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9. Apr 2024

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Wirtschaft

Nur wenn wir als HR-Abteilung resilient und positiv bleiben, können wir unsere Mitarbeitenden gut unterstützen

Journalist: Katja Deutsch

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Foto: Presse, Donald Tong/pexels

Andrea Mehde trägt als Chief Human Relations Officer bei Wempe ein hohes Maß an Verantwortung. Sie hat selbst erlebt, wie wichtig es ist, die Resilienz zu stärken.

2023_04_Wempe_HR_Set_10_Motiv_7_4634_02_online.jpg Andrea Mehde, Chief Human Relations Officer bei Wempe

Frau Mehde, wie kann man als Personalchefin seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Sachen Resilienz unterstützen? Familienunternehmen und gerade die Luxusbranche haben hier Vorteile, denn sie unterscheiden sich massiv von anderen Branchen. So kennen die Inhaber oftmals alle Mitarbeiter persönlich und begrüßen jeden mit Handschlag. Durch diese Kultur gibt es in vielen Betrieben eine sehr positive Basis. Neben dem persönlichen Austausch sollten Unternehmen mindestens einmal im Jahr Feedbackgespräche mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen und dabei auch Punkte zum kollegialen Umgang und der Kommunikation im Team ansprechen. Fragen zur psychischen Belastung werden in solchen Gesprächen jedoch erfahrungsgemäß selten ehrlich beantwortet. Um wirklich zu sehen, ob einzelne Mitarbeitende oder gar ganze Teams überlastet sind, würde ich dazu raten, diese Fragen auf jeden Fall zu stellen – aber in einer gesichert anonymen Befragung. Um die kompetenzorientierte Resilienz zu stärken, sind regelmäßige Schulungen, Weiterbildungen, Trainings und Workshops eine gute Option. Auch Kommunikationstrainings und Führungskräftetrainings können ein wichtiger Hebel zur Resilienz sein. Und natürlich macht es in Zeiten von Nachwuchskräfte- und Fachkräftemangel Sinn, sich sehr gut um seine Auszubildenden zu kümmern und sie in vielerlei Hinsicht zu unterstützen.

Was tun Sie, damit sich Ihre Angestellten wohl und wertgeschätzt fühlen? Wir haben gute Benefits, eher ausgewogene Work Loads, flache Hierarchien, viel Entscheidungsspielraum, wenig Vorgaben, wenig starre Strukturen. Wir gehen sehr persönlich miteinander um und erleben wenig interne Politik, Egal wo man in der Hierarchie steht, jeder wird gleich geschätzt. Wir gehen sehr auf individuelle Wünsche ein und versuchen beispielsweise auch, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrer Wunschstadt einzusetzen.

Da die Work-Life-Balance der Arbeitszeiten im Handel nicht ideal ist, wurde ein Schichtmodell in den größeren Niederlassungen eingeführt, bei dem man alle zwei Wochen zwei Stunden früher anfangen und zwei Stunden früher gehen kann. Zudem werden wir die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich um zweieinhalb Stunden Schritt um Schritt verkürzen.

Was sind denn Ihre wichtigsten Kriterien bei Bewerbern? Für uns ist es sehr wichtig, dass wir Menschen einstellen, die zu dieser herzlichen und warmen Unternehmenskultur passen und ein extrem hohes Maß an Serviceorientierung mitbringen. Wer sich in starren Regelwerken und Rahmenbedingungen wohlfühlt, wird bei uns nicht glücklich. Unsere Bewerberinnen und Bewerber sollten neugierig sein und eine ausgeprägte Empathie mitbringen. Sie müssen Spaß am Umgang mit Menschen und an einer höchst individuellen Beratung haben und sich dabei selbst durch Individualität auszeichnen.

Warum ist Resilienz ohne HR so schwierig? Wir haben eine sehr zugewandte HR-Abteilung, in der die Mitarbeitenden ihr Herz ausschütten. Damit wir als HR-Managerinnen und HR-Manager selbst so positiv bleiben, habe ich zusammen mit Goldradt Consulting ein Resilienz-Pilottraining entwickelt. Denn durch Corona mussten wir viel abfedern, haben das Hygienekonzept geschrieben, Kurzarbeitsverträge gemacht, viermal im Jahr 800 Verträge neu geschrieben. Außerdem sind während Corona sehr viele Leute aus dem Handel weggegangen und nicht mehr zurückgekommen. Wir hatten also ein Recruitingproblem – denn als die Pandemie vorbei war, hatten wir einen unglaublichen Kundenansturm.

Dann kam ein Gesetz nach dem anderen, das wir umsetzen mussten. Durch das Resilienztraining haben wir gelernt, uns besser abzugrenzen und auch mal Nein zu sagen, Gespräche zu verkürzen, Hilfestellung zu geben statt die Problemlösung an uns zu ziehen. Denn nur wenn wir als HR resilient, positiv und serviceorientiert sind, sind wir ein gutes Vorbild für das Unternehmen. Ich habe mir vorgenommen, dieses Training bei Bedarf auch sofort in einer anderen Abteilung einzusetzen.

Um noch mehr dieser internen Trainings anbieten zu können, gibt es jetzt auch eine Head of Training in unserem HR-Team, die sich auch um unsere sehr raren und wertvollen Uhrmacher-Azubis kümmert und sie nach der Ruhe und Abgeschiedenheit ihrer Ausbildung auf den manchmal hektischen Alltag in den Niederlassungen vorbereiten wird. Denn in Zukunft wollen wir unsere Kompetenz als Hersteller stärker betonen. Schließlich produzieren wir neben einer eigenen Schmuckkollektion auch eigene Uhrenlinien und sind das einzige Unternehmen in Deutschland, das eine Chronometerprüfung nach deutscher Norm durchführt.