30. Jun 2025
|
Wirtschaft
Journalist: Nadine Wagner
|
Foto: Farah Almazouni/unsplash
Die EU-Kommission plant eine Reform ihrer Nachhaltigkeitsregeln – hin zu weniger Bürokratie und mehr Wettbewerbsfähigkeit.
Mit dem Inkrafttreten der EU-Taxonomieverordnung im Juli 2020 begann für viele Unternehmen ein tiefgreifender Wandel: Sie mussten offenlegen, wie nachhaltig ihre wirtschaftlichen Aktivitäten sind – gemessen an bspw. Bemühungen zur Kreislaufwirtschaft oder aber dem Schutz von Ökosystemen und Biodiversität. Dies hatte komplexe Datenerhebungen, neue ESG-Controlling-Strukturen und steigende Berichtskosten zur Folge.
Mit dem sog. Omnibus-Paket – einem regulatorischen Sammelgesetz – will die EU jetzt allerdings gleich mehrere Regelwerke auf einmal entschärfen. Im Fokus stehen unter anderem die CSRD, die neuen ESRS-Standards und indirekt auch das Lieferkettengesetz (CSDDD). Ziel: Weniger bürokratischer Aufwand, klarere Kriterien, mehr Praxisbezug. Getrieben wird die Wende vor allem von hochrangigen Stimmen wie Mario Draghi. Der frühere EZB-Präsident und designierte Wirtschaftsberater der EU hat mit seinem Wettbewerbsfähigkeitsbericht („Draghi-Bericht“) eine industriepolitische Neuausrichtung gefordert. Seine Botschaft: Die EU dürfe den Übergang zur grünen Wirtschaft nicht durch Überregulierung selbst blockieren.
Die Antwort der Kommission ist der EU-Kompass für Wettbewerbsfähigkeit, der Anfang dieses Jahres vorgestellt wurde. Einer seiner Kernpunkte lautet, dass das Omnibus-Paket sicherstellen soll, dass gerade KMU nicht unter der Last der Nachhaltigkeitsberichterstattung zusammenbrechen – etwa, wenn sie Zulieferer für Großkonzerne oder Banken sind, die unter die CSRD fallen.
Künftig könnten Unternehmen, die zwar (noch) nicht vollständig taxonomiekonform sind, freiwillig über ihre Fortschritte berichten – und so zumindest teilweise ihr Nachhaltigkeitsengagement zeigen. Ein Schritt, der viele Industriebetriebe entlasten dürfte, insbesondere in Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Italien, wo der politische Druck auf flexiblere Regeln zuletzt massiv gestiegen war.
Die EU dürfe den Übergang zur grünen Wirtschaft nicht durch Überregulierung selbst blockieren.
Doch die Lockerung hat ihren Preis: NGOs warnen davor, dass die Glaubwürdigkeit nachhaltiger Finanzprodukte leiden könnte. Je weiter die Schwelle für grüne Klassifikationen sinkt, desto größer werde das Risiko von Greenwashing, so der Tenor. Auch das Vertrauen institutioneller Investoren könnte schwinden – mit Folgen für die Finanzierung nachhaltiger Projekte. Die EU steckt deshalb in einem Dilemma: Sie will weiterhin an ihren Green Deal-Zielen festhalten, gleichzeitig aber soll Europas Industrie international wettbewerbsfähig bleiben. Die Taxonomie war einst als Weltstandard gedacht. Heute droht sie, zum Standortnachteil zu werden, wenn Investitionen in grüne Technologien durch Regulierung gebremst werden.
Der Kurswechsel ist insgesamt ein Spannungsfeld zwischen grünem Idealismus und wirtschaftlichem Realismus. Unternehmen dürfte das Paket kurzfristig entlasten – vor allem finanziell. Ob es auch dem Klima nützt, bleibt abzuwarten.
Laut PwC-Studie sind inzwischen 30 Prozent der Industrieumsätze in Europa als taxonomiefähig einzustufen. Und: Unternehmen berichten inzwischen deutlich einheitlicher – ein Fortschritt. Quelle: EU-Taxonomie Reporting 2025