16. Okt 2025
|
Wirtschaft
|
Foto: 2025 DFKI/Oliver Dietze
Wir stehen nicht am Bahnsteig, wir sind schon unterwegs. Unternehmen können KI bereits heute in Prozesse und Produkte integrieren. Wer wartet, verliert Wahlfreiheit und Tempo.
Es gibt zwei Wege in die Praxis: Abläufe verschlanken und Produkte veredeln. Letzteres ist für viele Unternehmen der Hebel für Zukunftsfähigkeit. Weltmarktführer können ihre Nischen nur halten, wenn sie ihre Produkte mit lernenden Funktionen ergänzen. Dafür braucht es keine „Wundermodelle“. Ärmel hochkrempeln, vorhandene Modelle, besonders kleinere Open-Source-Modelle, die auch aus Europa kommen, z. B. Mistral, nutzen und ins Operative bringen: Das ist der klare Weg.
Dafür müssen Unternehmen eigene Strukturen schaffen. Viele Mittelständler bauen bereits kleine KI-Teams auf, denn die KI-Transformation lässt sich nicht einfach outsourcen. Partner helfen bei der Umsetzung aber die Expertise bleibt im Haus. Am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) arbeiten wir in einem Public-Private-Partnership-Modell: Der Großteil unserer Projekte entsteht in Zusammenarbeit mit Industriepartnern. Das ist Absicht: Die Forschung soll andocken, nicht im Labor liegen bleiben. Die Wissenschaft und die Wirtschaft müssen sich zusammentun, dadurch profitiert der Standort Deutschland.
Digitale Souveränität bedeutet für mich Wahlfreiheit. Europa braucht eigene große Modelle und Infrastruktur. Bis dahin sollten Firmen nicht auf „das europäische Modell“ warten, sondern mit den heute verfügbaren Systemen arbeiten, mit kommerziellen aber auch mit offenen Systemen. Wichtig ist eine Architektur, die Modellwechsel zulässt. Es gibt bereits europäische Alternativen. Entscheidend ist, wechseln zu können, statt abzuwarten.
Die Wissenschaft und die Wirtschaft müssen sich zusammentun, dadurch profitiert der Standort Deutschland.
Infrastruktur ist der zweite Schlüssel. Wenn wir Rechenzentren und „AI-Gigafactories“ planen, müssen Mittelstand und Verwaltung von Beginn an mit einbezogen werden. Ein niederschwelliger Zugang ist entscheidend. Öffentliche Unterstützung gehört deshalb ins Konzept: Jedoch nicht als Gießkanne, sondern als Zugangsbeschleuniger. Regulierungen wie der AI Act schaffen den notwendigen Rahmen. Entscheidend ist, diesen am Anfang agil auszulegen: Sandboxen nutzen, Erfahrungen sammeln und nachschärfen, wo echte Probleme auftreten. Bürokratie darf nicht zum Selbstzweck werden. Bei der KI-Einführung ist KI-Regulierung selten der Hauptblocker, es mangelt eher an Geschwindigkeit und klaren Andockpunkten.
Vorstände wiederum sollten genau das messen: die Zeit bis zur produktiven Integration. Proof-of-Concepts allein sind kein Erfolgsindikator. Erfolgreich ist, was verlässlich in Prozesse und Produkte überführt wird und dabei hilft, die Fähigkeiten der Teams zu erweitern. Produktentwickler benötigen Kenntnisse im Umgang mit KI-Werkzeugen. Nur, wer das eigene Produkt wirklich versteht, kann KI sinnvoll integrieren. Um ein grundlegendes Verständnis dafür zu entwickeln, muss KI in Schule, Ausbildung und Studium vermittelt werden, als Werkzeug und als Lerngegenstand. Wir brauchen Grundwissen über die Funktionsweise, die Grenzen und den verantwortlichen Einsatz von KI. Übrigens ist es für kein Land möglich, die nötige Skalierung allein zu bewerkstelligen: Wir benötigen Koordination, klare Prioritäten und starke Achsen. Die deutsch-französische Zusammenarbeit bietet sich an, denn wir arbeiten bereits seit Jahren eng zusammen. Nationale Strategien bleiben in der KI-Transformation wichtig, sie müssen sichtbar Chefsache sein und europäisch zusammenspielen.