Diesen Artikel teilen:

13. Mär 2020

|

Wirtschaft

Alles neu bei Gault-Millau

Journalist: Katja Deutsch

Für Gault-Millau beginnt die neue Dekade zumindest in Deutschland und Österreich mit bemerkenswerten Veränderungen: Neuer Investor, neuer Verlag und – besonders wichtig – neue Bewertung! Der umfassende und detaillierte Gourmet-Guide, der jährlich in 24 Ländern erscheint, wird ab der Ausgabe 2021 in Deutschland in neuer Verlagshand sein. In Österreich werden erstmals fünf Hauben als maximales Bewertungskriterium eingeführt. „Dadurch bekommen wir endlich eine einheitliche Währung“, sagt Martina Hohenlohe, die gemeinsam mit ihrem Mann Karl den Gault-Millau Österreich herausgibt. Denn in allen anderen Ländern ist die Bewertung mittels fünf Hauben schon lange Standard.

Die Test-Esser – in Österreich alleine 52 erfahrene Genießer, die seit vielen Jahren um die Welt reisen und sich nur in der gehobenen Spitzengastronomie aufhalten – sollen unter allen Umständen unerkannt bleiben sind, Köche sind bewusst nicht im Team.

Getestet wird nach einem genau festgelegten Kriterienkatalog. „In allen Ländern, bei allen Restaurants bewerten wir ausschließlich die Küche, Ambiente und Service spielen nicht mit hinein“, so Martina Hohenlohe. „Ich kann also theoretisch an einer Strandbude am Holztisch sitzen und dort eine Fünf-Haubenküche bekommen.“ Gault-Millau leistet sich dafür den Luxus eines ausgiebigen Textteils, in dem alle Details des kulinarischen Genusses beschrieben werden.

„Gault-Millau hat sich immer als der Restaurantkritiker gesehen, der die Avantgarde fördert und beschreibt“, sagt Martina Hohenlohe. „Die hoch bewerteten Betriebe sind in ihrer Küche sehr innovativ. Doch innerhalb dieser Bewertungskriterien geht es natürlich auch um Saisonalität, um Regionalität und damit Nachhaltigkeit, um Technik, und auch um Präsentation am Teller. Wir beachten bei unserer Bewertung einfach sehr viele verschiedene Dinge.“ Konnte man vor 15 Jahren in Toprestaurants zwischen mindestens drei verschiedenen Salzwasserfischen wählen, sind diese heute beinahe überall von der Speisekarte verschwunden und durch heimische Süßwasserfische ersetzt. Inwieweit folgt die Spitzengastronomie weiteren Trends? „In den letzten Jahren war zuerst die Molekularküche ganz stark, dann folgte die Nordic Cuisine, dann der Schwerpunkt Südamerika. Manches davon verschwindet wieder, vieles bleibt, allerdings eher unbemerkt.“

Denn gerade die Molekularküche war vor einigen Jahren extrem präsent für den Gast – und hat viele überfordert. Heute wird immer noch viel damit gearbeitet, aber die Gäste sehen nicht, dass Stickstoff oder eine andere Technik angewendet wurde.

Die Auszeichnung zum Koch des Jahres von Gault-Millau, die immer im Restaurant des Kochs verliehen und gefeiert wird, ist dabei wie ein Adelstitel für den Koch. Nötig sind dafür viele Jahre Arbeit auf sehr hohem Niveau. Die Auszeichnung ist wie ein Sprungbrett und sorgt für phänomenale Reservierungsanfragen. Auch noch nach drei Jahren sind die ausgezeichneten Restaurants ständig voll. „Die Auszeichnung ist ein riesiger Ansporn! Es ist sehr ergreifend und auch für uns eine der schönsten Veranstaltungen, die wir haben.

