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8. Okt 2019

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Lifestyle

„Aus der Sehnsucht nach Abenteuer wurde Engagement gegen Völkermord und Verstümmelung“

Journalist: Katja Deutsch

Rüdiger Nehberg hat viele unberührte und gefährliche Gebiete durchquert. Anfangs aus Abenteuerlust, später, um sich gegen Ausrottung und Genitalverstümmelung zu engagieren.

Dichtester Dschungel, staubigste Wüste, wildeste, krokodilreiche Flüsse und stürmische Meere – es gibt nichts, was Rüdiger Nehberg nicht magisch angezogen hätte. Der unbändige Drang, aufzubrechen und loszuziehen überfiel ihn schon als Dreijährigen, als er alleine los lief, um seine Oma zu besuchen. Ein paar Jahre später, während seiner Bäckerlehre, wurde ihm endgültig klar: Das gleichförmige bürgerliche Leben ist ihm zu langweilig. Während er seinem Vater gegenüber vorgab, in Paris Französisch zu lernen, radelte Rüdiger Nehberg wochenlang mit einem selbst zusammengebauten Fahrrad von Hamburg nach Marokko.

   

Foto: Rüdiger Nehberg

„Ich wollte dort nichts weiter als Schlangenbeschwörung lernen“, erzählt der mittlerweile 84-Jährige. „Um später im Hansatheater mit sechs Kobras gleichzeitig auftreten zu können. Damit wollte ich Geld verdienen, um mich schnell selbstständig machen zu können.“ Das mit dem Beschwören hat nicht ganz geklappt, seine eigene Konditorei eröffnete er – viele Radtouren später – trotzdem. Den meisten anderen Menschen hätte ein aufreibendes Leben als Chef von 50 Mitarbeitern völlig gereicht, nicht so Rüdiger Nehberg. Als er das Buch „Abenteuer am Blauen Nil“ in die Hände bekam, packte ihn die Sehnsucht nach der Wildnis erneut mit voller Wucht. Und ließ ihn von da an nie wieder los. In dem Buch beschreibt ein junger Schweizer, wie er versucht, den Blauen Nil hinab zu fahren und dabei überfallen und verletzt wird.

„Sein Buch hat mich so inspiriert, ich war so begeistert von 1.000 Kilometern Afrika pur, der Fluss, das Ufer voll mit Krokodilen, Flusspferden, Tsetsefliegen, Malariamücken… da wollte ich hin!“ Am Blauen Nil würde er zum ersten Mal weitab jeglicher Zivilisation sein! Die deutsche Botschaft riet dem Deutschen dringend von seinem Plan ab. Zehn gescheiterte Versuche hätte es bisher gegeben – Attacken der Bewohner, ermordete Nilbefahrer, Angriffe von Krokodilen, zerschellte Boote und anderes.

Doch die Warnung war für Nehberg wie eine Gebrauchsanweisung. Er setzte sich hin und studierte US-Bücher über Survival-Training, wollte alle denkbaren Gefahren analysieren und sie innerlich durchgehen. Doch wie schafft man es, sich im gepflegten Hamburg beispielsweise auf aggressive Krokodilangriffe vorzubereiten? „Indem man ein Boot hat, das so stabil ist, dass sie es nicht zerfetzen können. Das haben meine beiden Freunde und ich selbst gebaut. Es bestand aus Hartschaum und war gepanzert mit Glasfaser und Polyester, also unsinkbar.“ Und tatsächlich: Auf dem breiten Strom griffen die riesigen Krokodile an, rammten das Boot von unten, verbissen sich darin. Rüdiger Nehberg lebte regelrecht auf, darauf hatte er schließlich gewartet. Diese erste Reise wurde allerdings jäh von einem quer liegenden Baum gestoppt. Der zweite Versuch endete mit dem heimtückischen Mord an Kameramann Michael Teichmann, bis heute seine schlimmste Erinnerung. Etwa ein Dutzend vermummter und bewaffneter Männer war eines Morgens vor ihrem Zelt aufgetaucht, sie schossen ohne Warnung aus allen Rohren und trafen Michael in den Kopf.

