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16. Okt 2025

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Wirtschaft

Tempo durch KI-Start-ups – mit Dr. Tina Klüwer, KI-Expertin & Autorin

Journalist: Thomas Soltau

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Foto: Presse, Startup Stock Photos/pexels

Geförderte KI-Start-ups beschleunigen Prozesse, schaffen Jobs und öffnen neue Märkte – doch Finanzierungslücken und Regulierung bremsen häufig den Weg nach vorn. Wie Deutschland hier den Anschluss hält, weiß Dr. Tina Klüwer, KI-Expertin und Autorin.

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Dr. Tina Klüwer, KI-Expertin & Autorin

Woran messen Sie den Produktivitäts- und Wettbewerbshebel geförderter KI-Start-ups? Der Produktivitätshebel geförderter KI-Start-ups zeigt sich daran, ob ihre Technologien in der Praxis Wirkung entfalten. Wenn Prozesse schneller ablaufen, Kosten sinken, Umsätze steigen oder die Zeit bis zur Marktreife verkürzt wird, entsteht klarer Mehrwert. Solche Effekte lassen sich an Kennzahlen wie Nutzungshäufigkeit oder Kundenbindung belegen. Darüber hinaus haben KI-Start-ups aber einen volkswirtschaftlichen Wert: Sie schaffen Arbeitsplätze und generieren Steuereinnahmen, und vor allem treiben sie Innovationen voran und formen neue Märkte. Dieser Effekt ist schwerer zu quantifizieren, aber von großer Bedeutung.

Welche Finanzierungslücke ist aktuell für DeepTech-Start-ups am kritischsten: Seed, Series A oder Growth? DeepTech-Start-ups in Bereichen wie Künstliche Intelligenz, Quantentechnologien, oder Biotechnologien benötigen oft jahrelange Entwicklungsarbeit, bevor ihre Produkte marktreif sind. Für klassische Wagniskapitalgeber sind sie in dieser Phase wenig attraktiv, sodass vielen Gründungsteams in dieser frühen Phase die Finanzierung ausgeht. Um diese Lücke zu schließen, wurde der Zukunftsfonds ins Leben gerufen, der junge Unternehmen mit hohem Kapitalbedarf unterstützen soll. Aber auch die heimischen Investoren werden offener für Deep-Tech-Themen. Im Vergleich bleibt Deutschland jedoch zurück. Häufig nehmen Teams daher Kapital aus dem Ausland auf – nicht selten verbunden mit der Verlagerung des Firmensitzes. Das entzieht dem Standort wichtige Innovationstreiber und schadet langfristig der deutschen Wirtschaft.

DeepTech-Start-ups in Bereichen wie Künstliche Intelligenz, Quantentechnologien, oder Biotechnologien benötigen oft jahrelange Entwicklungsarbeit, bevor ihre Produkte marktreif sind.

Erleichtert der EU AI Act Gründungen durch Klarheit – oder bremst er junge Teams? Der EU AI Act schafft Vertrauen, was auch Start-ups grundsätzlich zugutekommt. Gleichzeitig erschwert er den Marktzugang, da Regulierung immer Aufwand bedeutet. Ablehnung gegenüber Regulierung sehe ich bei Start-ups so gut wie nie; sie wollen Kunden und Nutzer schützen. Problematisch wird es aber, wenn ein deutsches Start-up ein halbes Jahr länger für die Markteinführung braucht als ein internationaler Wettbewerber, da es Ressourcen in die Erfüllung der Regulierung stecken muss. Das kann zum Wettbewerbsnachteil werden. Vereinfachte Zertifizierungswege für junge Teams können eine Lösung sein.

Was aus den K.I.E.Z-Programmen sollte die Bundespolitik jetzt bundesweit skalieren? K.I.E.Z hat, neben einem erfolgreichen Accelerator für KI-Startups, Angebote für Forschende aufgebaut, die den Sprung in die Gründung wagen wollen. Forschung und kommerzielle Nutzung der Ergebnisse stehen in Deutschland aktuell leider nicht im Verhältnis: Es gibt viel gute Forschung, aber die Ergebnisse werden nicht gewinnbringend eingesetzt. Gründe sind fehlender Austausch zwischen Unternehmen und Wissenschaft sowie hohe Hürden für den Übergang in die unternehmerische Praxis. Hier braucht es Anreize und Unterstützung, damit mehr Forschungsergebnisse den Weg in Produkte oder Geschäftsmodelle finden. Das stärkt die deutsche Wirtschaft und sichert langfristig Wohlstand und Arbeitsplätze.

Der EU AI Act schafft Vertrauen, was auch Start-ups grundsätzlich zugutekommt.

