14. Mär 2022
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Gesundheit
Journalist: Christiane Meyer-Spittler
Das Institut für Umweltmedizin (IFU) widmet sich der biochemischen Individualität des Menschen und entwickelt dazu neue wissenschaftliche Untersuchungsmethoden.
Klaus-Dietrich Runow, Buchautor und Ärztlicher Leiter des IFU, Institut für Umweltmedizin, Wolfhagen und Gründer der europäischen Academy for Functional Medicine (AFM)
Herr Runow, was unterscheidet Ihren Blick auf den Patienten von dem eines Schulmediziners?
Im Laufe meiner über 35-jährigen ärztlichen Tätigkeit habe ich gelernt, den Blickwinkel auf Diagnostik und Therapie von Krankheiten zu ändern. Es stellt sich die grundlegende Frage: Handelt es sich bei den Beschwerden um eine Krankheit oder um ein Symptom?
Während die klassische Medizin Krankheiten-zentriert arbeitet, sind wir Ärzte aus der Functional Medicine (angewandten Umwelt- und Ernährungsmedizin) Patienten-zentriert, d. h. nach einer Diagnose fragen wir nicht, welches Medikament können wir gegen die Krankheit einsetzen, sondern wann und durch welche Umwelteinflüsse ist die Krankheit entstanden? Gab es ein auslösendes Moment, wie z. B. eine Infektionskrankheit, Schadstoffbelastung, Antibiotikaeinnahme oder einen starken psychischen Stress?
Laut Ihrem Buch: „Der Darm denkt mit“ fangen viele chronischen Krankheiten im Darm an. Heißt das, wir essen uns krank?
Ja, wir essen uns krank. Allerdings geht es dabei weniger um die Adipositas, die krankhafte Fettleibigkeit, sondern um maskierte Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Viele Menschen wissen gar nicht, dass sie Nahrungsmittelunverträglichkeiten haben, weil sie keine Sofortreaktionen nach dem Essen spüren. Oft sind sogar die Grundlebensmittel, wie Getreide, Milch und Ei, Hauptauslöser der chronischen Beschwerden. Problematisch wird es, wenn die Symptome erst Stunden oder sogar Tage nach dem Verzehr des Nahrungsmittels auftreten. Durch moderne Blutanalysen, die wir z. T. auch in den USA durchführen lassen, spüren wir diese immunologischen Spätreaktionen auf. Neu sind Blutanalysen, die sogenannte immunologische Kreuzreaktionen aufdecken. Man hat festgestellt, dass Antikörper gegen bestimmte Nahrungsmittel auch körpereigenes Gewebe angreifen und somit Autoimmunkrankheiten auslösen oder verstärken können.
Da Darm und Gehirn über die Nervenzellen miteinander verbunden sind, können falsche Nahrungsmittel unsere Psyche angreifen?
In der Darmwand befinden sich Millionen von Nervenzellen, die sich zu einem gemeinsamen Strang vereinen und zum Gehirn führen. Unser Gehirn wird also jederzeit über biochemische Prozesse im Darm informiert. Nahrungsunverträglichkeiten oder auch eine mikrobiologische Fehlbesiedelung im Darm (Dysbiose) führen zu entzündlichen Reaktionen, die die Darmbarriere angreifen. Hieraus kann neben einer erhöhten Darmdurchlässigkeit (Leaky Gut) auch eine Durchlässigkeit der Blut-Hirnschranke (Leaky Brain) resultieren, woraufhin der Hirnstoffwechsel gestört wird. Es kommt zu Depressionen, Kopfschmerzen und Verhaltensstörungen. Beispiel: Wenn Gluten nicht richtig verdaut wird, können Eiweiße entstehen, die in ihrer Wirkung dem Morphin ähnlich sind. Im Getreide nennt man sie Glutenexorphine oder bei der Milch Casomorphine. Sie stören den Gehirnstoffwechsel und führen zu Hyperaktivität oder autistischen Symptomen. Hierbei spricht man nicht von Allergien, sondern von Peptidunverträglichkeit. Allein durch das Weglassen der betreffenden Nahrungsmittel und therapeutische Unterstützung der Darmökologie kann es sehr rasch zu einer Symptomverbesserung kommen.
Wie kann ich meinen Darm gesund erhalten?