   

Fotos: Rüdiger Nehberg

Dass die beiden Deutschen lebend davongekommen sind, war Survival: „Unter unserem Hemd trugen wir Tag und Nacht einen Überlebensgürtel, in dem sich neben Geld auch Angelhaken, Feuerzeug, ein Messer und ein Revolver befanden. Bevor die Männer nachgeladen hatten, hatten wir schon zurückgeschossen. Sie flohen. Erst jetzt merkten wir, dass Michael tot war. Wir nahmen ihm seinen Revolver ab, ließen alles andere zurück, stürzten uns ins Boot und paddelten davon, so schnell wir konnten. Nach fünf Tagen erreichten wir die Zivilisation.“ Die Mörder wurden gefangen und zu langen Haftstrafen verurteilt. Das Fazit seiner Nil-Expedition: Man kann allem in der Natur trauen, aber nicht dem Menschen. 

 Anfangs reist der Hamburger aus purer Neugier auf die Welt, aus Interesse an anderen Lebensweisen, Spaß an Abenteuern, Bereitschaft zum Risiko. Dann mischte sich zunehmend soziales Engagement darunter, das begann, als er vom drohenden Genozid an den Yanomami-Indianern im brasilianischen Regenwald erfuhr. Geschätzt 65.000 illegale Goldgräber waren damals in das Amazonasgebiet zwischen Venezuela und Brasilien eingefallen und kurz davor, die rund 12.000 indigenen Ureinwohner auszurotten. Rüdiger Nehberg hörte davon und ging allein und nur mit Badehose und Mundharmonika ausgestattet in den Dschungel, wo er Augenzeuge der Gewalttaten wurde. Um den Ureinwohnern zu helfen, beschaffte er sich Filmmaterial und veranstaltete waghalsige Aktionen wie mit einem Baumstamm den Atlantik zu überqueren (und dabei Appelle an den Staatspräsidenten auf das Segel zu schreiben) und zu Fuß nach Rom zu gehen, um dem Papst um Hilfe zu bitten. Schließlich durfte er vor der Weltbank sein Beweismaterial präsentieren. Im Jahr 2000 reichte der internationale Druck aus: Die Yanomami erhielten ihr gesichertes Schutzgebiet.

Durch die Kunst des Überlebens in der Wildnis – Survival – gelangte er zu Menschen, die die meisten von uns niemals zu Gesicht bekommen, jeder davon auf seine Weise ein Spezialist. Eskimos, Beduinen, Soldaten, Buschleute, Indianer. Er absolvierte Spezialkurse bei den Kampfschwimmern und Marinepiloten. Geriet immer wieder in brenzlige Situationen, entkam 26 Mal knapp dem Tode. Er gilt als Vater des Abenteuers mit Sinn. Journalisten „adelten“ ihn „Sir Vival“.

Dann die erneue Wende. Er und seine Frau Annette wurden Augenzeugen des Dramas der weiblichen Genitalverstümmelung. Es widerfährt 6.000 bis 8.000 Kindern in 35 Ländern – täglich. Als das Paar hörte, dass die meisten Opfer Muslimas sind und der Brauch falsch mit dem Koran gerechtfertigt wird, wussten sie: Das wollen wir ändern; und zwar gegen den Zeitgeist in enger Partnerschaft mit dem Islam. Nehberg hatte im Laufe seines Lebens immer wieder positive Erfahrungen in der islamischen Welt gemacht. „Ohne die Gastfreundschaft wäre ich gar nicht mehr am Leben. Ich schulde den Islam Dank. 

Foto: Rüdiger Nehberg

Kurzentschlossen gründeten die beiden ihren eigenen Verein TARGET e.V.. Zum einen sind sie damit weiter im brasilianischen Regenwald aktiv für das Urvolk der Waiåpi, die sie mit drei Krankenstationen betreuen, zum anderen ist es der Kampf gegen den „größten Bürgerkrieg der Menschheit - seit 5000 Jahren, die Gesellschaft gegen die Frauen“. Was der Survivalkönig bei seinem Einsatz für die Yanomami gelernt hatte, praktizieren er und Annette auch jetzt. Sie beschaffen Filmmaterial über das Verbrechen, um damit die Entscheidungsträger zu konfrontieren, denn Männer sind bei den Operationen selten zugegen.

