Hier ist ein Portrait von Felix Ahlers

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9. Apr 2024

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Wirtschaft

Auf die Mitarbeiter kommt es an – Interview mit Felix Ahlers

Journalist: Silja Ahlemeyer

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Foto: Presse

Felix Ahlers, Vorstandsvorsitzender der Frosta AG, spricht darüber, wie er für sein Unternehmen in schwierigen Zeiten Widerstandsfähigkeit aufbaut.

Herr Ahlers, was ist die wichtigste Eigenschaft eines Unternehmens, um in unvorhersehbaren Zeiten erfolgreich zu sein?

Ich denke, das sind mehrere Dinge. Zum einen ist es die Fähigkeit, seine Mitarbeiter gut zu involvieren. Die Chefetage muss ihre Leute mitnehmen, um deren volle Unterstützung zu bekommen. Dann ist es die Eigenschaft, langfristig denken zu können. Man muss wissen, dass man nicht alles in sechs Monaten schafft, sondern langfristig, beispielsweise auf fünf Jahre, planen. Und es braucht Durchhaltevermögen. Wie ein Marathonläufer, man darf nicht bei jedem kleinen Durchhänger sofort aufgeben.

Wofür braucht ein Unternehmen Resilienz, also Widerstandskraft?

Sie ist wichtig, damit man eben schwierige Perioden durchhält. Und um resilient zu werden, muss man in guten Zeiten Reserven aufbauen, für ein finanzielles Polster sorgen und vor allem verschiedene Dinge vorausschauend durchdenken. Ich beschäftige mich beispielsweise schon frühzeitig damit, was passiert, wenn der Strom ausfällt oder wie ich reagiere, wenn es zu einer Situation kommt, die dem Unternehmen Schaden zufügen kann.

Frosta gibt es seit 1961. Wie viele andere Unternehmen auch haben Sie Höhen und Tiefen erlebt. Zu welchen Zeiten der Geschichte hat der Firma eine besondere Resilienz bewiesen?

Das war zu unserem Tiefpunkt im Jahr 2003, als wir das Reinheitsgebot eingeführt haben. Wir hatten seit zwei Jahren daran gearbeitet. Unsere Erwartungen an die neuen Produkte ganz ohne Zusatzstoffe war sehr hoch, doch unser Umsatz brach um 40 Prozent ein. Wir mussten Mitarbeiter entlassen und haben in diesem Jahr über acht Millionen Euro Verlust gemacht. Doch wir haben das durchgehalten. Alle Mitarbeitenden waren überzeugt, dass wir inhaltlich das Richtige tun, und sind den Weg mitgegangen. Wir haben uns dann gemeinsam angeguckt, was schief gelaufen ist und Fehler, gerade auch in der Kommunikation, korrigiert.

Welche konkreten Maßnahmen setzen Sie heute um, um die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens zu stärken?

Wir beobachten sehr genau, was in der Welt und in unserer Branche passiert. Zum Beispiel beim Gemüseanbau in Bezug auf den Klimawandel: Da bemerken wir, dass sich Ernten verändern, der Paprikaanbau etwa wandert von Südspanien hoch bis zur Mitte Frankreichs. Und darauf bereiten wir uns jetzt vor, dass in Zukunft vielleicht die Ernten nicht mehr sicher sind oder anders verlaufen werden. Auch beim Thema Fischfang planen wir langfristig, um die Bestände in den Meeren zu sichern. Wir überlegen, wo wir wann was fischen können, und das verändert sich regelmäßig.

Wie schulen Sie Ihre Mitarbeiter im Umgang mit Krisen und Herausforderungen?

Hier geht es ja eher um die Haltung. Wir versuchen unseren Mitarbeitern nahezubringen, dass Fehler erlaubt und Krisen auszuhalten sind, wenn man was daraus lernen kann. Es geht immer um die Frage: Was haben wir daraus gelernt?

Frosta hat gerade zum 4. Mal den Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie "Fleisch-, Fisch- und Proteinverarbeitung" gewonnen. Nachhaltigkeit ist bei Ihnen ein großes Thema.

