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24. Jun 2020

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Wirtschaft

Bauer 4.0 – die Landwirte sind in der Digitalisierung angekommen

Journalist: Jörg Wernien

Klimawandel, Wetterextreme und Marktschwankungen – Um dafür gerüstet zu sein, muss die deutsche Landwirtschaft zukunftsfähig sein. Die Landwirtschaft befindet sich derzeit mitten im Wandel.

Julia Klöckner (46) hat als Landwirtschaftsministerin in diesen Tagen keinen leichten Stand. Die Supermarktketten bringen ihr eigenes Tierwohl-Label auf den Markt, in Münster demonstrierten 6.000 Bauern gegen die Düngemittelverordnung, Nitrate belasten an vielen Orten das Trinkwasser und dann ist da noch die Debatte um die Ferkel-Kastration. Baustellen ohne Ende und große Herausforderungen für die Zukunft der deutschen Bauern. „Die Landwirtschaft muss, gerade auch im Interesse von Tierwohl und Umwelt- und Klimaschutz, moderne Techniken einsetzen dürfen und sich weiterentwickeln können. Es ist gut und richtig ­– auch für eine gute Zukunft der Landwirtschaft selbst – umwelt- und klimaverträglicher zu produzieren,“ sagt die Ministerin im Interview, und weiter: “Es geht darum, ein realistisches Bild von der Landwirtschaft zu vermitteln. Denn die ist heute schon deutlich weiter, als so mancher denkt, der eine Agrarwende fordert. Dabei helfen die Digitalisierung und innovative Ideen“.

Julia Klöckner setzt die digitale Landwirtschaft auf die internationale Agenda. In diesem Jahr reicht die Weltgetreideernte nicht für die Weltbevölkerung aus, 30 Millionen Tonnen fehlen – eine Folge der Dürre im letzten Jahr und wohl auch Folgen des Klimawandels. Sie hat einen „Digitalrat Landwirtschaft“ ins Leben gerufen. So sollen die Probleme der Zukunft gelöst werden, Deutschland ist hier schon auf dem richtigen Weg. „Vieles, was woanders Zukunftsmusik ist, ist in der Landwirtschaft längst Realität. Autonom fahrende Landmaschinen zum Beispiel oder der vielfältige Einsatz von Drohnen. Schon heute gibt es voll digitalisierte Ställe. Drohnen über dem Acker erkennen frühzeitig Schädlinge, bringen punktuell Pflanzenschutzmittel aus, Sensoren im Boden berechnen den Düngebedarf, Bewegungsprofile von Tieren werden digital erstellt und das Tierwohl gemessen. In der Branche geht die Post ab,“ erklärt die Ministerin. „Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Für die Landwirte ist letztlich entscheidend, dass die digitalen Techniken ihnen Vorteile und Erleichterung bringen, und sich rechnen. Kurzum, steht die Branche Neuerungen nicht nur aufgeschlossen gegenüber, in vielen Bereichen ist sie bereits Vorreiter.“

Tatsächlich ist die Landwirtschaft eine der Branchen, die schon jetzt einen hohen Grad an Digitalisierung vorweisen kann. Apps erleichtern den Landwirten ihre Arbeit, Software steuert von der Buchhaltung bis zur Milchmenge den kompletten Hof. Das bietet für den Verbraucher viele Vorteile. Durch die Digitalisierung werden die Nahrungsmittel transparent. Auf jeder Milchpackung kann per QR-Code der Bauer aufgerufen werden. „Die Datenübertragung kann heute bereits durchgehend direkt von der Ackerfurche in die Cloud, ins Supermarktregal bis auf den Teller des Verbrauchers verlaufen. Diese können sich durch Technologien wie Blockchain lückenlos über bestimmte Produkte informieren – über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Dadurch können Vertrauensmerkmale wie „öko“ oder „aus fairem Handel“ für alle nachvollziehbar und überprüfbar gemacht werden. Das ist auch ein wirksames Instrument zur Erhöhung der Lebensmittelsicherheit,“ erklärt die Ministerin Julia Klöckner.

Damit dieser Weg weiter konsequent verfolgt werden kann, investiert das Landwirtschaftsministerium viel Geld in die Forschung. Was kaum einer weiß – sie hat den viertgrößten Etat in der Bundesregierung.  „Rund 900 Millionen Euro jährlich stellen wir dafür zur Verfügung – das ist mir wichtig, nur so können wir innovativ sein und vorankommen. Vor allem unsere nachgeordneten Ressortforschungsinstitute sind hier zu nennen. Da geht um den Klima- und Insektenschutz, nachwachsende Rohstoffe, Programme zur digitalen Landwirtschaft oder das Bundesprogramm ländliche Räume. Das sind einige der Schwerpunkte, die Bandbreite ist groß und geht über die Landwirtschaft auch hinaus“, sagt die Ministerin.