Wohin die beiden Norddeutschen kamen, wurden sie mit offenen Armen empfangen, schafften es 2006 sogar bis auf die „Internationale Gelehrtenkonferenz“ in der Azhar zu Kairo unter der Schirmherrschaft von Ägyptens Großmufti Ali Gom’a, wo Annettes Film gezeigt wurde. Das Resultat der Konferenz hat islamische Geschichte geschrieben. Wortlaut aus der Fatwa, dem Rechtgutachten: „Weibliche Genitalverstümmelung ist ein strafbares Verbrechen, das gegen höchste Werte des Islam verstößt!“

Im Anschluss dokumentierte TARGET die Reden der Gelehrten im sogenannten „Golden Buch“, einer Predigtvorlage für die Imame in den Moscheen und verteilte es bisher in vier Ländern.

Doch Rüdiger Nehberg geht das alles zu langsam. Er ist 84. Deshalb lebt er nur noch für einen einzigen Plan: Die Ächtung der Verstümmelung am heiligsten Ort des Islam, in Mekka. Doch dazu bedarf es der Mitwirkung des saudischen Königs, dem Erben des Propheten und Alleinentscheider über die Heiligtümer Mekka und Medina. Die Antwort auf den Brief, den er im Juli an den saudischen König geschrieben hat, steht noch aus.

29. Dez 2025

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Gesundheit

Gesund & Aktiv im Alter

### Pilates – tiefenwirksame Praxis Ideal für Best Ager: Das sanfte, gelenkschonende Ganzkörpertraining kann nicht nur mit eingeschränkter Beweglichkeit praktiziert werden, sondern wirkt auch altersbedingten Beschwerden entgegen. In jeder Pilates-Stunde werden neben Muskelkraft, Stabilität und Mobilität auch Koordination und Gleichgewicht trainiert. Die Übungen lassen sich im Sitzen, Stehen oder Liegen durchführen und werden an Fitnesslevel und Leistungsstand angepasst. Es werden dabei gezielt die tiefliegenden Muskeln in Bauch, Rücken und Beckenboden angesprochen – jene Muskulatur, die für Stabilität, Gleichgewicht und Sturzprävention wichtig ist. Regelmäßiges Training sorgt so für erhöhte Beweglichkeit, eine verbesserte Körperhaltung und Balance und kann sogar dauerhaft den Blutdruck senken. Um die richtige Atemtechnik zu erlernen, sollte unbedingt ein Einstiegskurs in dieser Altersgruppe besucht werden. Bei körperlichen Einschränkungen finden sich unter den rund 500 unterschiedlichen Bewegungsmuster immer genügend Ausweichübungen. ![pexels-roodzn-34314432 ONLINE.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/pexels_roodzn_34314432_ONLINE_01d8168c42.jpg) ### Schwimmen – schwerelos sporteln Auch diese Sportart kann Senioren uneingeschränkt empfohlen werden – bei konkreten Gelenkschmerzen fallen lediglich einzelne Schwimmstile ins Wasser beziehungsweise sollten durch andere ersetzt werden. Das Besondere: Im Wasser wird das Körpergewicht um ein Vielfaches aufgehoben. Bedingt durch die Schwerelosigkeit werden die Gelenke geschont und die Muskeln sanft trainiert – und zwar alle großen Muskelgruppen. Schwimmen ist quasi ein Allrounder, denn die Aktivität verbessert Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit. Regelmäßiges Training stärkt das Herz-Kreislauf-System, regt den Stoffwechsel an und kann sogar die Cholesterinwerte senken. Es kommt sogar noch besser: Das Immunsystem wird gestärkt, Stress abgebaut und die Koordination verbessert. Von den komplexen Bewegungsabläufen profitieren übrigens auch die kognitiven Fähigkeiten: Studien belegen, dass regelmäßiges Schwimmen das Demenzrisiko senken beziehungsweise einen Demenzverlauf positiv beeinflussen kann. Wer mit sämtlichen Schwimmstilen Schwierigkeiten hat, kann es mit Aqua-Fitness versuchen. ![pexels-pavel-danilyuk-6874403 Online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/pexels_pavel_danilyuk_6874403_Online_a2532ecc8e.jpg) ### Nordic Walking – echter Selbstläufer Die gelenkschonende Alternative zum Joggen gehört wahrscheinlich zu den beliebtesten Best Ager-Sportarten. Kein Wunder: Nordic Walking ist einfach umzusetzen, stärkt die Muskulatur, verbessert die Koordination und Körperhaltung und fördert die Herz-Kreislauf-Gesundheit. Durch den Stockeinsatz wird nicht nur der Bewegungsapparat entlastet, sondern zusätzlich Arm-, Schulter- und Rückenmuskulatur trainiert. Das ursprünglich für finnische Skilangläufer entwickelte Sommertraining reguliert den Blutdruck und trainiert die Herzgefäße: Das Herz wird kräftiger durchblutet und mit Sauerstoff versorgt. Darüber hinaus aktiviert regelmäßige Praxis den Hormonhaushalt, stärkt das Immunsystem und beugt Osteoporose und Altersdiabetes vor. Die koordinierte Bewegung festigt die Balance und fördert die koordinativen Fähigkeiten des Gehirns. Darüber hinaus wirkt sich die Bewegung in der freien Natur positiv auf die Psyche aus: Stress kann abgebaut und depressiven Verstimmungen entgegenwirkt werden. Wer nicht allein walkt, hat auch im sozialen Bereich einen echten Lauf. ![pexels-pack2ride-85580365-8934510 ONLINE.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/pexels_pack2ride_85580365_8934510_ONLINE_ca5f7bad72.jpg) ### Radfahren – läuft wie geschmiert Für das Fahrrad ist man im Grunde nie zu alt. Bei moderatem Tempo ist die gelenkschonende Aktivität ein optimales Ausdauertraining, welches das Herz-Kreislauf-System auf sanfte Weise in Schwung bringt. Neben Herz und Lunge werden eine Reihe von Muskelgruppen (insbesondere die Beinmuskulatur) gestärkt. Darüber hinaus kräftigt Radfahren das Immunsystem und beeinflusst das vegetative Nervensystem positiv. Es ist zudem eine herrliche Schulung für Koordination und Gleichgewicht: Eine Studie belegt bei aktiven älteren Fahrradfahrenden weniger Stürze im Alltag. Ein weiteres Plus für Best Ager: Biken trainiert die Gehirnleistung und stärkt kognitive Funktionen. Auch die mentale Gesundheit profitiert, denn die Kombination aus Bewegung und Naturerlebnis wirkt stressabbauend und stimmungsaufhellend. Studien betonen zudem eine Stärkung sozialer Kontakte durch den erweiterten Aktivitätsradius, welche sich ebenfalls positiv auf die Psyche auswirkt.