Buchtipp

Die umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands heißen VW, Allianz, Mercedes-Benz, BMW und E.ON. In den USA (und der Welt) sind es Apple, Microsoft, Amazon, Tesla und Google. Das Dilemma der deutschen Wirtschaft ist klar: Wir brauchen dringend frischen Wind! „Zukunft made in Germany – Warum wir jetzt Innovation fördern müssen, um unseren Wohlstand zu retten“ von Wirtschaftsexpertin Tina Klüwer erzählt auf 174 Seiten, wie es gelingt, bei neuen Technologien an der Weltspitze mitzumischen. Preis: 24,00 EUR

1. Okt 2025

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Wirtschaft

Die nächsten 24 Monate entscheiden: Deutschland im Transformationsfenster – Ein Beitrag von Prof. Dr. Henning Wilts

An den Begriff „Kreislaufwirtschaft“ haben die meisten Unternehmen lange Zeit einen gedanklichen Haken gemacht: Die eigenen Abfälle werden fachmännisch entsorgt, man hatte seine Hausaufgaben gemacht. Mit der Zeitenwende als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg und seitdem völlig veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen hat sich jedoch auch das Verständnis von Kreislaufwirtschaft fundamental verändert: Von „Nice-to-have“ zur Schlüsselherausforderung eines auch mittel- und langfristig wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts, der sich schlagartig bewusst wurde, wie abhängig man doch ist von Rohstoffimporten – und der Bereitschaft vieler Länder, den Zugang zu diesen als strategisches Druckmittel zu nutzen. Dementsprechend gewinnen auch zirkuläre Geschäftsmodelle zunehmend an Bedeutung, die von Anfang an mitdenken, wie die Produkte – und damit auch die darin enthaltenen Rohstoffe – am Ende der Nutzungsphase wieder zurückkommen. Immer mehr Unternehmen experimentieren daher mit Pfandsystemen oder Leasingkonzepten – getrieben von der Idee, damit die Resilienz ihrer Rohstoffversorgung zu verbessern. Ein weiterer wichtiger Treiber sind die gesetzlichen Verpflichtungen der Unternehmen, ihre Prozesse klimaneutral aufzustellen – hier ist der Einsatz recycelter Rohstoffe natürlich nicht zum Nulltarif zu haben; auf lange Sicht sind die dafür notwendigen Technologien aber schon deutlich ausgereifter und die Kosten pro eingesparter Tonne CO2 bei entsprechender Skalierung niedriger. Aber obwohl das Thema Kreislaufwirtschaft damit immer stärker auch in den Strategieabteilungen der Unternehmen ankommt, faktisch fehlt es an einer selbsttragenden Innovationsdynamik. Noch immer beträgt das Verhältnis von recycelten Rohstoffen und Gesamtrohstoffbedarf gerade mal 13 Prozent; rechnerisch sind also 87 Prozent aller Rohstoffe noch immer Primärmaterial. Die dafür von vielen genannten Gründe sind einerseits rational: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fehlt es an finanziellen Ressourcen, um ausreichend in die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung zu investieren. Gleichzeitig ist den meisten sehr bewusst, dass Deutschland damit droht, seine eigentliche hervorragende Ausgangsbedingungen in diesem zentralen Zukunftsmarkt zu verspielen. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund im Dezember 2024 ihre „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ (NKWS) verabschiedet. Erklärtes Ziel ist es, die Transformation zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Dafür benennt die Strategie ambitionierte Ziele, beispielsweise die faktische Halbierung des Bedarfs an primären Rohstoffen; im Kern aber vor allem über 130 konkrete Maßnahmen. Diese gehen weit über Abfallwirtschaft hinaus, sondern betreffen z. B. die fokussierte Digitalisierung im Recyclingsektor, innovative Finanzierungsmechanismen oder auch Mindestrezyklatquoten, um so einen sicheren Absatzmarkt für hochwertige Sekundärrohstoffe zu schaffen. Aber natürlich ist Papier geduldig und die eigentliche Herausforderung liegt in der jetzt anstehenden Umsetzung. Ein zentraler Schlüssel wird dabei sein, Allianzen zu schaffen – zwischen all den Akteuren, die in einer Kreislaufwirtschaft profitieren wollen von den erhofften positiven Effekten für Klimaschutz, einheimische Beschäftigung, Aufträgen für den Maschinenbau usw. Die in der NKWS angekündigte Plattform muss es daher schaffen, genau solche Allianzen zu bilden und sich nicht in endlosen Debatten über die 100 Prozent perfekte Lösung zu verlieren – denn die internationale Konkurrenz schläft nicht und es ist überhaupt nicht gegeben, dass die erhofften Vorteile tatsächlich am Standort Deutschland realisiert werden. Die nächsten 24 Monate werden daher maßgeblich darüber entscheiden, ob Deutschland am Ende zu den Gewinnern oder den Verlierern der zirkulären Transformation gehören wird.