Doch nicht nur die Forschung ist wichtig, schon fast überlebenswichtig ist der schnelle Ausbau des 5G Netzes. Mit ihm steht und fällt die weitere Digitalisierung der Landwirtschaft. „Es gibt zu viele weiße Flecken auf der Landkarte. Und die Sichtweise darauf ist oft verengt. Denn an das schnelle Internet muss nicht nur jeder Haushalt, sondern auch jeder Acker, jeder Stall, jeder Keller angeschlossen sein. Um die gesamte Fläche geht es, das darf keine Frage der Postleitzahl sein. Gerade für den ländlichen Raum und die Landwirtschaft ist das ein entscheidendes Zukunftsthema. Insbesondere für den Stall der Zukunft, wo Roboter füttern, melken, analysieren, ausmisten und Tier-Halsbänder in Echtzeit Daten auf das Smartphone des Landwirts und Veterinärs übertragen. Telearbeit im Dorfcafé, künstliche Intelligenz auf dem Acker, im Keller und Stall müssen selbstverständlich sein,“ fordert Julia Klöckner und will im Prinzip das schnelle Internet für jede „Milchkanne“.

Ein weiter Weg für Julia Klöckner, den sie aber sehr konsequent weiterverfolgen wird.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Warum deutsche Gründlichkeit KI nicht killt, sondern krönt – mit Markus Willems, Geschäftsführer der wibocon GmbH

![Markus Willems-2025 Online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Markus_Willems_2025_Online_14a23ae24b.jpg) ``` Markus Willems, Geschäftsführer der wibocon GmbH ``` Die Integration von Künstlicher Intelligenz in die deutsche Wirtschaft erfordert einen strategischen Balanceakt. Unternehmen müssen robuste Dateninfrastrukturen schaffen, in Fachkräfte investieren und eine Innovationskultur etablieren, die KI als Werkzeug versteht, nicht als Bedrohung. Die Absicherung von KI-Modellen gegen Angriffe wie Model oder Data Poisoning verlangt einen ganzheitlichen Ansatz: kontinuierliches Monitoring, regelmäßige Audits und die Implementierung des „Security-by-Design”-Prinzips. Besonders wichtig ist die Nachvollziehbarkeit von KI-Systemen durch transparente Dokumentation der Trainingsverfahren und Datenquellen. „Trustworthy AI” bedeutet im Cybersicherheitskontext konkret: Robustheit gegen Manipulationen, Transparenz in Entscheidungsprozessen und nachvollziehbare Compliance-Mechanismen. Deutschland kann hier durch die Verbindung seiner traditionellen Stärken in Qualitätssicherung mit innovativen KI-Ansätzen Standards setzen – nicht durch übermäßige Regulierung, sondern durch praxisnahe Zertifizierungsverfahren und Best Practice-Richtlinien. Die Cybersicherheitsanforderungen werden zur Chance, wenn sie sich als Qualitätsmerkmal „Made in Germany” etablieren lassen. Deutsche Unternehmen können durch vertrauenswürdige KI-Lösungen internationale Wettbewerbsvorteile erzielen – vorausgesetzt, Sicherheitsanforderungen werden nicht als Innovationshemmer, sondern als Qualitätstreiber verstanden. Dabei lässt sich die technologische Abhängigkeit von Cloud-Anbietern durch hybride Ansätze reduzieren: Kritische Prozesse können in europäischen Cloud-Infrastrukturen verbleiben, während standardisierte Schnittstellen die Interoperabilität sicherstellen. Entscheidend ist stets die Entwicklung souveräner Kompetenzen für Datenverarbeitung und -analyse, ohne sich vom globalen Innovationsökosystem abzukoppeln. Letztlich wird erfolgreiche KI-Integration in Deutschland davon abhängen, ob es gelingt, Sicherheit nicht als Gegenpol zu Innovation zu begreifen, sondern als deren Fundament. >Deutsche Unternehmen können durch vertrauenswürdige KI-Lösungen internationale Wettbewerbsvorteile erzielen – vorausgesetzt, Sicherheitsanforderungen werden nicht als Innovationshemmer, sondern als Qualitätstreiber verstanden.