29. Dez 2025

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Gesundheit

Warum die Zukunft pflanzlich isst – mit Katrin Kasper, PR-Expertin für pflanzliche Ernährung und Foodtrends

![Katrin Kasper_credit_Dennis Williamson Online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Katrin_Kasper_credit_Dennis_Williamson_Online_358773f745.jpg) ``` Katrin Kasper, PR-Expertin für pflanzliche Ernährung und Foodtrends ``` Immer mehr Menschen essen weniger Fleisch, Wurst und Milchprodukte. Sie ernähren sich pflanzlicher – nicht, weil sie müssen, sondern weil sie können. Sogar Discounter eröffnen heute eine vielfältige, genussvolle Welt an pflanzlichen Lebensmitteln. Wer sich darauf einlässt, merkt schnell: Es geht nicht um Verzicht, sondern um eine Bereicherung: Neue Aromen, neue Texturen, neue Möglichkeiten – die pflanzliche Küche ist längst dort angekommen, wo Genuss, Gewissen und Gesundheit zusammenfinden. Das Bewusstsein dafür wächst, wie sehr uns diese Ernährungsform guttut. Viele spüren bereits nach kurzer Zeit, wie sich mehr Leichtigkeit, Energie und Wohlbefinden einstellen. Pflanzlich zu essen wird zu einer Form von Selbstfürsorge und Wertschätzung – für den eigenen Körper ebenso wie für die Natur, unsere Mitgeschöpfe und die Gesellschaft. Nur ein Beispiel: Die internationale Forschungsgruppe Zero Carbon Analytics rechnet vor, wie weniger Fleischkonsum unser Gesundheitssystem entlasten würde: In Deutschland könnten 1,9 Milliarden Euro für Medikamente und Behandlung eingespart werden – genug, um 36.500 Pflegekräfte zu beschäftigen. Doch im Kern geht es um etwas anderes: um eine neue Idee von Luxus. Nicht stur am Gestern festhalten, sondern das Bessere entdecken. Eine pflanzenbetonte Ernährung öffnet Türen, statt sie zu schließen. Pflanzlicher zu essen bedeutet deshalb kein radikales Umdenken. Sondern die Einladung, Neues auszuprobieren – und direkt zu spüren, wie gut es tut. Mein Tipp: Essen Sie neugierig!