Ja klar. Nachhaltigkeit ist wirklich wichtig, sie kostet aber auch Geld. Und um sie umzusetzen zu können, muss eine ganze Kette von Dingen passieren. Die Verbraucher müssen ja für mehr Nachhaltigkeit etwas mehr bezahlen. Ich muss also meine Sache so gut erklären, dass die Menschen dazu auch bereit sind. Unser Ansatz ist, sehr transparent und glaubwürdig zu sein, damit die Leute wissen, wie wir arbeiten. Es gibt zum Beispiel bei uns keine Verpackung, wo nicht draufsteht, woher die Zutaten kommen. Wir deklarieren alles, auch über den gesetzlichen Rahmen hinaus. Das ist in der Lebensmittelindustrie absolut kein Standard. Doch wenn man glaubwürdig ist, dann ist man auch in der Lage, Nachhaltigkeitsthemen passend zu kommunizieren. Und das ist notwendig, denn wichtige Themen müssen auch beim Verbraucher ankommen.

Wie sieht Ihre Prognose für die Zukunft der Lebensmittelindustrie aus?

Die Forderungen der Verbraucher in Bezug auf Transparenz und Gesundheit werden größer werden. Die Menschen legen heute mehr Wert darauf als früher. Zudem glaube ich, dass das Lebensmittelgesetz strenger werden wird, und Produkte werden eine deutlichere Kennzeichnung benötigen. Ich würde das begrüßen, denn strengerer Gesetze bedeuten auch, dass sich der Wettbewerb insgesamt verbessert und die Qualität der Produkte ansteigt.

Interessanter Fakt:

Für lokale Wertschöpfung

Felix Ahlers ist nicht nur CEO von Frosta, sondern auch Gründer einer Kaffeerösterei in Äthiopien. „Solino“ produziert und verpackt seinen Kaffee im Anbaugebiet, anders als in der Branche üblich. Das liegt an Ahlers’ Sinn für soziale Gerechtigkeit: Auch die besser bezahlten Jobs sollen im Ursprungsland verfügbar sein.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Warum deutsche Gründlichkeit KI nicht killt, sondern krönt – mit Markus Willems, Geschäftsführer der wibocon GmbH

![Markus Willems-2025 Online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Markus_Willems_2025_Online_14a23ae24b.jpg) ``` Markus Willems, Geschäftsführer der wibocon GmbH ``` Die Integration von Künstlicher Intelligenz in die deutsche Wirtschaft erfordert einen strategischen Balanceakt. Unternehmen müssen robuste Dateninfrastrukturen schaffen, in Fachkräfte investieren und eine Innovationskultur etablieren, die KI als Werkzeug versteht, nicht als Bedrohung. Die Absicherung von KI-Modellen gegen Angriffe wie Model oder Data Poisoning verlangt einen ganzheitlichen Ansatz: kontinuierliches Monitoring, regelmäßige Audits und die Implementierung des „Security-by-Design”-Prinzips. Besonders wichtig ist die Nachvollziehbarkeit von KI-Systemen durch transparente Dokumentation der Trainingsverfahren und Datenquellen. „Trustworthy AI” bedeutet im Cybersicherheitskontext konkret: Robustheit gegen Manipulationen, Transparenz in Entscheidungsprozessen und nachvollziehbare Compliance-Mechanismen. Deutschland kann hier durch die Verbindung seiner traditionellen Stärken in Qualitätssicherung mit innovativen KI-Ansätzen Standards setzen – nicht durch übermäßige Regulierung, sondern durch praxisnahe Zertifizierungsverfahren und Best Practice-Richtlinien. Die Cybersicherheitsanforderungen werden zur Chance, wenn sie sich als Qualitätsmerkmal „Made in Germany” etablieren lassen. Deutsche Unternehmen können durch vertrauenswürdige KI-Lösungen internationale Wettbewerbsvorteile erzielen – vorausgesetzt, Sicherheitsanforderungen werden nicht als Innovationshemmer, sondern als Qualitätstreiber verstanden. Dabei lässt sich die technologische Abhängigkeit von Cloud-Anbietern durch hybride Ansätze reduzieren: Kritische Prozesse können in europäischen Cloud-Infrastrukturen verbleiben, während standardisierte Schnittstellen die Interoperabilität sicherstellen. Entscheidend ist stets die Entwicklung souveräner Kompetenzen für Datenverarbeitung und -analyse, ohne sich vom globalen Innovationsökosystem abzukoppeln. Letztlich wird erfolgreiche KI-Integration in Deutschland davon abhängen, ob es gelingt, Sicherheit nicht als Gegenpol zu Innovation zu begreifen, sondern als deren Fundament. >Deutsche Unternehmen können durch vertrauenswürdige KI-Lösungen internationale Wettbewerbsvorteile erzielen – vorausgesetzt, Sicherheitsanforderungen werden nicht als Innovationshemmer, sondern als Qualitätstreiber verstanden.