Denn die Köche laden dazu Freunde des Hauses und wir laden Presse ein. So viele Menschen feiern zusammen und freuen sich mit dem Koch – das ist ein wunderschönes Jubelfest!“

1. Okt 2025

|

Wirtschaft

Die nächsten 24 Monate entscheiden: Deutschland im Transformationsfenster – Ein Beitrag von Prof. Dr. Henning Wilts

An den Begriff „Kreislaufwirtschaft“ haben die meisten Unternehmen lange Zeit einen gedanklichen Haken gemacht: Die eigenen Abfälle werden fachmännisch entsorgt, man hatte seine Hausaufgaben gemacht. Mit der Zeitenwende als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg und seitdem völlig veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen hat sich jedoch auch das Verständnis von Kreislaufwirtschaft fundamental verändert: Von „Nice-to-have“ zur Schlüsselherausforderung eines auch mittel- und langfristig wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts, der sich schlagartig bewusst wurde, wie abhängig man doch ist von Rohstoffimporten – und der Bereitschaft vieler Länder, den Zugang zu diesen als strategisches Druckmittel zu nutzen. Dementsprechend gewinnen auch zirkuläre Geschäftsmodelle zunehmend an Bedeutung, die von Anfang an mitdenken, wie die Produkte – und damit auch die darin enthaltenen Rohstoffe – am Ende der Nutzungsphase wieder zurückkommen. Immer mehr Unternehmen experimentieren daher mit Pfandsystemen oder Leasingkonzepten – getrieben von der Idee, damit die Resilienz ihrer Rohstoffversorgung zu verbessern. Ein weiterer wichtiger Treiber sind die gesetzlichen Verpflichtungen der Unternehmen, ihre Prozesse klimaneutral aufzustellen – hier ist der Einsatz recycelter Rohstoffe natürlich nicht zum Nulltarif zu haben; auf lange Sicht sind die dafür notwendigen Technologien aber schon deutlich ausgereifter und die Kosten pro eingesparter Tonne CO2 bei entsprechender Skalierung niedriger. Aber obwohl das Thema Kreislaufwirtschaft damit immer stärker auch in den Strategieabteilungen der Unternehmen ankommt, faktisch fehlt es an einer selbsttragenden Innovationsdynamik. Noch immer beträgt das Verhältnis von recycelten Rohstoffen und Gesamtrohstoffbedarf gerade mal 13 Prozent; rechnerisch sind also 87 Prozent aller Rohstoffe noch immer Primärmaterial. Die dafür von vielen genannten Gründe sind einerseits rational: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fehlt es an finanziellen Ressourcen, um ausreichend in die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung zu investieren. Gleichzeitig ist den meisten sehr bewusst, dass Deutschland damit droht, seine eigentliche hervorragende Ausgangsbedingungen in diesem zentralen Zukunftsmarkt zu verspielen. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund im Dezember 2024 ihre „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ (NKWS) verabschiedet. Erklärtes Ziel ist es, die Transformation zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Dafür benennt die Strategie ambitionierte Ziele, beispielsweise die faktische Halbierung des Bedarfs an primären Rohstoffen; im Kern aber vor allem über 130 konkrete Maßnahmen. Diese gehen weit über Abfallwirtschaft hinaus, sondern betreffen z. B. die fokussierte Digitalisierung im Recyclingsektor, innovative Finanzierungsmechanismen oder auch Mindestrezyklatquoten, um so einen sicheren Absatzmarkt für hochwertige Sekundärrohstoffe zu schaffen. Aber natürlich ist Papier geduldig und die eigentliche Herausforderung liegt in der jetzt anstehenden Umsetzung. Ein zentraler Schlüssel wird dabei sein, Allianzen zu schaffen – zwischen all den Akteuren, die in einer Kreislaufwirtschaft profitieren wollen von den erhofften positiven Effekten für Klimaschutz, einheimische Beschäftigung, Aufträgen für den Maschinenbau usw. Die in der NKWS angekündigte Plattform muss es daher schaffen, genau solche Allianzen zu bilden und sich nicht in endlosen Debatten über die 100 Prozent perfekte Lösung zu verlieren – denn die internationale Konkurrenz schläft nicht und es ist überhaupt nicht gegeben, dass die erhofften Vorteile tatsächlich am Standort Deutschland realisiert werden. Die nächsten 24 Monate werden daher maßgeblich darüber entscheiden, ob Deutschland am Ende zu den Gewinnern oder den Verlierern der zirkulären Transformation gehören wird.