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28. Sep 2023

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Wirtschaft

„Am besten jetzt in KI investieren“

Journalist: Armin Fuhrer

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Foto: Presse

Künstliche Intelligenz steigert Effizienz, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, erklärt KI-Experte Professor Patrick Glauner.

Herr Glauner, lange galt KI in der Logistik als eine Art Hype oder Modethema. Wie sehen Sie als Professor für Künstliche Intelligenz an der Technischen Hochschule Deggendorf die Entwicklung – hat sich das inzwischen geändert?
KI ist inzwischen viel präsenter als früher und das hat vor allem mit der Veröffentlichung von ChatGPT zu tun. Einerseits ist nach wie vor viel Hype dabei, andererseits kommt KI jetzt aber auch voll im Markt an, weil KI-Anwendungen zunehmend auch in der Logistik-Branche eingesetzt werden. Nichtsdestotrotz können die Unternehmen an dieser Stelle noch viel mehr tun.

Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang Daten?
In der KI gibt es verschiedene Richtungen wie zum Beispiel regelbasierte Systeme und maschinelles Lernen, das heute sehr beliebt ist. Hier sind Daten essenziell, denn wir wollen ja gerade nicht mehr Regeln beschreiben wie bei den Expertensystemen, sondern Muster in Daten finden. Daher benötigen wir sehr viel davon. Aber noch wichtiger als die reine Quantität ist deren Qualität, denn Daten mit schlechter Qualität nutzen uns nichts.

Welche Vorteile bietet der Einsatz von KI? Können Sie ein paar Beispiele nennen?
KI bringt zum Beispiel viele Vorteile in dem Bereich Service und Kundenservice sowie der Kommunikation mit den Kunden, wie sie zum Beispiel durch Chatbots funktioniert. Weitere Beispiele sind die Transportplanung und die bessere Auslastung von Ressourcen und das Erkennen von Anomalien wie zum Beispiel Betrug. Ebenso kann sie bessere Absatz- und Bedarfsprognosen erstellen und das Verpacken im Lager effizienter gestalten als Menschen das können. Nicht zuletzt sollten man auch das Thema Compliance im Auge haben, denn das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz stellt eine große Herausforderung gerade für mittelständische Unternehmen dar.

KI führt also insgesamt zu einer Steigerung der Effizienz. Können Unternehmen dadurch auch ihre Kosten senken?
KI wird ja grundsätzlich zur Optimierung eingesetzt. So kann man beispielsweise den Zeitaufwand reduzieren, aber natürlich gehört auch die Kostenreduzierung dazu. Denn KI plant zum Beispiel besser als der Mensch es kann, der unnötige Ressourcen verschwendet – und das kostet das Unternehmen am Ende Geld. Also ganz klar: Der Einsatz von KI kann die Kosten reduzieren.

Wir wollen unseren Wohlstand erhalten und idealerweise ausbauen, und das wird ohne eine massive Automatisierung nicht möglich sein. Daher rate ich dazu, den Wandel mitzugestalten, bevor man von ihm weggestaltet wird.

KI übernimmt vieles, was bisher Menschen gemacht haben. Nimmt sie nicht automatisch Arbeitsplätze weg?
Der Arbeitsmarkt verändert sich ständig und das wird auch durch KI der Fall sein. Aber wir haben derzeit einen gigantischen Fachkräftemangel, der sich in den nächsten Jahren noch dramatisch verschärfen wird. Daher sollte das Thema Arbeitslosigkeit die geringste aller Sorgen sein, wenn wir uns mit KI beschäftigen. Wir wollen unseren Wohlstand erhalten und idealerweise ausbauen, und das wird ohne eine massive Automatisierung nicht möglich sein. Daher rate ich dazu, den Wandel mitzugestalten, bevor man von ihm weggestaltet wird. Das bedeutet auch, dass sich jeder weiterbilden muss.

Ein weiteres wichtiges Stichwort ist die Nachhaltigkeit. Sind durch den verstärkten Einsatz von KI positive Effekte zu erwarten?Grundsätzlich ja, denn KI dient zur Optimierung und das bedeutet, auch zur Optimierung von Verbräuchen – und das ist ein großer Beitrag zur Nachhaltigkeit. Man kann KI zum Beispiel nutzen, um Ressourcenverbräuche zu reduzieren, indem man weniger Trucks benötigt und dadurch auch weniger Treibstoff verbraucht. Auch Smart Grids, also intelligente Energienetze, spielen an dieser Stelle eine Rolle – und das sind nur zwei Beispiele. 

Raten Sie denn den Unternehmen, trotz der wirtschaftlich schwierigen Zeiten in KI zu investieren?
Das sollten sie unbedingt tun – und zwar gerade jetzt. Denn gerade jetzt herrschen die Schwierigkeiten, die mit KI zum Teil behoben werden können. Natürlich kann man immer sagen, dass es gerade der falsche Zeitpunkt sei für Investitionen. Aber wir sind in einer Situation, in der wir vieles neu denken müssen und da kann KI eine große Chance sein. 

Wenn Sie ein Fazit ziehen: Wie groß werden die Veränderungen durch die KI in der Logistik-Branche sein? Stellt sie alles auf den Kopf?KI wird nicht komplett alles verändern, man wird auch in der Zukunft weiterhin Trucks brauchen, um die Waren zu transportieren. Aber sie wird einen großen Beitrag zur Steigerung der Effizienz leisten, und das bedeutet auch zur Wettbewerbsfähigkeit. Sie ist also eine große Chance und man sollte daher am besten jetzt in KI investieren. Wir sollten uns nicht von Ängsten treiben lassen, sondern die Chancen sehen.

An seinem Leben als Professor an der Technischen Hochschule Deggendorf schätzt Patrick Glauner, Vater von zwei kleinen Kindern, die Möglichkeit, einen großen Teil seiner Arbeitszeit und auch der Themen, mit denen er sich beschäftigt, frei einteilen zu können. Das gilt gerade vor dem Hintergrund, dass seine Arbeitswoche nicht selten 70 Stunden hat.

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.