23. Okt 2025
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Wirtschaft
Journalist: Katja Deutsch
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Foto: Isaac Quesada/unsplash, Presse
Anaïs Cosneau ist profilierte Expertin im Immobilien- und Städtebau Bereich und Mitgründerin & Managing Director vom Happy Immo Club in Berlin, einem Programm, das Frauen gezielt in Immobilieninvestments einführt. Sie weiß, wie man die passende Immobilie finden kann – und wie wichtig ein fester STOP-Button ist.
Anaïs Cosneau, Vorständin und Aufsichtsrätin in der Immobilienbranche sowie LinkedIn Top Voice für Finanzen
Anaïs Cosneau, wie investiert man erfolgreich in Immobilien?
Mit Haltung – und mit einem Plan. Erfolgreich investieren heißt nicht, die schönste Wohnung zu finden, sondern eine, die sich langfristig trägt. Es geht um Strategie, nicht um Emotion. Fünf Schritte sind entscheidend: Erstens: Ziele definieren. Sollen monatliche Mieteinnahmen den Cashflow verbessern? Geht es um langfristiges Eigentum als Altersvorsorge? Um „Positives Zwangssparen“ durch laufende Tilgung? Oder darum, heute Kapital einzusetzen, um sich in drei Jahren Eigenkapital für ein nächstes Investment zu sichern? Auch steuerliche Effekte können ein Ziel sein – etwa durch Abschreibung, Werbungskosten oder Verlustverrechnung. Zweitens: Standort wählen. Interessant sind Städte mit wachsender Bevölkerung, stabiler Mietnachfrage und fairen Einstiegspreisen – Unistädte, Flughafennähe, wirtschaftlich solide B- und C-Städte. Drittens: Professionell kalkulieren. Ertrag, Kosten, Finanzierung, Rücklagen, Steuern – alles gehört auf den Tisch. Viertens: Finanzierung klären. Mit zehn Prozent Eigenkapital auf den Kaufpreis plus Nebenkosten ist ein Einstieg oft realistisch. Fünftens: Entscheidung treffen – nicht perfektionieren. Wer sauber gerechnet hat, die Mikrolage versteht und das eigene Ziel kennt, sollte handeln!
Welche Fakten sollten vor dem Kauf unbedingt geprüft werden?
Die realistisch erzielbare Kaltmiete – nicht die Wunschmiete aus dem Exposé. Zustand der Wohnung (Dach, Heizung, Fenster, Elektrik), Eigentümerstruktur im Haus, Instandhaltungsrücklagen, laufende Verfahren. Mietverträge: Laufzeiten, Indexierungen, Staffeln, Kündigungsfristen. Und natürlich: die Bruttorendite. Nur, wenn die Zahlen stimmen, ist das Objekt ein Investment und kein teurer Lebenstraum.
Wie relevant sind Immobilien zur Altersvorsorge? Immobilien bieten Stabilität, besonders für Menschen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien oder begrenztem Pensionsanspruch. Eine abbezahlte Wohnung bedeutet: keine Miete, keine Angst vor Eigenbedarf, keine Abhängigkeit. Sie schafft Freiheit, gerade im Alter. Eigentum bedeutet Würde.
Welche Orte eignen sich besonders für Immobilieninvestments?
Oft lohnen B- und C-Städte wie Leipzig, Mannheim, Dortmund oder Erfurt, wo Bevölkerungswachstum, gute Infrastruktur und günstige Einstiegspreise auf solide Renditechancen treffen. Entscheidend ist die Mikrolage: Gibt es Unis, Bahnhöfe, Jobs? Steigen Mieten, wird saniert, entwickelt sich das Viertel? Auch Berlin bleibt spannend: Viele Wohnungen sind unter Marktwert vermietet – eine Chance. Beispiel: Eine Wohnung im Wert von 400.000 Euro wird für 200.000 Euro verkauft, da sie für 300 Euro/Monat vermietet ist. Der Fehlbetrag lässt sich steuerlich absetzen. Zieht die Mieterin aus, ergibt sich hohes Nachvermietungspotenzial. Solche Ungleichgewichte sind in Berlin keine Seltenheit – selbst in Toplagen.
Woran lässt sich erkennen, dass eine Gegend Potenzial für Wertsteigerung hat?
Gentrifizierung beginnt oft subtil: Wenn die Eckkneipe zum Bio-Bäcker wird, wenn Co-Working-Spaces eröffnen, wenn Luxussanierungen zunehmen. Technisch: Wenn die Mietpreise in den letzten Jahren deutlich über dem Stadtdurchschnitt steigen, Neubauprojekte entstehen oder neue Arbeitgeber in der Nähe ansiedeln. Früh erkennen heißt: unter Marktwert einsteigen – und mit dem Viertel wachsen.
Wie sinnvoll sind Zwangsversteigerungen für den Einstieg?
Mit Know-how: ja. Ohne Vorbereitung: nein. Alle Infos sind öffentlich zugänglich auf zvg-portal.de – niemals über kostenpflichtige Drittseiten gehen. Wichtig: das Gutachten lesen, mit der Rechtspflegerin sprechen, versuchen, die Wohnung zu besichtigen, mit Nachbarinnen reden. Unbedingt Budgetgrenzen einhalten – der Sog kann trügerisch sein.
Was genau bedeutet: zehn Prozent Eigenkapital reichen?
Beispiel: Eine Wohnung kostet 250.000 Euro. Zehn Prozent Eigenkapital entspricht 25.000 Euro, dazu die Nebenkosten (Steuer, Notar, Makler) ebenfalls ca. 25.000 Euro, Gesamtbedarf sind also 50.000 Euro. Der Rest lässt sich bei guter Bonität finanzieren. Noch besser: Wer unter Marktwert kauft, verbessert seine Ausgangslage. „Virtuelles“ Eigenkapital, wird bei der Finanzierung positiv berücksichtigt, wie ein Eigenkapital-Gutschein – selbst verhandelt.
Früh erkennen heißt: unter Marktwert einsteigen – und mit dem Viertel wachsen.
Wie riskant oder gewinnbringend sind Immobilienfonds?
Immobilienfonds sind passiv – und genau das ist ihr Nachteil. Anleger geben Kapital ab, haben aber keine Kontrolle über Käufe, Vermietung oder Sanierung. Der zentrale Vorteil direkter Investments fehlt: der Eigenkapitalhebel. Mit 50.000 Euro Eigenkapital lässt sich ein Objekt für 250.000 bis 300.000 Euro kaufen – dieser Hebel fehlt bei Fonds komplett. Zudem schmälern Management, Strukturkosten und Vertrieb die Rendite. Aus Erfahrung liegt die reale Fondsrendite oft bei nur einem Zehntel dessen, was mit einer eigenen, gut kalkulierten Immobilie möglich ist. Für Vermögende mit wenig Zeit kann das passen, für alle anderen ist der Direktkauf meist die bessere Strategie.