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16. Okt 2025

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Gesellschaft

KI-Power für Europa – Im Interview mit Peter Sarlin, führender Experte im Bereich der Künstlichen Intelligenz und Co-Founder und CEO von AMD SILO AI

Journalist: Katja Deutsch

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Foto: Presse

Europa hat zwar keine Big-Tech-Plattformen, aber sehr starke Industrien. Peter Sarlin, führender Experte im Bereich der Künstlichen Intelligenz und Co-Founder und CEO von AMD SILO AI, ist fest davon überzeugt, dass europäische Unternehmen führend im Bereich der KI werden können – wenn sie jetzt mutig investieren.

Peter, unter deiner Führung hat sich SILO AI zu Europas größtem privaten KI-Labor entwickelt, mit über 300 Mitarbeitenden, von denen die meisten promoviert sind. Welches Führungsprinzip hat euch in einem so dynamischen Technologiefeld so stark wachsen lassen? Für mich kommt gute Führung aus der Wertebasis und der Kultur, die man gemeinsam aufbaut. Die Art, wie ich die SILO-Wertebasis und die SILO-Kultur zusammenfasse, ist – auf verschiedene Weise – ehrgeizig und demütig. Ehrgeiz bedeutet, dass ich anspruchsvoll bin und hohe Ziele setze. Demut bedeutet für mich als Gründer und Unternehmer aber auch, selbst mit anzupacken, Verantwortung zu teilen, die notwendige Arbeit zu leisten und Seite an Seite mit dem Team zu arbeiten.

Überall heißt es, dass KI den Menschen in fast allen Branchen ersetzen könnte. Gleichzeitig betonst du, wie wichtig es ist, den Menschen ins Zentrum zu stellen, wenn man KI baut. Was genau meinst du damit? Ich habe immer an menschenzentrierte KI geglaubt, oder, wie wir es nennen: AI for people. Seit 2007 arbeite ich mit KI, und seitdem hat sich die Technologie enorm entwickelt. Doch auch, wenn Modelle heute beeindruckende Fähigkeiten haben, sind wir weit entfernt von „Superintelligenz“ die jede Aufgabe wie ein Mensch erledigt. Für mich steht daher die Interaktion zwischen Menschen und Maschinen im Mittelpunkt. Entscheidend ist für mich, wie sie in Produkte integriert wird, sodass sie echten Mehrwert für Menschen schafft, sei es in Autos, Handys, Suchmaschinen oder KI-Assistenten.

Wird KI nicht gerade ihre eigenen Schöpfer zuerst ersetzen? Meine Antwort ist: Nein. Oder besser gesagt: Ja, aber nein (lacht). KI schafft enormen Wert in kreativen Tätigkeiten, und das sage ich seit vielen Jahren. Generative Technologien erweitern unsere Fähigkeiten, fast wie „Superkräfte“. Natürlich verändert das den Arbeitsmarkt. Wir müssen lernen, diese Werkzeuge klug einzusetzen, doch auch schon vor 25 Jahren mussten wir lernen, mit PCs umzugehen. Ich glaube an flexible Arbeitsmärkte, die sich neuen Technologien anpassen. Aber es ist ein großer Wandel, vor allem in der Frage, wie wir Kreativität lernen und lehren. Junge Menschen wachsen mit KI auf, aber sie brauchen trotzdem die Fähigkeit, Kreativität von Grund auf zu entwickeln.

Generative Technologien erweitern unsere Fähigkeiten, fast wie „Superkräfte“.

Wie überbrückst du die Kluft zwischen exzellenter Forschung und marktreifen Produkten? Sehr gute Frage. Von Anfang an war mir akademische Exzellenz wichtig: Bei SILO haben wir 300 KI-Wissenschaftler und Ingenieure, aber unser Ziel war immer reale Wirkung. Dafür braucht es Menschen, die nicht nur theoretisch denken, sondern die härtesten Industrieprobleme lösen und KI in Produktion bringen. Forschung verschiebt Grenzen, aber im Markt gewinnt, wer schnell Produkte liefert, Feedback einholt und sich anpasst.

Was bedeutet „digitale Souveränität“ für dich konkret? Und wie realistisch ist es, dass Europa unabhängig von den USA und China wird? Souveränität heißt für mich, volle Kontrolle und Eigentum über kritische Technologien. Europa hat keine großen Plattformen wie die USA oder China, doch bei KI geht es auch um die Modelle selbst. Wir brauchen offene Modelle, die europäische Werte und (auch kleine!) Sprachen abbilden. Deshalb haben wir in Europa Initiativen wie Poro, Viking, Europa und jetzt Open Euro gestartet. Das ist entscheidend, damit europäische Unternehmen volle Kontrolle über ihre KI haben.

Wie kann KI echten Wert für Wirtschaft und Gesellschaft schaffen? Als Ökonom sehe ich den Wert von KI in Produktivität. Sie steigert Effizienz und damit Wohlstand. Manche bauen die Technologien, andere nutzen fertige Produkte, doch am Ende profitieren die Endnutzer durch Produktivitätsgewinne.

Sprachmodelle sind nur der Anfang, auch in Life Sciences, Automobil, Chemie, Robotik, Gaming, Materialwissenschaften und sogar bei Wettermodellen gibt es enorme Fortschritte.

