3. Sep 2021
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Lifestyle
Journalist: Kirsten Schwieger
Jeder Arzt darf mittlerweile medizinisches Cannabis verschreiben. Die Anwendungsbereiche sind vielseitig aber noch lange nicht ausreichend erforscht.
Seit März 2017 kann medizinisches Cannabis von Ärztinnen und Ärzten jeder Fachrichtung verordnet werden. Dabei beinhaltet das neue Ge-setz keine konkreten Indikationen, denn bis heute ist nicht ausreichend erforscht, bei welchen Erkrankungen Cannabis tatsächlich indiziert ist. Vielmehr kann die behandelnde Ärztin oder Arzt „im Einzelfall mit begründeter Einschätzung unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Patienten“ Cannabis als Medizin verordnen.
In der Regel kommt medizinisches Cannabis bei Patient:innen mit schwerwiegenden Erkrankungen zum Einsatz – wenn andere Therapien nicht möglich sind oder erfolglos blieben. Insbesondere in der schmerz- und palliativmedizinischen Versorgung spielt es eine zunehmend bedeutsame Rolle. Als etablierte Anwendungsbereiche gelten hier neuropathische Schmerzen und Muskelspastiken bei Multipler Sklerose sowie Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit, beispielsweise im Rahmen einer Chemotherapie. Aber auch bei vielen weiteren Krankheiten wie Epilepsie, chronischen Schmerzen und Darmentzündungen, Arthritis, Glaukom (Grüner Star), Angststörungen, Neurodermitis oder Psoriasis wurde eine positive Wirkung verzeichnet.
Vor Behandlungsbeginn muss die Krankenkasse den Einsatz des medizinischen Cannabis genehmigen – sofern sie die Kosten übernehmen soll. Nur in begründeten Ausnahmefällen darf diese den Antrag ablehnen. Die behandelnde Ärztin oder Arzt stellt dann ein Betäubungsmittel (BTM)-Rezept aus. Die Verschreibungshöchstmenge beträgt aktuell 100 Gramm in 30 Tagen. Diese Menge wurde unabhängig vom Gehalt einzelner Cannabinoide in der jeweiligen Cannabissorte festgelegt. Verschrieben werden können derzeit diverse Sorten mit unter-schiedlichen Wirkungsweisen von verschiedenen Herstellern aus Deutschland, Kanada und den Niederlanden. Die verordnete Sorte beziehungsweise Sorten-Kombination muss ebenfalls auf dem Rezept angegeben sein. Derzeit können Cannabisblüten mit einem THC-Gehalt von ein bis 22 Prozent verordnet werden. Die getrockneten Cannabisblüten oder Extrakte werden dann in Apotheken als Rezepturarzneimittel in Form von Tropfen, Kapseln oder Pulver verarbeitet. Das Pulver kann als Tee angewendet oder mit speziellen Inhalatoren inhaliert werden.
Mit dem neuen Gesetz zu Cannabis als Medizin wurde medizinisches Cannabis in Deutschland verkehrsfähig. Sprich, dessen Besitz ist nicht strafbar. Beim Mitführen außer Haus empfiehlt sich, die medizinische Verordnung parat zu haben. Auch Auslandsreisen mit medizinischem Cannabis sind grundsätzlich möglich. Für Reisen innerhalb der Europäischen Union bedarf es einer Bescheinigung der zuständigen Gesundheitsbehörde, wofür ein Arzt- Formular eingereicht werden muss. Für die Mitnahme in Nicht-EU-Länder kommt ein anderes Formular zum Einsatz (siehe Kasten). Zusätzlich muss eine Import-Genehmigung des Ziellandes eingeholt werden. Allerdings gibt es Länder, die den Import verbieten.