge von Nachhaltigkeit spielen Naturweine eine große Rolle. Die Natural Winebar-Szene ist in den Metropolen unglaublich groß geworden“, sagt Gerhard Retter. Bei der Vorgabe, das unverfälschteste Produkt, das die Traube zu geben imstande ist, mit so wenig menschlichem Zutun wie möglich entstehen zu lassen, würden z. T. radikale Haltungen vertreten. Die Grenzen seien allerdings fließend. Denn wo hört der gewachsene natürliche Wein auf? Und wo wird der Einfluss des Kellermeisters größer? „Ich liebe alle guten Weine. Und freue mich sehr, wenn diese so naturnah, nachhaltig und biologisch wie möglich gewachsen sind. D. h. für mich auch in der konventionellen Art der Weinbereitung, mit gutem Einsatz von Kellertechnik.“
„Früher verachtete Nordlagen werden heute reaktiviert.“
Nach Gerhard Retter bekommen heute viele Weinbaugebiete aufgrund des Klimawandels extreme Probleme, ihren Stil und Charakter beizubehalten. Steigende Temperaturen versuchen Winzer mit mehr Begrünung, Laub und Beschattung entgegenzuwirken. Oder gehen in die Höhenlagen. „Die Trauben aus Lagen, die früher nicht reif oder zu sauer wurden, braucht es heute, um die Weine der anderen Gärten mit Frische zu versorgen.“, so Gerhard Retter. „Früher verachtete Nordlagen werden heute reaktiviert.“
Sehr spannend ist für ihn das Thema alkoholfreie Begleiter. Bei Säften werden bspw. Sommelier-Editionen gehandelt, wie Säfte aus handgepflückten Wild-Preiselbeeren oder seltenen Obstsorten wie der Hirschbirne. „Moderne Säfte sind nicht sättigend, nicht zuckerlastig, nicht pappig. Sondern haben Leben, Säure, eine animierende Frische.“ Ob in der klassischen Spitzengastronomie, beim Fine Dining oder lässigen Bistro- und Weinbar-Konzepten: Das breite Spektrum an alkoholfreien Begleitern von Kombucha, Kefir, Trinkessigen oder Mocktails ist ein kreatives, weites Feld. Und es gehe nicht in erster Linie darum, keinen Alkohol zu trinken: „Eine fantastische Alternative, die Möglichkeit gibt, mich als Gastronom zu positionieren und auszutoben - und für den Gast die Leber mal zu überraschen.“