15. Okt 2023
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Wirtschaft
Journalist: Katja Deutsch
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Foto: Presse
Christoph Ahlhaus, Vorsitzender der Bundesgeschäftsführung „Der Mittelstand“ (BVMW), spricht über die großen Herausforderungen, die das Lieferkettensorgfaltsgesetz für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bedeutet.
Das Lieferkettensorgfaltsgesetz betrifft immer mehr kleinere mittelständische Unternehmen, teilweise tritt es ab 250 Mitarbeitern in Kraft. Wie wird es von KMUs beurteilt?
Das Gesetz ist ein weiterer Mühlstein um den Hals der Unternehmen. Mittelständler verfügen in der Regel nicht über die personellen und finanziellen Ressourcen, um weitere Bürokratielasten zu stemmen. Kostbare Ressourcen, die besser zum Beispiel für Forschung und Entwicklung verwendet werden sollten, werden für teure Überwachung von Zulieferern verschwendet. Nicht einmalig, sondern kontinuierlich.
Welche Nachweise müssen entlang der Lieferkette vorgelegt werden?
Die Sorgfaltspflichten haben es in sich. Sie erstrecken sich auf die gesamte Lieferkette – von Rohstoffen bis zum Endprodukt. Betroffene Unternehmen müssen beispielsweise ein Risikomanagement etablieren, eine Risikoanalyse durchführen und umfangreiche Dokumentations- und Berichtspflichten einhalten. Übrigens auch kleine Unternehmen können als Teil der Lieferkette für größerer Unternehmen von den Anforderungen des Gesetzes betroffen sein. Das hemmt und macht es den Unternehmen, die ohnehin schon stark belastet sind, noch schwerer.
Wie können diese Nachweise auf Echtheit überprüft werden?
Kontrolliert werden soll die Einhaltung zum Beispiel durch externe Audits oder durch Kontrolle vor Ort. Dies bindet erhebliche Ressourcen, ohne zu garantieren, dass die Standards kontinuierlich eingehalten werden. Gerade Logistikunternehmen mit äußerst komplexen Lieferketten werden hier vor beinahe unlösbare Aufgaben gestellt.
Wer haftet im Falle unwahrer Angaben?
Wir sprechen hier von Bußgeldern von bis zu acht Millionen Euro beziehungsweise zwei Prozent des Jahresumsatzes sowie einem dreijährigen Ausschluss von öffentlichen Vergaben. Für Zulieferer, die nicht direkt dem Gesetz unterliegen, gelten diese Sanktionen zwar nicht, allerdings drohen Vertragsstrafen aus Lieferbeziehungen. So ist davon auszugehen, dass auch die kleineren Zulieferer zukünftig von vertraglich geregelten Sanktionen betroffen sein könnten.
Welche Chance und Vorteile bietet das Gesetz?
Wir begrüßen Bestrebungen der Politik, weltweit bessere Arbeits-, Sozial-, und Umweltstandards zu etablieren. Dies hilft Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen und sorgt für mehr Fairness unter den Beteiligten. Auf Betriebsebene stellen die hohen Kosten der Lieferkettenkontrolle jedoch eine erhebliche Belastung dar. Damit wird die EU-Richtlinie auch für Schwellen- und Entwicklungsländer ein riskantes Unterfangen. Denn ihnen droht der Verlust europäischer Kunden und schlimmstenfalls der Verlust von Arbeitsplätzen. Hier wie dort werden Wachstum und Wohlstand so völlig unnötig gehemmt.