27. Nov 2025
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Wirtschaft
Journalist: Gunnar von der Geest
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Foto: Michael Fortsch/unsplash
Ein Begriff „elektrisiert“ gleichermaßen Landwirtschaft, Energieversorger, Politik und Umweltverbände: Agri-Photovoltaik. Über ein spannungsgeladenes Feld im Rahmen der Energiewende.
Früher besagte eine Redensart, dass „die dümmsten Bauern die dicksten Kartoffeln haben“. Dies suggerierte, der Anbau sei eine simple Tätigkeit, bei der ohne viel Know-how und harte Arbeit gute Ergebnisse zu erzielen wären. Landwirte schüttelten darüber schon immer den Kopf. Aktuell ließe sich dem Sprichwort ein neuer Spin geben: „Die schlauesten Bauern ernten nicht nur die dicksten Kartoffeln, sondern auch den meisten Strom.“ So jedenfalls lautet die Philosophie der Agri-Photovoltaik. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren zur effizienten Doppel-Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für Nahrungsmittel-Produktion und PV-Stromerzeugung. Photovoltaik auf Freiflächen kann substanziell ausgebaut werden, ohne Ressourcen an fruchtbarem Ackerboden nennenswert zu verbrauchen. Zusätzlich lässt sich die Wertschöpfung in der Region steigern, da Agri-PV-Projekte prädestiniert dafür sind, dezentral von Landwirten, Gemeinden sowie klein- und mittelständischen Unternehmen getragen zu werden. Für die Landwirtschaft ergeben sich neuartige, ökonomisch tragfähige Bewirtschaftungsmöglichkeiten. Weidende Schafe in einem Solarpark sind allerdings nicht ausreichend, um die hohen Kriterien zu erfüllen.
„Stromerzeugung mit Agri-PV beansprucht maximal 15 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche, sodass mindestens 85 Prozent der Fläche weiterhin der landwirtschaftlichen Nutzung dienen“, heißt es auf der Webseite des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat. Agri-PV-Anlagen sind über das Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG) von 2023 grundsätzlich auf allen Ackerflächen, Flächen mit Dauerkulturen und Grünlandflächen förderfähig (ausgenommen Moorböden und Naturschutzgebiete). Das von der letzten Bundesregierung verabschiedete Solarpaket sieht vor, dass mindestens 50 Prozent des PV-Zubaus als Dachanlagen erfolgen sollen, um auch den Druck auf landwirtschaftliche Flächen zu reduzieren. Der maximale bundesweite Netto-Zubau von Freiflächenanlagen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen ist dabei gedeckelt auf 80 Gigawatt bis 2030 und auf 177,5 GW bis 2040.
Hinsichtlich der Installation der PV-Module ergeben sich unterschiedliche Varianten: Einerseits können sie auf Stahl- oder Holzträgern befestigt werden und so wie das Dach eines Gewächshauses mehrere Meter über dem Boden schweben. Andererseits lassen sich PV-Zäune ziehen, sodass in den Zwischenräumen noch genug Platz für Pflanzenkulturen bleibt. Darüber hinaus gibt es sogenannte Solarbäume – Metallstämme, an denen schräg gen Himmel gerichtet die Module angeordnet sind.
Für den Naturschutzbund Deutschland (NABU) müssten in puncto Solarenergie versiegelte Flächen wie Dächer weiterhin im Fokus stehen. „Agri-PV kann aber eine zusätzliche Möglichkeit sein, die Energiewende noch schneller voranzubringen. Werden neue Anlagen mit Blick auf die Biodiversität geplant, dann hat Agri-PV das Potenzial, Konflikte zwischen Landwirtschaft, Energieunternehmen und Naturschutz abzuschwächen“, heißt es in einem Statement.
• Landwirte müssen sich nicht zwischen Solarpark und Acker entscheiden, sondern können die Fläche doppelt nutzen. Laut Ökoinstitut sind bundesweit rund 4,3 Millionen Hektar besonders geeignet für Agri-PV. • Auch Agri-PV trägt dazu bei, die Klimakrise abzumildern. • PV-Modul-Dächer schützen die Pflanzen vor Sonne, Starkregen und Hagel (Reduzierung von Ernteausfällen). • Agri-PV kann für Landwirte eine zusätzliche Einnahmequelle sein und schwankende Lebensmittel-Preise ausgleichen. Außerdem lässt sich der erzeugte Strom für den eigenen Betrieb nutzen (Senkung der Energiekosten).
• PV-Module auf dem Acker erzeugen nicht so viel Strom wie ein Solarpark auf vergleichbarer Fläche. • Konstruktionen für PV-Dächer und die semitransparenten Spezialmodule, welche das nötige Licht für Pflanzen durchlassen, sind teuer. • Zurzeit gibt es für Agri-PV noch bürokratische Hürden, z. B. lange Genehmigungsverfahren, unklare Regelungen im Bau- und Naturschutzrecht sowie die Notwendigkeit von Gutachten und Umweltverträglichkeitsprüfungen. • Es fehlen langfristige Studien, die zeigen, wie sich z. B. PV-Modul-Dächer auf die Eigenschaften der Nutzpflanzen auswirken.
517 Terawattstunden (TWh) betrug 2023 der Bruttostromverbrauch in Deutschland. Die Bundesregierung rechnet mit einer weiteren Steigerung. Gründe hierfür sind die zunehmende Elektromobilität, ein höherer Strombedarf zu Heizzwecken, aber auch die wachsende Digitalisierung und Elektrifizierung von Haushalten. Bis zum Jahr 2030 soll der Bruttostromverbrauch dennoch zu 65 Prozent aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Agri-PV kann eine Option sein, um den Anteil an „grüner Energie“ zu erhöhen und das 200-GW-Ausbauziel für Solarenergie bis 2030 zu erreichen. (Quelle: EnBW, 2025)