Yuval Noah Harari warnt, dass KI uns in wenigen Jahren dominieren und versklaven könnte. Übertreibt er? Ich denke, das ist eine philosophisch wichtige Diskussion über Superintelligenz. Aber aktuell sind wir nicht dort. Natürlich birgt KI Risiken, so wie jede Technologie. Deshalb sind klare, bereichsspezifische Regulierungen nötig. Trotzdem glaube ich, dass uns KI mit den richtigen Regeln weitaus mehr hilft als schadet.

Was ist dein persönlicher positiver Ausblick für die nächsten zehn Jahre mit KI? Ich mache das, weil ich leidenschaftlich an KI interessiert bin, und jetzt sehe ich, wie KI in großem Maßstab die Praxis erreicht. Sprachmodelle sind nur der Anfang, auch in Life Sciences, Automobil, Chemie, Robotik, Gaming, Materialwissenschaften und sogar bei Wettermodellen gibt es enorme Fortschritte. Für Europa liegt hier eine riesige Chance: Wir haben keine Big-Tech-Plattformen, aber starke Industrien, und wenn wir mutig in KI-Infrastrukturen investieren, können wir führend sein. Das ist die positive Vision, die ich sehe.

Fun Facts: Peter Sarlin…

● Langstreckenlauf, wie z. B. ein Halbmarathon auf eigene Faust, ist für ihn am Wochenende ein Vergnügen – wenn es die Zeit erlaubt ● Kauft als Hobby antike Möbel und Kunst ● Bevorzugt Schwarz in seiner Kleidung – und wenn er es mal richtig wild treibt, trägt er Weiß oder Grau ● Ein eigener Spruch fasst ihn gut zusammen: „Arbeit macht mehr Spaß als Spaß.“ Work is more fun than fun

2. Okt 2025

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Gesellschaft

Lebensmittel sind weit mehr als bloße Konsumgüter – Ein Beitrag von René Püchner, Präsident Lebensmittelverband Deutschland

Sie sind Kultur, Identität, Genuss und Spiegel gesellschaftlicher Vielfalt. Sie vereinen jahrhundertealtes Handwerk mit modernster Technik, globale Lieferketten mit regionalem Bewusstsein, individuelle Lebensstile mit kollektiver Verantwortung. Wer über Lebensmittel spricht, spricht über auch über die Art und Weise, wie wir leben, genießen und gestalten wollen. Unsere aktuellen Umfragedaten zeigen eindrücklich: Eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung hält Lebensmittelvielfalt für wichtig. Zwischen dem 15. und 18. Juli 2025 befragte das Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag unseres Verbandes 1.037 Menschen bundesweit. Das Ergebnis: 76 Prozent beurteilen Vielfalt als „wichtig“ oder „sehr wichtig“. Besonders deutlich ist die Haltung bei Jüngeren: 94 Prozent der 18- bis 29-Jährigen betonen, wie essenziell Vielfalt für sie ist. Für 81 Prozent ist sie Ausdruck kultureller Vielfalt, für 78 Prozent integraler Bestandteil moderner Ernährung. Und 77 Prozent probieren gern Gerichte aus anderen Kulturen – ein Ausdruck von Neugier und kulinarischer Offenheit. Diese Zahlen belegen eindrucksvoll: Vielfalt ist kein Luxus, sondern eine Erwartung. Ein Grundbedürfnis in einer dynamischen, global vernetzten Gesellschaft. Die Lebensmittelwirtschaft trägt Verantwortung, diese Erwartungen nicht nur zu erfüllen, sondern aktiv zu gestalten – durch Transparenz, Qualität und Innovation. >Der Wunsch nach gezielter Ernährung – sei es vegetarisch, proteinreich, bio oder funktional – wächst. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz eröffnen neue Möglichkeiten, beispielweise mit Blick auf Lieferketten, Rückverfolgbarkeit und der Vermeidung von Lebensmittelverlusten. Mit Blick auf soziale Teilhabe und Integration richtet sich unser Blick auch auf strukturelle Vielfalt. So hat der Lebensmittelverband gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie das „What the Food“-Forum: Diversity in the Food Industry initiiert, das am 18. September 2025 in Berlin stattfand. Unter anderem unter dem Motto „Migration als Erfolgsfaktor in der Lebensmittelbranche“ beleuchteten wir Beiträge von Menschen mit Migrationsgeschichte, diskutierten Chancengleichheit und kulturelle Sensibilität und zeigten, wie Vielfalt gelebt wird und Mehrwert schafft. Die Herausforderungen, vor denen wir in der Lebensmittelwirtschaft stehen, sind durchaus komplex: Klimawandel und Ressourcenschutz erfordern neue Wege in Produktion, Logistik und Verpackung. Der Wunsch nach gezielter Ernährung – sei es vegetarisch, proteinreich, bio oder funktional – wächst. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz eröffnen neue Möglichkeiten, beispielweise mit Blick auf Lieferketten, Rückverfolgbarkeit und der Vermeidung von Lebensmittelverlusten. Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten Transparenz, verlässliche Qualität, klare Informationen. Zugleich wünschen sie Vielfalt, Inspiration und genussvolle Erfahrungen. Diesen hohen Anspruch erfüllen wir. Wir setzen in Produktion, Entwicklung und Kommunikation auf qualitativ hochwertige Zutaten, klimafreundliche Verfahren, ressourcenschonende Verpackungen und kultursensible Ansätze. Als Lebensmittelverband Deutschland verstehen wir uns als Brücke: Zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Wir bieten Orientierung durch fundiertes Wissen, begleiten Trends faktenbasiert und fördern den Dialog über die Ernährung von morgen.